Für die Zentralschweizer Privatradios ist der Raum Willisau und Sursee publizistisches Randgebiet. Dies stellt das BAKOM in einer neuen Studie fest – und bestätigt damit die Wahrnehmung der lokalen Politik. Passiert wirklich so wenig in dieser Region mit ihren 115’000 Menschen, so wie es die Sender behaupten?
«Die Geschichten liegen auf der Strasse» – dieser Satz ist ein geflügeltes Wort unter Journalisten. Doch offenbar gilt das nicht für die Region Willisau und Sursee – jedenfalls nicht bei den Zentralschweizer Privatradios. Die Region sei ein Randgebiet, das von keinem der drei Sender «substanziell publizistisch erschlossen werde».
Zu dieser Feststellung kommt das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) in der eben veröffentlichten Privatradiostudie 2012: Halten sich die Reporter von «Radio Central», «Radio Sunshine» und «Radio Pilatus» tatsächlich fern aus den beiden Ämtern, einer Region mit immerhin über 115’000 Einwohnern? Oder passiert dort einfach nichts?
Willisau sei «zuwenig relevant»
«Wir berichten immer, wenn etwas Relevantes in dieser Region passiert», sagt Joachim Freiberg, Geschäftsleiter von «Radio Pilatus». «Aber zwanghaft eine regelmässige Berichterstattung etwa aus Willisau zu versuchen, funktioniert nicht.» Dies habe bereits vor zehn Jahren ein Test gezeigt, währenddessen der Sender ein Jahr lang ein «Willisauer Fenster» im täglichen Programm eingerichtet hatte. Das Problem: «Es gab einfach zu wenig relevante Themen in Willisau. Wir mussten sie uns aus den Fingern saugen», sagt Freiberg. Und dass aus Willisau plötzlich Gemeindeberichtstattung zu hören war, hätten die Hörer in anderen Regionen nicht verstanden.
Roman Spirig, Programmleiter bei «Radio Sunshine», sagt: «Willisau und Sursee sind vielleicht nicht die absoluten Hotspots der Zentralschweiz. Aber auch in dieser vielfältigen Region gibt es gute Geschichten zu entdecken, die wir gerne erzählen, wenn wir sie haben.» Natürlich passiere aber in den grössten Zentralschweizer Städten wie Luzern und Zug durchschnittlich mehr als in Willisau und Sursee. So liege es in der Natur der Sache, dass die Region um Willisau und Sursee nicht an erster Stelle in der Beitragsplanung stehe.
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Spirig weist darauf hin, dass die Studienergebnisse auf fünf zufällig ausgewählten Tagen aus dem Jahr 2012 basieren, einer künstlichen Woche. Es könne also gut sein, dass in der Zeit einfach nichts Relevantes in der Gegend passiert sei. Daraus zu schliessen, man berichte nicht über diese Region, sei «ein Trugschluss». Dennoch weiss Spirig, dass «Radio Sunshine» eigentlich noch mehr über die Region berichten könne: Zusammen mit «Radio Central», zu dem «Radio Sunshine» seit einem Jahr gehört, plane man auf diesen Spätherbst einen gemeinsamen Newsroom in Luzern. «Und von dort wollen wir mit unseren Reportern mehr in die Region Willisau und Sursee vorstossen.» Dass dort einfach nichts laufe, diesen Schluss dürfe man nicht ziehen.
Genau das ist aber die Krux von Regionalradios, deren Sendegebiet sich gleich über mehrere Kantone erstreckt: Sie können nicht allzu tief in die jeweiligen Gemeinden vordringen, ohne dabei gleichzeitig andere Gegenden zu vernachlässigen. Und eigene Geschichten zu recherchieren, braucht Zeit und Ressourcen, die bei den Privatradios oftmals nicht vorhanden sind. Dass in Willisau und Sursee aber genug Geschichten von lokalem Interesse vorhanden sind, um zumindest Wochenzeitungen zu füllen, beweist die Arbeit der lokalen Blätter «Willisauer Bote» und «Surseer Woche».
Central: Sursee und Willisau «liegen brach»
Das sieht auch Alfons Spirig, Geschäftsleiter von «Radio Central»: «Es hat natürlich Geschichten in der Region. Aber wir machen die nicht so ausführlich, wie wir es könnten.» Leider würden aus den Gemeinden dieser Regionen oftmals nur spärliche Informationen fliessen. Bei «Radio Central» wissen sie, dass Sursee und Willisau «brach liegen». Und mit dem Einrichten des Newsrooms in Luzern versuche man das zu ändern – das hätte man auch ohne die Studienergebnisse gemacht.
Alfons Spirig hat Grund zur Freude. Die Studie erwähnt sein Radio als bestes Beispiel eines Privatsenders, der seinen Programmauftrag vollends erfüllt – auch ohne dass der Sender Gebühren erhält. «Das Studienresultat macht uns Freude: Es bestätigt, dass wir den Leistungsauftrag mehr als erfüllen – wir machen das sogar hervorragend.
«Wir werden stiefmütterlich behandelt»
Und wie sehen das die betroffenen Gemeinden Willisau und Sursee? Fühlt man sich dort von den Privatradios vernachlässigt? «Vernachlässigt fühlen wir uns nicht», sagt Erna Bieri-Hunkeler, Stadtpräsidentin von Willisau. «Aber wir stellen fest, dass die Sender eigentlich nur auf unsere Communiqués hin berichten – und nicht von sich aus auf die Region zukommen.» Sie hofft daher, dass die lokalen Radios in Zukunft aktiver aus ihrer Region berichten.
In Sursee sieht das Städtpräsident Beat Leu etwas anders: «Ich konsumiere zwar eher Zeitungen als Radio. Ich habe aber auch dort das Gefühl, dass wir stiefmütterlich behandelt werden.» Wenn über Sursee berichtet werde, dann sei das oft explizit negativ – das beobachtet Leu vor allem in anderen Gemeinden. «Insofern bin ich natürlich froh, dass Sursee nicht so oft in der Presse auftaucht.»
Zentralschweizer Privatradios unter Top Ten
Kernfrage der BAKOM-Studie war: Wie erfüllen die Schweizer Privatradios ihren Leistungsauftrag? Mit «Radio Central» und «Radio Sunshine» befinden sich gleich zwei Zentralschweizer Privatradios unter den Top Ten der Sender, die mit einem besonders hohen Anteil an Information und Wortbeiträgen bestechen. Schweizweit am meisten Informationsanteil bietet «Radio Central» mit täglich 116 Minuten, davon 49 Minuten über die Region. Insgesamt macht der Informationsanteil über ein Drittel des gesamten Programms aus – in der Prime Time gar mehr als die Hälfte. Laut der Studie ist das «ein für Privatradios sehr hoher Wert.»
«Radio Sunshine» befindet sich punkto Informationsdauer und -anteil an zehnter Stelle. Es kommen 62 Minuten täglich Wortbeiträge, davon 35 Minuten Regionalinformation. Bei «Radio Pilatus» liegt der Informationsanteil bei relativ bescheidenen, aber für Privatradios durchaus üblichen 13 Prozent.