Offiziell gibt es sie in der Schweiz nicht, inoffiziell gehören sie aber zum guten Ton – die Rede ist von Trinkgeldern. Wer aber hat Anspruch darauf? Wo gehen die Gelder hin? Und wer bestimmt darüber? In der Zuger Gastroszene gehen die Meinungen darüber weit auseinander.
Ein delikates Essen in einer gemütlichen Runde, abgerundet mit einer guten Flasche Wein und dazu eine aufmerksame und freundliche Bedienung. Oder auch: Ein neuer Haarschnitt bei einem kurzweiligen Schwatz mit der Coiffeuse, beim Frisör Nils Müller zum Beispiel. Ob Restaurant, Coiffeur oder Hotel – auch in Zug gilt: Wenn der Service stimmt, gibts Trinkgeld.
Allerdings muss sich niemand, weder rechtlich, noch moralisch, dazu verpflichtet fühlen, dem Servicepersonal, der Coiffeuse oder dem Zimmermädchen eines zu bezahlen (siehe Box). Denn in der Schweiz liegen keine gesetzlichen Bestimmungen darüber vor, wem das Trinkgeld gehört.
Trotzdem: Die Praktik ist weit verbreitet und breit akzeptiert. Doch wer garantiert, dass der Zustupf da ankommt, wo er hin soll? Gerade in Gastronomie- und Hotelbetrieben ist das nicht immer ganz einfach. Schliesslich ist es nicht der Küchenchef, der am Tisch einkassiert.
Stark unterschiedliche Handhabungen
Trinkgelder sind in der Schweiz seit 1974 in den Preisen inbegriffen. Angestellte haben entsprechend keinen Anspruch auf Zusatzleistungen in Form von Trinkgeldern. Mit dem landesweit gültigen Gesamtarbeitsvertrag der Gastrobranche haben sie das Recht auf den Mindestlohn, wozu jene nicht gerechnet werden. Aber: Trinkgelder gehören laut Steuergesetz zum Einkommen und sind zu deklarieren.
Etwas anders läuft es im Grand Café Zug, obwohl auch dort ein Teil in den Hintergrund gehe, wie Mike Fuchs, Teil der Geschäftsführung, erläutert: «Die Handhabung fällt je nach Schicht anders aus. Grundsätzlich darf der Service das Trinkgeld selber behalten.» Abends, wenn mehr laufe und das Personal entsprechend aufgestockt werde, komme eine andere Methode zum Zug. «Für einen reibungslosen Ablauf braucht es auch die Leute im Hintergrund», sagt Fuchs und meint damit vorderhand die Küchen- und Buffetangestellten. Schliesslich seien auch sie Teil des Teams und sollen ebenfalls für die gute Arbeit belohnt werden. Das schweisse zusammen, das stütze das Team.
«Kein gutes Personal kann eine schlechte Küche wettmachen.»
Erich Barth, Restaurant Schiff Zug
Von einfach bis kompliziert
Ganz allgemein sind alle angefragten Betriebe überzeugt davon, dass ihr System durch Fairness für alle Beteiligten besticht. So auch die 67 Sixtyseven Sportsbar in der Zuger Bossard Arena, wenn auch ihre Methode etwas kompliziert anmutet: «Standard ist, dass die Bedienung fünf Franken pro Tag an die Küche abgibt. Der Rest ist uns überlassen», sagt eine Serviceangestellte. An Matchtagen werde dieser Betrag auf 20 Franken erhöht, weil dann viel mehr los sei und auch die Küche entsprechend intensiver gefordert wäre, so die Erklärung.
Auffallend ist, dass in Zuger Gastrobetrieben das Küchen- und Buffetpersonal stets am Zustupf beteiligt wird. «Kein gutes Personal kann eine schlechte Küche wettmachen», sagt stellvertretend Erich Barth, Inhaber des Restaurants Schiff. Die Bedienung könne absolut top sein, wenn der Tellerinhalt nicht stimme, werde der Gast selbst den besten Service nicht honorieren. Deshalb praktiziere man im Schiff das «ehrlichste und fairste» Trinkgeld-System, wie Barth versichert. «50 Prozent gehen an den Service, 50 Prozent gehen in die Küche.»
Von prozentualen Anteilen über gleichmässige Ausschüttung bis hin zu pauschalen Beiträgen – der Handhabung mit den Trinkgeldern scheinen keine Grenzen gesetzt. Noch ein Beispiel: «Das Trinkgeld gehört dem, der es bekommt», sagt Vitto Laubscher vom Café Ascot in Zug. Die jeweilige Servicetochter könne damit machen, was sie wolle. Aber: «Pro Serviceangestellter gehen täglich pauschal zehn Franken an die Küche und zehn Franken ans Buffet», führt Laubscher aus.
«Ich bekomme davon oftmals gar nichts mit.»
Nils Müller, Frisör aus Zug
Beim Frisör
Der Umstand, dass Mitarbeiter im Hintergrund ihren Anteil am freiwilligen Obolus leisten und entsprechend daran beteiligt werden sollten, entfällt in Coiffeur-Salons gänzlich. «Wir können alles behalten», sagt denn auch eine Angestellte beim Coiffeur Gidor in Zug. Frisör Nils Müller hält es in seinem Salon gleich: «Ich bekomme davon oftmals gar nichts mit», sagt er. Das sei aber völlig in Ordnung so. Denn es handle sich um eine persönliche Dienstleistung, die mit persönlicher Ehrung honoriert werde. «Meine Mitarbeiter haben Stammkunden, die haben sie sich selber erarbeitet, und sollen deshalb vollumfänglich dafür belohnt werden.»
Beim Haute Coiffure Française André Banholzer lässt man die Kunden entscheiden. Sie haben die Wahl zwischen zwei Kassen: «Die eine Kasse steht für den jeweiligen Mitarbeiter. Der Inhalt gehört ihm», erzählt eine Angestellte. «Die zweite Kasse ist eine Gemeinschaftskasse. Der Inhalt wird unter allen Angestellten aufgeteilt.» Und welche Kasse ist besser gefüllt? Das sei sehr unterschiedlich, hält sie sich bedeckt. Grundsätzlich aber gelte, dass Kunden logisch und bewusst entscheiden würden.
«Das Ganze ist eine Grauzone.»
Jasmin Hilpertshauser, SwissEver Hotel Cham
Im Hotel
Auch in den Zuger Hotels lassen sich unterschiedliche Ansätze und Überzeugungen finden. Im Parkhotel Zug zum Beispiel werden Trinkgelder in einer Gemeinschaftskasse gesammelt. «Wenn dann ein ordentlicher Betrag zusammengekommen ist, wird der Inhalt unter dem gesamten Personal aufgeteilt», erzählt die Rezeptionistin. Egal, ob Zimmermädchen, Koch, Dienstveteran oder Azubi – alle bekommen gleich viel.
Jasmin Hilpertshauser, Direktionsassistentin im SwissEver Hotel in Cham, ist sich der schwammigen Lage rund um die Thematik der Trinkgelder bewusst. Trotzdem, oder gerade deshalb, habe man sich für einen liberalen Ansatz entschieden. «Das Ganze ist eine Grauzone. Wir geben diesbezüglich das Zepter den Mitarbeitenden in die Hand.» Heisst konkret: Die Angestellten machen unter sich aus, wie sie die Trinkgelder handhaben. Das funktionierte bisher bestens. Die Mitarbeiter seien zufrieden mit dieser Lösung, sagt sie.
Im Hotel Station in Zug bedient man sich einer Mischrechnung. «Unser Personal nimmt zum einen Trinkgelder individuell von den Gästen auf. Zum anderen führen wir an der Rezeption eine zentrale Trinkgeldkasse», erläutert Rezeptionistin África Ramos. Wirklich der Rede wert wäre dies aber nicht. Da die Mehrheit der Gäste mit der Kreditkarte bezahlen würde, gäbe es auch nicht viel Trinkgeld, führt sie aus.
Die Beispiele zeigen: Es gibt keine Garantie dafür, dass der freiwillig geleistete, finanzielle Zustupf auch da ankommt, wo man ihn haben möchte. Weil das Hoheitsrecht beim Betrieb liegt, hat er es in der Hand, darüber zu bestimmen, wie die Trinkgelder verteilt werden. Die Beispiele zeigen aber auch, dass bei Zuger Betrieben Fairness hoch im Kurs steht, wenn auch jeder eine etwas andere Auffassung davon haben mag.
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Philipp Bucher, 01.10.2015, 13:54 Uhr Korrigendum: Vitto Laubscher wurde bei Veröffentlichung des Artikels dem falschen Café zugeordnet. Laubscher ist Geschäftsführer des Cafés Ascot in Zug und arbeitet nicht für die Confiserie Speck.
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