EIn Gespräch mit Bart de Keninck über Bierkultur

Wenn der neue Eichhof-Chef Betrunkene chauffiert

Erhält den Autoschlüssel: Bart de Keninck (rechts), neuer Chef von Heineken Schweiz, im Einsatz für Nez Rouge.

(Bild: Mischa Christen)

Heineken Schweiz mit Hauptsitz in Luzern hat seit August einen neuen Chef: den Belgier Bart de Keninck. zentralplus hat den 38-Jährigen bei seinem Einsatz für Nez Rouge begleitet – und mit ihm über die Schweizer Bierkultur, die Konkurrenz kleiner Brauereien und sein Lieblingsbier gesprochen.

Er fällt nicht auf. In seinem blauen Hemd, dem Rollkragenpullover und der roten «Nez Rouge»-Jacke darüber sieht Bart de Keninck aus wie die anderen knapp 30 Freiwilligen, die sich am Freitagabend um 22 Uhr in Kriens einfinden. Wie alle anderen wartet er auf Angetrunkene, die einen Chauffeur brauchen.

Doch Bart de Keninck ist seit August 2018 Chef von Heineken Schweiz mit Hauptsitz in Luzern. Und wie es seit einigen Jahren üblich ist, fährt der CEO jeweils einen Abend im Rahmen der Aktion Nez Rouge Fahruntüchtige nach Hause.

Bevor es so weit ist, wird den neuen Fahrern, darunter Keninck, das System von Nez Rouge erklärt (siehe Box). Viel Zeit für Fragen gibt es nicht. Kurz vor 23 Uhr steht die erste Fahrt nach Stans auf dem Programm.

Eine Whisky-Degustation – lieber Bier!

Gemeinsam mit Marcel Holzer, der seit sechs Jahren für Nez Rouge unterwegs ist, setzt sich Bart de Keninck in den Wagen. Es regnet in Strömen, der Wind pfeift ums Auto. Nach einer Fahrt mit kleinen Umwegen – ein Missverständnis mit dem Anrufer – stossen die beiden auf André Marti.

Ueli Müller von Nez Rouge sagt den Neuen (darunter Eichhof-Chef Bart de Keninck, zweiter von rechts), wie ihr Einsatz ablaufen wird.

Ueli Müller von Nez Rouge sagt den Neuen (darunter Eichhof-Chef Bart de Keninck, zweiter von rechts), wie ihr Einsatz ablaufen wird.

(Bild: Mischa Christen)

Der Luzerner hat eine Whisky-Degustation besucht und weiss nun, dass er das Getränk nicht mag. «Lieber ein Bier», witzelt er und überlässt Bart de Keninck seinen Autoschlüssel. Er sagt es nicht, um sich einzuschmeicheln. Denn erst auf der Autobahn erkundigt er sich, was sein Fahrer beruflich macht – und staunt nicht schlecht, als er erfährt, dass er vom CEO von Heineken Schweiz nach Hause chauffiert wird.

Wo sich die Bierkulturen unterscheiden

Lieber Bier, das hört Bart de Keninck gerne. Als gebürtiger Belgier ist er in einem Land mit einer ausgeprägten Bierkultur aufgewachsen. «Belgien verbindet man mit Pommes frites, Schokolade und Bier», sagt der 38-Jährige. «Die Schweiz hingegen mit Schokolade, Berge, Käse und Banken – aber nicht unbedingt mit Bier.» Den grössten Unterschied zwischen den beiden Ländern ortet er in der Art der Biere, die gefragt sind. «In Belgien trinken die Menschen mehr schwere und komplexe Biere, in der Schweiz eher Lager.» 

«Es geht nicht nur um die Menge, sondern auch um die Begeisterung für Bier.»

Sind die Konsumenten hierzulande also langweiliger? Das will de Keninck nicht behaupten. Auch hierzulande werde immer mehr experimentiert. Ohnehin sei der Biermarkt in Bewegung. «Die Menschen trinken weniger, aber besseres Bier.» Diesen bewussteren Umgang der Konsumenten nimmt der Eichhof-CEO nicht nur beim Gerstensaft wahr. «Wie wir Alkohol trinken, Fleisch und Zucker zu uns nehmen oder Plastik und Energie verbrauchen: All das hat sich in den letzten Jahren geändert, zum Besseren, wie ich finde.»

Dass der einzelne Schweizer weniger Bier trinkt, bereitet dem Eichhof-Chef aber keine Sorgen. «Es geht nicht nur um die Menge, sondern auch um die Begeisterung für Bier.» Deshalb findet er es auch eine gute Sache, dass vielerorts Kleinbrauereien aus dem Boden schiessen. «Es zeigt, dass die Menschen immer noch sehr am Produkt Bier interessiert sind, sogar noch stärker als früher.» Auch er probiere nebst den eigenen Produkten gerne aus, was die Konkurrenz produziert. «Zudem hat der Boom der Kleinbrauereien einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung und das Image der Bierkultur.»

Selfies sind gefragt

Inzwischen sind wir in Buchrain angekommen, der Wagen von André Marti ist in der Tiefgarage parkiert. Es ist inzwischen kurz nach Mitternacht und bereits folgt der zweite Einsatz. Es geht weiter ins Restaurant Reussfähre in die Stadt Luzern. Diesmal wartet eine gesellige Runde von Freunden, die teilweise schon ordentlich angeheitert sind. Zu dritt steigen sie mit Bart de Keninck ins Auto. Der Belgier chauffiert das lustige Trio nach Hause und muss für einige Selfies bereitstehen. Es wird nicht das letzte Mal sein an diesem Abend.

Die Fahrt wird zur kleinen Odyssee, zuerst durch die Sentimatt mit den vielen Einbahnstrassen und danach durchs Luzerner Stadtzentrum – dass er via Schlossberg wohl schneller in Ebikon wäre, weiss der Eichhof-Chef offensichtlich noch nicht.

Ist froh um den Chauffeur: André Marti (Mitte) wird von Bart de Keninck (links) und Marcel Holzer in Stans abgeholt.

Ist froh um den Chauffeur: André Marti (Mitte) wird von Bart de Keninck (links) und Marcel Holzer in Stans abgeholt.

(Bild: Mischa Christen)

Er wohnt mit seiner Familie seit vier Monaten im zürcherischen Langnau am Albis. Dass er sich nicht in Luzern niederliess, habe damit zu tun, dass es kaum internationale Schulen gebe. Von der Zentralschweiz hat er trotzdem schon einiges gesehen, auch weil er neu im Land ist. «Da hat man noch nicht viele Verabredungen und entsprechend viel Zeit für Sightseeing.» Im November besuchte er das Spiel der Schweizer Nationalmannschaft gegen Belgien in der Swissporarena. «Die ersten 20 Minuten waren schön», sagt er und lacht. Die Schweiz kehrte den frühen Rückstand und siegte überraschend mit 5:2.

Es ist inzwischen halb ein Uhr in der Nacht, die Beizen schliessen, entsprechend heiss läuft die Nez-Rouge-Hotline. Nachdem die drei Männer ihr Zuhause in Ebikon erreicht haben, geht die Tour gleich weiter. Diesmal führt der Weg über Nebenstrassen tief in die Dunkelheit, an den Rand des Kantons nach Pfeffikon. Ein Paar lässt sich nach dem Geschäftsweihnachtsessen nach Hause chauffieren – und lässt nicht locker, bis der Eichhof-Chef einen Abstecher in die hauseigene Bar im Bauernhaus in Nebikon macht. Ein Erinnerungsfoto, ein Kaffee und ein selbstgebackenes Guetzli später geht es zurück nach Kriens. 

Er will länger bleiben

Dass der grösste Bierproduzent der Region Betrunkene heimfährt, die womöglich just wegen «seines» Bieres nicht mehr fahren können, ist für Bart de Keninck kein Widerspruch. «Wir möchten dazu beitragen, dass die Menschen unser Bier verantwortungsvoll trinken.» Um dafür einzustehen, sei das Engagement bei Nez Rouge ein guter Weg.

Nach einem lustigen Abend in der «Reussfähre» in Luzern fährt Bart de Keninck die drei Männer nach Hause, wo Marcel Holzer ihn dann wieder abholt.

Nach einem lustigen Abend in der «Reussfähre» in Luzern fährt Bart de Keninck die drei Männer nach Hause, wo Marcel Holzer ihn dann wieder abholt.

(Bild: Mischa Christen)

Bart de Keninck arbeitet seit 13 Jahren bei Heineken, zuletzte leitete er das Tochterunternehmen Alken-Maes. Hat ihn eine besondere Liebe zum Bier in die Branche geführt? Ja, sagt der dreifache Vater ganz offen. Er schätze es, dass man Bier riechen und schmecken könne, dass es ein Naturprodukt ist. Persönlich mag er das Eichhof Trüeb am liebsten. Aber nicht nur das Bier an sich macht es aus: «Wenn ich Freunde oder Familie treffe, wollen alle immer wissen, was es Neues gibt. In welchem anderen Beruf gibt es das?», sagt er und lacht.

«Wenn man etwas erreichen und erfolgreich in den Markt investieren will, braucht es mehrere Jahre.»

Sein Vorgänger, der Holländer Erik Jan Hamel, blieb nur zwei Jahre auf dem Chefsessel bei Heineken Schweiz. Und auch die beiden Verantwortlichen zuvor leiteten das Unternehmen mit den rund 700 Mitarbeitern jeweils nur für eine kurze Zeit. «Das ist wohl Zufall», sagt der Belgier. Für ihn ist jedenfalls klar, dass er länger in Luzern bleiben möchte. «Wenn man etwas erreichen und erfolgreich in den Markt investieren will, braucht es mehrere Jahre.» Auch angesichts der Mehrsprachigkeit in der Schweiz «lohne» sich ein kurzer Aufenthalt kaum. Französisch beherrscht de Keninck bereits, Italienisch versteht er, und auch auf Deutsch kann er sich gut unterhalten.

Am Ende der langen Nacht – kurz vor vier Uhr morgens endet der Einsatz – zieht Bart de Keninck ein zufriedenes Fazit. «Ich war überrascht, wie offen und unterhaltsam die Gäste waren. Ja, das war eine sehr gute Erfahrung, zu sehen, was für eine gute Sache wir unterstützen.»

Nez Rouge Luzern absolviert über 1’000 Fahrten

Seit 1995 fahren Freiwillige im Kanton Luzern, Uri, Ob- und Nidwalden während den Festtagen Menschen in ihrem Auto nach Hause, die sich nicht mehr fahrtüchtig fühlen. Was mit 43 Fahrten im ersten Jahr begann, erfreut sich inzwischen einiger Beliebtheit. 2017 legte die Sektion Luzern 1’156 Fahrten zurück. Ermöglicht wird dies durch zahlreiche freiwillige Helfer, die im Dezember an den Wochenenden und über die Festtage im Einsatz stehen.

Heineken Schweiz unterstützt die Aktion seit mehreren Jahren, unter anderem in Form von Getränkespenden oder indem Eichhof das Schalander-Lokal für Infoveranstaltungen zur Verfügung stellt.

Das Angebot von Nez Rouge hat sich inzwischen etabliert, auch wenn immer wieder der Vorwurf zu hören ist, dies würde den Alkoholkonsum fördern. «Das ist für uns nicht relevant», sagt Ueli Müller von Nez Rouge Luzern. «Wir sind da, wenn uns jemand braucht.» Es gehe darum, Unfälle zu verhindern und Prävention zu betreiben.

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