34'000 Franken Ladenmiete in Luzern

Wie Luzerner Detaillisten überleben

Gina Hofstetter setzt mit ihrem Kleiderladen Früh'ling auf persönliche Beratung und herzliche Bedienung. (Bild: lru)

Wir befinden uns im Jahre 2015: Ganz Luzern ist von Uhrengeschäften, internationalen Ladenketten und Touri-Shops besetzt. Ganz Luzern? Nein! Einige unbeugsame Detaillisten hören nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten.

Ein Inserat, das aufhorchen lässt: Stolze 34’200 Franken kostet das zweistöckige Ladenlokal am Reusssteg ­– jeden Monat. Das sind fast 900 Franken pro Quadratmeter und Jahr. Bis vor kurzem war hier der Schuhladen Colonys eingemietet, jetzt wird ein neuer Mieter gesucht.

An der Krongasse 2 ist zur Zeit ein Ladenlokal zur Miete ausgeschrieben – mit einem stolzen Preis.

An der Krongasse 2 ist zur Zeit ein Ladenlokal zur Miete ausgeschrieben – mit einem stolzen Preis.

Der Colonys reiht sich damit in eine ganze Reihe von Läden, die ihre Dependance in der Stadt Luzern kürzlich geschlossen haben: Musik Hug, Pier 42, Paul Kehl (zentral+ berichtete), um nur einige zu bennen. «Kleider raus, Uhren rein»,  scheint der Trend zu sein, besonders in der begehrten Altstadt (zentral+ berichtete). Noch viel höher als an der Reuss sind die Mieten am Grendel: Dort bezahlt man 4’000 bis 6’000 Franken pro Quadratmeter und Jahr. Ein ähnlich grosses Lokal kriegt man dort also ab 160’000 Franken monatlich. Trotz teuren Ladenlokalen, Konkurrenz aus dem Internet und starkem Franken können manche Läden überleben. Und sogar neue Geschäfte haben Erfolg. zentral+ zeigt Beispiele, wie Läden in diesem schwierigen Umfeld bestehen können.

Begehrte Ladenflächen

Dass die Ladenflächen in der Altstadt heiss begehrt sind, hat auch der Luzerner Stadtrat erkannt. Er hat darum die Hausbesitzer der Alstadt am Dienstag zu einem Treffen eingeladen (zentral+ berichtete). Über 120 Personen haben daran teilgenommen. Einzelnen Hausbesitzern werden laut einem Bericht der Neuen Luzerner Zeitung zum Teil gewaltige Schlüsselgelder – einmalige Zahlungen, mit denen sich neue potentielle Mieter einkaufen wollen – angeboten. Dabei kursieren teilweise Beträge ab einer Million Franken aufwärts.

Das eigene Haus sorgt fürs Überleben

Da gibt es zum Beispiel das Schuhhaus Imgrüth an bester Lage an der Weggisgasse. Seit über 100 Jahren verkauft die Familie Imgrüth Schuhe. Der Ladeninhaber kann das mittelgrosse Lokal nur halten, weil er das Haus selber besitzt. «Uns gibt das eine Reserve, die andere Läden nicht besitzen», sagt Einkäufer Mark Huser. Damit ist es aber nicht getan: «Wir sind extrem straff organisiert. Den gesamten Einkauf machen wir zu zweit, während andere Häuser ganze Abteilungen beschäftigen.»

Auch wenn steigende Mieten für das Schuhhaus kein Problem sind: Das Geschäft sei auch schon besser gelaufen, so Huser. «Es wäre falsch, das abzustreiten.» Der grösste Feind ist die Konkurrenz aus dem Internet. Der Online-Handel habe vor etwa zehn Jahren begonnen und sei stetig gewachsen, meint Mark Huser: «Aber so genau wissen wir das gar nicht. Wir sehen die Leute ja nicht, wenn sie online einkaufen.»

Das Schuhaus Imgrüth verkauft seit über 100 Jahren Schuhe.

Das Schuhaus Imgrüth verkauft seit über 100 Jahren Schuhe.

(Bild: lru)

Zur Konkurrenz im Internet kommt ein weiteres Problem hinzu: Der starke Franken macht die ausländischen Schuhe viel günstiger. Seit Anfang Jahr sind darum Schuhe auf einen Schlag viel weniger wert. Dieses Geld fehle dann im Umsatz: «Das ist ein enormes Problem. So schnell hat man zehn, fünfzehn Prozent nicht aufgeholt», sagt Huser.

Angst vor Wuchermieten

Auch wenn man sparsam geschäftet: Ohne eigenes Geschäftshaus wäre Imgrüth wohl nicht mehr an so prominenter Lage vertreten. Sie müssen keine Vermieter fürchten, welche das Lokal an den Meistbietenden vermieten könnten.

«Vor Zalando haben wir überhaupt keine Angst.»

Gina Hofstetter, Kleiderladen Früh’ling

Genau das könnte dem Kleiderladen Früh’ling an der Alpenstrasse irgendwann passieren. Weil neu viele Cars am nahegelegenen Löwen- statt am Schwanenplatz anhalten, gibt es um ihr Geschäft herum mehr Touristen als früher, was auch Inhaberin Gina Hofstetter beobachtet hat. Sie glaubt allerdings nicht, dass ihr Geschäftslokal in den Fokus der Touristenläden kommen wird: «Darüber will ich gar nicht spekulieren. Aber ich denke, die Strasse ist doch zu befahren für die ganz grossen Marken. Ausserdem haben wir sehr faire Vermieter.»

Vor dem Kleiderladen Früh'ling verkehren viele Touristen.

Vor dem Kleiderladen Früh’ling verkehren viele Touristen.

(Bild: lru)

Erst vor zweieinhalb Jahren hat die Zugerin den Laden mit ihrem Geschäftspartner Nils von Weissenfluh eröffnet. Das Geschäft läuft gut: «Wir können uns einen ganz normalen Lohn auszahlen. Und unsere Verkäuferinnen verdienen eher besser, als sonst im Verkauf üblich.» Konkurrenz hat natürlich auch sie: Viele Studentinnen kämen zu ihr in den Laden um sich etwas Spezielles zu gönnen, würden ihre alltäglichen Kleider aber bei den grossen Ketten oder im Internet bestellen. Allerdings: «Vor Zalando haben wir überhaupt keine Angst. Das ist etwas komplett anderes!»

«Unser Geschäft soll in der Stadt auch ein sozialer Treffpunkt sein. Wie früher, als sich die Frauen im Dorfladen getroffen haben.»

Mark Huser, Schuhhaus Imgrüth

Sie böten persönliche Beratung und eine herzliche Bedienung, betont Gina Hofstetter vom Früh’ling: «Das kriegst du im Internet nicht. Wir schwatzen den Leuten nichts auf, sondern sagen ihnen unsere ehrliche Meinung. Viele schätzen das.» Ähnlich sieht das auch Mark Huser vom Schuhaus Imgrüth: «Durch die Beratung gewinnen wir sogar Kunden aus dem Internet zurück.» Es gebe heute auch viele junge Leute, die sehr einsam lebten. «Die geniessen es sehr, mal ein vernünftiges Gespräch zu führen. Unser Geschäft soll in der Stadt auch ein sozialer Treffpunkt sein. Wie früher, als sich die Frauen im Dorfladen getroffen haben oder die Männer in der Beiz.»

Gratis-Werbung auf Facebook

Um die junge Kundschaft zu erreichen, setzt Früh’ling vor allem auf Facebook: «Das ist mega wichtig für uns. Wir haben kaum Werbebudget. Durch Facebook erreichen wir gratis jene Leute, die von uns erreicht werden wollen. Es haben auch schon Leute aus Deutschland über Facebook bei uns bestellt, wenn ihnen etwas gefallen hat. Das verschicken wir dann selbstverständlich.» Auch ein Webshop sei schon lange in Planung, meint Gina Hofstetter, «bisher fehlte uns einfach die Zeit, das aufzugleisen.»

Das Schuhhaus Imgrüth hingegen ist noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Nicht einmal eine Homepage hat das Geschäft mit mehreren Filialen und rund 100 Mitarbeitern. Ein Online-Shop sei zwar ein Thema, meint Mark Huser: «In unserem Fall ist er aber noch relativ weit weg. Wir sind nicht unbedingt ein Freund davon.»

 «Viele Leute bestellen im Webshop und holen die Bücher dann im Laden ab.»

Jörg Duss, Buchhandlung Hirschmatt

Schwieriges Umfeld für Buchläden

Ein wichtiger Geschäftsteil ist der Online-Shop hingegen für die Hirschmatt Buchhandlung. Obwohl Amazon für die Buchläden eine enorme Konkurrenz darstellt, hat das Geschäft schon lange einen eigenen Online-Shop. Geschäftsführer Jörg Duss erklärt: «Viele Leute schauen sich das Angebot ausführlich online an, bestellen im Webshop und holen die Bücher dann im Laden ab.» Etwa fünf bis zehn Prozent des Umsatzes käme so zusammen. «Das ist nicht die Welt, aber für uns überlebensnotwendig.»

Kunden als Aktionäre

Besonders die treue Kundschaft sichert der Hirschmatt Buchhandlung das Überleben. Einerseits sind gut 80 Prozent Stammkunden. Andererseits hat das Geschäft ihre Kunden auch direkt finanziell eingebunden: «Den Umbau des Ladenlokals 2001 hätten wir selber nicht stemmen können. Also haben wir Freunde und langjährige Kunden angefragt, ob sie uns unterstützen würden.» 80 Leute haben damals 370’000 Franken für den Umbau beigesteuert, dafür wurden sie im selben Umfang Aktionäre der Buchhandlung. «Wir haben selber keine absolute Mehrheit mehr am Aktienkapital», sagt Jörg Duss. Allerdings kenne er alle Aktionäre persönlich: «Für uns ist das auch ein Instrument zur Kundenbindung. Man ist bei uns Aktionär, weil man uns freundschaftlich verbunden ist, nicht weil man profitieren will.»

Die Buchhandlung Hirschmatt überlebt mit speziellen Businesstrategien.

Die Buchhandlung Hirschmatt überlebt mit speziellen Businesstrategien.

(Bild: lru)

Diverse Überlebensstrategien

Sparsames Wirtschaften und gute Beratung durch kompetentes Verkaufspersonal – das ergibt unsere Umfrage – sind die Grundpfeiler für ein funktionierendes Geschäft in der Luzerner Innenstadt. Dazu nutzen Luzerner Geschäfte das Internet und Social Media, um auf sich aufmerksam zu machen, wie das etwa der Früh’ling macht. Sie betreiben Webshops und beteiligen Kunden am Geschäftsgang wie die Hirschmatt Buchhandlung.

«Einen Laden zu betreiben, das ist ja fast nur noch Leidenschaft.»

Mark Huser, Schuhhaus Imgrüth

Früh’ling und die Buchhandlung Hirschmatt haben dazu Geschäftslokale etwas abseits des Zentrums und sparen damit Mietkosten. Andere, wie das Schuhhaus Imgrüth oder das Möbelgeschäft Buchwalder-Linder besitzen das Haus, in dem ihr Geschäftslokal steht. Das allerdings, so stellt Mark Huser vom Schuhhaus Imgrüth klar, ist nur die zweitbeste Option zum Geldverdienen: «Wenn man mit so einem Altstadthaus das grosse Geld verdienen will, muss man es an Banken und Versicherungen vermieten. Einen Laden zu betreiben, das ist ja fast nur noch Leidenschaft.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Linus Ruegge
    Linus Ruegge, 12.09.2015, 12:08 Uhr

    Sind wir doch ehrlich. Mit unseren Mittelschichts-Portmonnaies hatten wir, gerade in der Altstadt, auch schon eine bessere Auswahl. Wenn die Verödung weiter geht, wird das viele LuzernerInnen im Gefühl bestärken, vom Tourismus ausser Abgasen nichts abzukriegen. Dem ist natürlich nicht so. Aber ich habe schon den Eindruck, dass die Allgemeinheit vermehrt die Kosten privater Gewinne tragen muss. Während Jahr für Jahr mehr Menschen unsere Stadt besuchen und hier Geld ausgeben, muss die Stadt ein Sparpaket am Anderen schnüren. Das zu thematisieren muss legitim sein.

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  • Profilfoto von Casiboy
    Casiboy, 11.09.2015, 17:53 Uhr

    Sind wir doch ehrlich. In Luzern können wir doch alles und viel mehr in den Läden finden als in einer vergleichbaren Stadt. Dass es ein Überangebot (wie bei den Coiffeuren) gibt ist ein spezielles Problem. Vor vielen Jahren stellte man Schuhe auf wenigen m2 aus. Dann kam der Trend und das Bedürfnis dem einzelnen Schuh mehr Platz zu geben. Und die Schuhgeschäfte wurden zur medialen Plage. Das gleiche passierte mit den Kleidern. Viele Boutiquen entstanden weil diese ihre Produkte prominenter ausstellen wollten. Manor reihte früher einen Artikel an den Anderen. Heute ist alles viel grosszügiger, dafür sind die Sortimente zusammengestrichen worden. Das gleiche passiert in der Uhrenindustrie. Jede Marke will sich auf grösserem Platz präsentieren. Die Platzhirsche Bucherer, Gübelin und Embassy haben dies früh erkannt. Nun werden Sie für das was Sie richtig gemacht haben angeprangert. Es hat wirklich genug Detailhandelsfläche in Luzern. Es wird natürlich an der besten Lage wie überall eng und teuer. Zuletzt ist ein erfolgreiches Geschäft ein guter Arbeitgeber und Steuerzahler. Hat die Presse nichts besseres zu tun als erfolgreiche Unternehmer ein schlechtes Image anzuschreiben?

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