Wer Putin stützt und in Zug geschäftet

WEF-Gästeliste zeigt die Verflechtung von Zug mit Russland

Der Zuger Wirtschaftsplatz ist eng mit Russland verflochten. Ein Blick auf die Gästeliste des WEF in Davos zeigt das. (Bild: Bild World Economic Forum / Mattias Nutt)

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos findet heuer ohne russische Beteiligung statt. In früheren Jahren sind jeweils über 60 Wirtschaftsführer aus Russland angereist – die Hälfte davon mit Verbindungen zu Zug.

Wie gross ist der Effekt der wegen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen auf die Zuger Wirtschaft? Dies versuchte der Zuger Regierungsrat vor Kurzem an einer Medienkonferenz abzuschätzen, als er auch über die Unterbringung und Hilfe für Flüchtlinge orientierte (zentralplus berichtete).

Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Gut Thalmann (Mitte) ging von rund 40 betroffenen Unternehmen aus und schloss dies aus der Zahl der Kontakte, welche die Kontaktstelle Wirtschaft mit russischen Unternehmen hatte. Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) sprach von rund 20 Firmen und bezifferte ihren Steuerertrag für Kanton und Gemeinden inklusive Anteil der Bundessteuern auf 31 Millionen pro Jahr. Ihre Botschaft: Es sind zwar einige bekannte russische Firmen in Zug ansässig, aber ihr Anteil an der gesamten Wirtschaft ist vernachlässigbar.

Gemischte Gesellschaften bezahlten keine Steuern

Eine weitere Betrachtungsweise eröffnet ein anderes Bild: Analysiert man die Gästeliste des Weltwirtschaftsforums (WEF) vom Januar 2017 in Davos, fällt auf, dass rund die Hälfte der russischen Gäste wirtschaftliche Verflechtungen zu Zug haben. Ihre Konzerne sind in Zug mit einer oder mehreren wichtigen Tochterfirmen vertreten oder treiben von Zug aus Handel.

Wenn sie ihre Rohstoffe hier zu Devisen machen, ohne dass Erdöl, Gas, Diamanten, Nickel, Stahl, Aluminium sowie Stickstoff- und Phosphatdünger Schweizer Boden berühren, werden sie hierzulande sehr milde besteuert. Ja, sie gingen bis vor wenigen Jahren in Zug sogar steuerfrei aus, dem Konstrukt «gemischter Gesellschaft» sei Dank.

Russen reisten gern ans WEF

Vor fünf Jahren nahmen rund 2'500 Gäste am WEF teil. Wie eine Auswertung der Gästeliste zeigt, waren darunter 69 Vertreter russischer Firmen. 31 von ihnen sind mit Zug verbunden. Das zeigt, dass sich nicht gerade die unwichtigsten russischen Konzerne auf dem Wirtschaftsstandort Zug tummeln. Selbsteinladungen ans WEF gibt es nicht; die Teilnehmenden werden vom WEF eingeladen.

Bekannte russische Unternehmen in Zug sind etwa Gazprom Marketing und Gazprom Schweiz oder die Nord Stream AG, die wiederum zur Hälfte Gazprom gehört. Am WEF vertreten wurde der Konzern durch den CEO von Gazprom Neft, der auch Präsident des Fussballverbands der Russischen Föderation ist.

Novatek ist das grösste russische Privatunternehmen, das Gas und Öl fördert. Bedeutende Aktienpakete gehören Gazprom und dem geächteten Oligarchen Gennadi Timtschenko, einem langjährigen Weggefährten Putins. Novatek hat zwei Firmen in Zug und schickte auch zwei Vertreter nach Davos.

Zug ist Metallhandelsplatz – aber nicht nur

Russlands grösstes Petrochemie-Unternehmen Sibur ist in der Verarbeitung von Erdgas tätig. Das Unternehmen hatte zwei Gesellschaften im Kanton Zug, die mittlerweile liquidiert wurden. Für Sibur besuchten zwei mittlerweile sanktionierte Geschäftleute das Wirtschaftsforum in Davos – einer davon war Putins Ex-Schwiegersohn Kirill Schamalow.

Eigentlich gilt Genf als Schweizer Haupthandelsplatz für Öl, Zug ist bei Metallen führend. In Zug wird aber auch viel russisches Gas gehandelt und an verschiedene Lagerstätten wird neben Erdgas auch Erdöl geliefert. Es ist darum wenig verwunderlich, dass es in Zug Firmen gibt, die sich auch dem Handel von russischem Öl verschrieben haben. Das Wort Neft im Namen, russisch für Öl, zeigt das. Beispiele dafür sind Zuger Firmen wie Slavneft, Bashneft, Nefte Petroleum oder Zarubeshneft.

Das Mineralölunternehmen Tatneft ist eines der grösseren darunter und handelt mittlerweile auch mit andern Rohstoffen als mit Öl und Gas. Es ist mit drei Gesellschaften in Zug vertreten und entsandte früher ebenfalls Leute ans WEF.

Grosskonzerne: Nornickel, Rusal, Metalloinvest

Zum Metallhandel: Bekannt ist die Firma Metal Trade Overseas im Metalli-Center, welche zur Norilsk Nickel Gruppe gehört und die Rohstoffe des Bergbaukonzerns von Zug aus verkauft (zentralplus berichtete). Norilsk Nickel war früher ebenfalls am WEF vertreten. Zu den Teilhabern der Firma gehören mehrere mit Sanktionen belegte Oligarchen – Hauptaktionär ist Multimilliardär Wladimir Potanin.

Rusal ist der zweitgrösste Aluminiumproduzent der Welt. Im Metalli-Center sitzen drei Gesellschaften der Gruppe. Ans WEF reisten zwei Vertreter, darunter auch Oleg Deripaska, damals Rusal-Boss und über die Beteiligungsfirma En+ auch heute noch der grösste Anteilseinger. Deripaska steht auf allen möglichen Sanktionslisten.

Marc Richs ehemaliger «Glaspalast» gehört heute der Zuger KB. Hier hat der sanktionierte Oligarch Andrei Melniitschenko seine Firmen Eurochem und Suek untergebracht. Kleines Bild: Melnitschenkos 400-Millionen-Yacht «SY A», die in Triest beschlagnahmt wurde. (Bild: Bilder Markus Mathis / wikimedia (KarleHorn & Waldi))

Auf Erz und Stahl spezialisiert ist das Bergbauunternehmen Metalloinvest. Es baut von allen Firmen in Russland am meisten Eisenerz ab und hat weltweit die zweitgrössten Erzreserven. Zwei grosse Teilhaber halten über zwei Drittel der Aktien. Es sind Alischer Usmanow und Andrei Skotsch, beides Putin-nahe Multimilliardäre und beide auf der Sanktionsliste der EU. Metalloinvest unterhält zwei Gesellschaften in Cham. Ein Vertreter des Verwaltungsrats und ein Berater vertraten das Unternehmen in Davos. Der Berater wurde zwei Jahre davor von Putin persönlich ausgezeichnet.

Von Russland kontrollierte Banken

Von den Rohstoffen zu den Finanzen: Die grösste russische Finanzgruppe, die Sberbank, richtete vor zwei Jahren in Zug eine Tochtergesellschaft zur Finanzierung des Rohstoffhandels ein: Die Sberbank Trading Swiss AG, die sich alsbald in den Medien über den ausserordentlich guten Geschäftsgang freute. Die Russische Föderation ist Mehrheitsaktionärin der Sberbank und entsandte in vergangenen Jahren jeweils mehrere Manager ans WEF.

Die Sberbank ist immer noch dem internationalen Zahlungssystem Swift angeschlossen – im Unterschied zur zweitgrössten russischen Bank VTB, die mehrheitlich in Staatsbesitz ist und von Swift abgekoppelt wurde.

VTB unterhält zwei Töchter in Baar, die sich Investments und der Vermögensverwaltung widmen. Kurz nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs war diese beiden Firmen plötzlich nicht mehr auffindbar (zentralplus berichtete). In Zug befindet sich zudem ein VTB-Ableger, der sich mit Rohstoffhandel beschäftigt. Dieser ist zwar nur eine Zweigniederlassung einer in Dublin registrierten Firma, aber immerhin so gross, dass er an der Dammstrasse eigene Geschäftsräume gemietet hat. Das Firmenschild wurde auch hier mittlerweile abgeklebt.

Auch die VTB entsandte mehrere Vertreter ans WEF – unter anderem den mittlerweile mit Sanktionen belegten Bankchef Alexei Kostin, der auch zum Obersten Rat von Putins Partei «Einiges Russland» gehört.

Yachten-Liebhaber setzt auf Hauptsitz Zug

Damit wäre die historische Gästeliste des WEF fast ausgewertet. Es fehlt noch ein Vertreter der mittlerweile aufgelösten Renova Group des in Zug ansässigen Oligarchen Wladimir Vekselberg. Dieser steht seit 2018 auf der Sanktionsliste der USA, weswegen er sein geschäftliches Portefeuille und seine Vermögensverhältnisse neu geordnet hat. Vergangene Woche verkündete die USA, die Sanktionen gegen Vekselberg zu verschärfen (zentralplus berichtete).

Nicht abgeschlossen ist indes die (unvollständige) Aufzählung russischer Unternehmen in Zug. Von grosser Bedeutung ist die Magnitogorsk-Gruppe von Vladimir Igorevich Strzhalkovsky, einem sanktionierten Oligarchen, der von der Sonntagspresse als in Lugano wohnhaft dargestellt worden ist. Sie ist mit der Handelsfirma MMK Trading in Zug vertreten.

Im Bereich Dünger- und Chemiehandel gibt es weitere erwähnenswerte wie die NF Trading oder die Crono Im-Ex. Vor allem aber gehört auf unsere Liste die Eurochem-Gruppe des Oligarchen Andrei Melnitschenko. Der war in den vergangenen Wochen oft in den Schlagzeilen, da er in St. Moritz wohnt und eine Vorliebe für sehr grosse, sehr teure und sehr futuristische Yachten hat, die in Italien beschlagnahmt wurden.

Melnitschenko ist nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs auf der Sanktionsliste der EU gelandet. Am 9. März gab die in Zug ansässige Holdinggesellschaft von Eurochem bekannt, dass er als Verwaltungsrat zurücktrete und die Aktienmehrheit verkaufe. Er ist aber im Handelsregister immer noch als Verwaltungsratspräsident der Eurochem Group AG in Zug eingetragen. Diese residiert, genau wie die Handelsfirma Eurochem Trading, im früheren Marc Rich & Co.-Gebäude (heute Zuger KB) neben dem Bahnhof.

Hinweis: Für kyrillisch geschriebene Personennamen gibt es verschiedene Transliterationen. Der Artikel verwendet zur leichteren Verständlichkeit die deutschen Schreibweisen, sofern sie gebräuchlich sind. Einige Namen sind in englischer Schreibweise aufgeführt, die übrigens auch das Zuger Handelsregister meist verwendet.

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