Detailhändler will Ebikoner von «Qube» überzeugen

Wieso die Migros plötzlich Wohnquartiere plant

Walter Baumann vor der Visualisierung des Qube-Quartiers in Ebikon.

(Bild: jal)

Wer an Migros denkt, hat Regale mit Lebensmitteln vor Augen. In Ebikon mischt die Luzerner Genossenschaft mit dem geplanten Quartier Qube nun auch den Wohnungsmarkt auf. Sie wäre nicht die einzige, die dort ihr finanzielles Glück sucht. Doch die Verantwortlichen sprechen von einem Einzelfall – und geben ein Versprechen.

Wo wohnen Sie? Bei der Migros. – So könnte schon bald ein Gespräch in Ebikon klingen. Denn wer sich in der Gemeinde niederlässt, könnte in einigen Jahren einen Mietvertrag mit der Migros Luzern abschliessen. Die Genossenschaft plant auf dem ehemaligen MParc-Areal ein neues Quartier mit rund 340 Wohnungen.

Das mag erstaunen, ist die Migros doch in erster Linie ein Supermarkt. Zwar hat sie sich mit den Fitnesscentern, der Klubschule und dem Kulturprozent in der Vergangenheit zu einem Gemischtwarenladen entwickelt. Und die Pensionskasse der Migros spielt schon lange im Immobilienmarkt mit genauso wie die Lib-AG, eine Tochterfirma der Migros-Gruppe.

Ein «spezieller Einzelfall»

Doch im Portfolio der Genossenschaft Migros Luzern tauchen bisher nur vereinzelt Wohnungen auf. Meistens befinden sie sich oberhalb von Supermärkten oder Einkaufszentren. Der Bestand umfasse rund 50 Wohnungen, sagt Walter Baumann, Leiter Bau, Immobilien und Centermanagement bei der Migros Luzern. «Es gibt also bereits Menschen, die einen Mietvertrag bei der Migros haben», sagt er und lacht.

In Ebikon soll die Zahl dank des Projekts Qube in naher Zukunft vervielfacht werden. Die Leitung einer Überbauung in diesem Ausmass ist für die Genossenschaft nicht Alltag. «Aussergewöhnlich ist in Ebikon, dass wir das Projekt nicht aufgrund einer Detailhandelsnutzung planen», sagt Felix Meyer, Geschäftsleiter der Migros Luzern. Ebikon ist ein spezieller Einzelfall: Wir sind kraft der Geschichte mit dem Rontal eng verbunden und wollen es bleiben», erklärt Baumann.

«Uns geht es nicht um Gewinnmaximierung.»

Walter Baumann, Migros Luzern

Doch mit der Eröffnung der Mall of Switzerland hat die Migros das Areal Weichle verlassen – für Letzteres musste eine neue Nutzung her. Ein Verkauf des Geländes sei aufgrund der Verbundenheit aber nicht in Frage gekommen. «Es ist für uns, die wir die Bedürfnisse und die Region kennen, die bessere Variante, das Projekt in enger Abstimmung mit der Gemeinde selber zu entwickeln», sagt Meyer. «Wir möchten einen Beitrag zur positiven Entwicklung von Ebikon als Wohn- und Arbeitsort leisten.»

Wie passt das zur Migros-DNA?

Das Engagement im renditegetriebenen Immobilienmarkt stehe nicht im Widerspruch zur DNA der Migros, betont Walter Baumann. «Uns geht es nicht um Gewinnmaximierung.» Das Projekt Qube berücksichtige die Werte der Migros wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung.

Insgesamt 340 Wohnungen sollen auf dem Areal entstehen. (Visualisierung: zvg)

Insgesamt 340 Wohnungen sollen auf dem Areal entstehen. (Visualisierung: zvg)

In der Tat betont die Genossenschaft, dass es sich um ein ökologisch vorbildliches Quartier handle. Es soll verkehrsarm sein, mit grünen Flächen ringsum sowie Solarzellen auf dem Dach, und mit nur 0,6 Parkplätzen pro Wohnung den öffentlichen Verkehr priorisieren. Zudem streben die Verantwortlichen ein durchmischtes Quartier an, mit Mietern aus allen Einkommensklassen – von der Budget- bis zur Sélection-Wohnung quasi.

«Die Migros verkauft Qube an einen arabischen Investor – diese Schlagzeile wird man nie lesen können.»

Felix Meyer, Geschäftsleiter Migros Luzern

Gleichwohl ist klar, dass das Finanzielle eine wichtige Rolle spielt. Das Investitionsvolumen beläuft sich gemäss einer ersten groben Schätzung auf 150 Millionen Franken. Gratis baut auch die Migros nicht. «Wenn man in ein Objekt investiert, muss eine minimale Rendite da sein, sonst vernichtet man Geld und das macht kein Unternehmen», sagt Felix Meyer. Das Projekt müsse unter dem Strich selbsttragend sein, ergänzt Baumann. «Es ist nicht auszuschliessen, dass wir dafür einige Eigentumswohnungen erstellen und verkaufen müssen, zum Beispiel im Hochhaus.»

Kein Verkauf nach China oder Abu Dhabi

Gleichzeitig ist für die Migros Luzern bereits jetzt klar, dass sie nicht alle Wohnungen selber bauen wird. «Für uns ist dieses ganze Paket etwas zu gross», sagt Baumann. Namen von potenziellen Co-Investoren lässt sich die Migros allerdings noch nicht entlocken. Nur so viel: Denkbar wäre zum Beispiel die Pensionskasse der Migros. Doch das will man erst nach der Abstimmung über die Umzonung und den Bebauungsplan im Februar 2019 angehen, genauso wie die Frage, welchen Teil die Migros Luzern selber baut.

Dass am Ende – wie bei der Mall of Switzerland – Investoren aus Abu Dhabi das Zepter übernehmen, schliessen die Verantwortlichen aber vehement aus. «Die Migros verkauft Qube an einen chinesischen oder arabischen Investor – diese Schlagzeile wird man nie lesen können», versichert Felix Meyer.

Ein Zukunftsmodell?

Dass branchenfremde Unternehmen in den Immobilienmarkt einsteigen, ist nicht neu. So baut zum Beispiel auch das Transportunternehmen SBB Wohnungen – und sogar die Kirchgemeinden haben das Geschäft für sich entdeckt (zentralplus berichtete). Ist das also auch für die Migros Luzern ein neues, lukratives Feld? Nein, sagen Meyer und Baumann unisono. «Es ist nicht unser Kerngeschäft und das soll es auch nie werden», so der Leiter Immobilien. Weitere Projekte im ähnlichen Stil und Ausmass seien nicht geplant. Würde die Migros Luzern anfangen, auf dem freien Markt Grundstücke für neue Wohnungsüberbauungen zu kaufen, wäre man schnell im Teich der Immobilienspekulanten und das wollen wir nicht, so Baumann.

Zwischennutzer gesucht

Der Baustart für das Projekt Qube erfolgt frühestens 2022. Bis dahin stellt die Migros Luzern die Gebäude des ehemaligen MParc und der ehemaligen Landihalle für Zwischennutzungen zur Verfügung. «Wer die Infrastruktur zu Selbstkosten nutzen will, soll sich melden», sagt Walter Baumann. Die Migros Luzern prüfe alle Ideen und schaue, was machbar sei. Einige Zusagen gab es bereits, so üben zum Beispiel Alphornbläser wöchentlich in den Räumen oder kürzlich fand die Expo Rontal 2018 auf dem Areal statt.

Der Ausflug in den Wohnungsmarkt bleibt also die Ausnahme. Vorerst betritt die Migros Luzern aber noch ein anderes unbekanntes Feld – den Abstimmungskampf. Am 10. Februar 2019 stimmt Ebikon über die Umzonung und den Bebauungsplan Weichle ab, die für das Projekt Qube notwendig sind. Und die Stimmung ist nicht nur wohlwollend, wie ein Informationsabend kürzlich zeigte. Auf Kritik stossen vor allem das Hochhaus, die Grösse und der Verkehr (zentralplus berichtete).

Keine Frage des Überlebens

«Für die Abstimmung ist es uns wichtig, der Bevölkerung Chancen und Risiken aufzuzeigen», sagt Baumann. Und Letztere, das ist für die Migros klar, liegen in einem allfälligen Nein. Denn dann werde das Areal nicht weiter genutzt, höchstens für Lagerzwecke. «Ein leer stehendes Areal kann nicht im Sinne der Bevölkerung von Ebikon sein, langfristig ist ein nachhaltiges Projekt notwendig», sagt Felix Meyer.

Als Drohung wolle man das aber keineswegs verstanden wissen, versichert Walter Baumann. Die Migros werde das Votum der Bevölkerung akzeptieren, sagt er und schliesst den Kreis: «Denn diese Überbauung ist nicht unser Kerngeschäft – und für uns daher nicht eine Frage des Überlebens.»

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Das MParc-Areal soll Platz bieten für ein modernes Quartier.

(Bild: zvg)

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