Vom Times Square zum Justizfall: Baarer Firma rauscht ab
Millionen an Fördergeldern wurden einem Baarer Unternehmen für das 3D-Drucken von Batterien zugesichert. Dann bröckelt die Fassade – die Bundesanwaltschaft ermittelt.
Am 13. August beerdigt ein Richter am Kantonsgericht Zug die Geschichte eines Baarer Unternehmens, das seit Jahren für Schlagzeilen sorgt. Der Batteriehersteller Blackstone Resources versprach eine Revolution – und sammelte dafür öffentliche und Investorengelder ein. Dann brach alles zusammen, eine deutsche Tochterfirma ging Konkurs, Mitte August folgte die Muttergesellschaft.
Wie konnte es so weit kommen? Und warum sieht der Präsident des Verwaltungsrates Ulrich Ernst das Scheitern nicht ein? Kurz nach dem Konkurs erhält zentralplus über Umwege ein Aktionärsschreiben, in dem der Schweizer Investor von einer «Kampagne» gegen seine Firma spricht. Und sagt: Das Spiel sei noch nicht vorbei.
Als Rohstofffirma 1995 gegründet, findet die Blackstone Resources AG vor fünf Jahren ihre Berufung: die Entwicklung der nächsten Generation Batterien. Mit 3D-Drucktechniken solle die Herstellung günstiger werden – Patente seien vorhanden, Rohstoffe ebenso, wirbt die Firma, die selbst auf dem Times Square in New York ihre Anzeige schaltet.
Baarer Firma will in Deutschland Batterien drucken
2020 expandiert die Firma nach Deutschland und übernimmt einen Produktionsstandort im sächsischen Ort Döbeln. Eine Tochterfirma wird gegründet, viele Arbeitsplätze sollen entstehen, Batterien am Fliessband gedruckt werden. Sowohl der Deutsche als auch der Schweizer Staat sind Feuer und Flamme. Politiker kommen zum Hände schütteln.
Gemäss Recherchen der deutschen «Wirtschaftswoche» sichert sich Blackstone in dieser Zeit 24 Millionen Euro Fördergelder des deutschen Wirtschaftsministeriums, 670’000 Franken von der Schweizer Innovationsagentur Innosuisse sowie über 7 Millionen Euro vom Bundesland Sachsen und der EU-Kommission.
Das Problem: Die gleichen Recherchen aus dem Jahr 2023 behaupten, dass die Produktion von Batterien aus dem 3D-Drucker technisch nicht so ausgereift gewesen sei wie von der Firma versprochen. Das Unternehmen streitet die Vorwürfe ab und betont bis heute, eine «Kleinserienproduktion» auf die Beine gestellt zu haben.
Strafrechtliche Untersuchungen in Deutschland
Im September 2023 wird über die Blackstone Technology – das ist die deutsche Tochterfirma – ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Presse in Sachsen berichtet, dass 84 Gläubiger Forderungen in Höhe von 16 Millionen Euro erheben würden – über die Hälfte davon die Muttergesellschaft selbst. Auch Angestellte sollen ausstehende Löhne eingefordert haben.
Die Justiz wird aktiv. Wie die Staatsanwaltschaft Chemnitz auf Anfrage bestätigt, leite sie Ermittlungen gegen den letzten Geschäftsführer der Blackstone Technology GmbH ein wegen Subventionsbetrug und Vorenthaltens sowie Veruntreuens von Arbeitsentgelt.
Die verantwortliche Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart schreibt zentralplus Ende August: «Zum Stand des Verfahrens kann ich derzeit keine Angaben machen.» Es gilt die Unschuldsvermutung.
Firma wird von der Schweizer Börse geschmissen
Während in Döbeln die Schilder der Blackstone Technology von den Fabrikhallen abmontiert werden, kämpft in der Schweiz der Geschäftsführer und Präsident des Verwaltungsrates Ulrich Ernst ums Überleben der Muttergesellschaft Blackstone Resources AG. Denn bei der Baarer Briefkastenfirma läuft es schon länger nicht rund.
Seit 2018 werden ihre Papiere an der Schweizer Börse SIX gehandelt. 2018 startet der Kurs bei 13,50 Franken, rauscht in den folgenden zwei Jahren ab auf 70 Rappen. Dann häufen sich die Erfolgsmeldungen: Der Batterieexperte Holger Jörg Gritzka wird als Chef der deutschen Tochterfirma angeworben, das Werk in Döbeln eingerichtet, Politiker eingeladen, Preise eingeheimst. Der Aktienkurs erholt sich.
Bis die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) interveniert. In einer Mitteilung rügt die Behörde im April 2022 Marktmanipulationen und Verstösse gegen Offenlegungspflichten. Die Börsenaufsicht SER spricht drei Monate später von Verstössen im Bereich der Rechnungslegung und verbannt die Baarer Firma von der Börse.
Rückzahlung von 4,6 Millionen Franken an Gläubiger
Ulrich Ernst, Chef der Baarer Firma, kommuniziert eine andere Realität. In einer Medienmitteilung erklärt er, Blackstone Resources habe sich selbst von der Schweizer Börse zurückgezogen, um in Deutschland, England oder den USA an die Börse zu gehen. Erfolgt ist das nie.
Stattdessen fordern Finanzinvestoren nach dem Rausschmiss an der Börse Geld zurück. Die «Finanz und Wirtschaft» berichtet vor wenigen Wochen, das Handelsgericht Zürich habe Blackstone zu einer Rückzahlung von 4,6 Millionen Franken an Gläubiger verdonnert. Diese Zahlung könnte den Konkurs vorangetrieben haben.
Denn um die Muttergesellschaft stand es schon lange finanziell schlecht. Ende 2022 seien diverse Betreibungen vorgelegen, oft im fünfstelligen Bereich, berichtet die «Luzerner Zeitung». Darunter von einem Kadermitarbeiter, einer kantonalen Behörde und der eidgenössischen Steuerverwaltung.
Bis heute streitet der Geschäftsführer alles ab
In dem eingangs erwähnten Aktionärsschreiben, das zentralplus vorliegt, gibt sich Ulrich Ernst über alle Vorwürfe erhaben. Der Finanzblog «Inside Paradeplatz» bezeichnete den Schweizer Geschäftsmann 2018 als «Serien-Pleitier» wegen einer Reihe von Konkursen mit Unternehmen. Auch «K-Tipp» warnte vor dem in London wohnhaften Investor, der bereits 2007 von der Finma gerügt worden sein soll.
Nun schreibt der umstrittene Investor seinen Blackstone-Aktionären: Der Konkurs sei zwar «besorgniserregend», allerdings nicht das «Ende unseres Weges». Es habe eine «gezielte, behördliche Kampagne in der Schweiz» gegen seine Firma gegeben. Die Presse habe «Unwahrheiten und Spekulationen» verbreitet.
Weiter streitet der Geschäftsmann eine strafrechtliche Untersuchung in Deutschland ab und verteidigt die Produktionskapazitäten in Döbeln. Fördergelder seien kaum geflossen. Und der Rausschmiss an der Schweizer Börse sei eine Folge von kleineren Verfehlungen.
CEO will Blackstone Resources trotz allem weiterführen
Tatsächlich hat Blackstone Fördergelder nur zum Teil eingestrichen. Auch gemäss Recherchen der deutschen «Wirtschaftswoche» erhielt der Konzern «nur» 840’000 Euro vom Bundesland Sachsen, grob eine halbe Million Franken von Innosuisse und 2 Millionen Euro aus der EU.
Das Ziel des Schreibens von Ulrich Ernst ist klar: Investoren und Anleger, die noch nicht abgesprungen sind, sollen ihm gewogen bleiben. Mittels «Auffanggesellschaft» will er die Firma am Leben halten, wie er schreibt. Ob sich das lohnt? Das weiss Axel Fuerst.
Was die Technologie trotzdem kann
Der Professor hat mit seiner Forschungsgruppe an der Berner Fachhochschule BFH und mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) die Blackstone-Batteriezelle von 2021 bis Anfang 2023 in Teilen mitentwickelt.
Das Ergebnis: Lithium-Ionen-Batterien würden sich durch das Siebdruckverfahren tatsächlich günstiger herstellen lassen, sagt er zu zentralplus: «Der wirtschaftliche Hintergrund der Firma und deren wirtschaftliche Entwicklung sind mir unbekannt. Aber die Technik funktioniert.»
Vor wenigen Wochen, kurz vor dem Konkurs der Firma, hat der Blackstone-Geschäftsführer Ernst Axel Fuerst erneut für eine Prüfung der «gedruckten» Batterien beauftragt. In einem Prüfungsbericht vom 7. August bescheinigt der Experte deren Funktionstüchtigkeit.
Warum brauchte der CEO einen neuen Prüfbericht?
Der Zweck dieses Auftrags ergibt sich aus dem neuesten Aktionärsschreiben. Darin schreibt Ulrich Ernst: «[Mit dem Prüfbericht] wurde der unbegründete Vorwurf, unsere Anlage in Döbeln/Deutschland hätte nie funktioniert, eindeutig widerlegt.» So begründet er auch, warum die Firma weitergeführt werden sollte.
Axel Fuerst geht diese Aussage zu weit. Technisch seien die Batterien zwar einwandfrei gewesen. Wie die Zellen hergestellt und ob sie in Serie hergestellt worden seien, könne der Forscher aber nicht sagen. «Die ehemaligen Produktionsstätten kenne ich auch nur von Fotos und Videos.»
Blackstone Resources erhebt Drohungen gegen zentralplus
zentralplus hat der Blackstone Resources AG einen ausführlichen und detaillierten Fragenkatalog zu den Vorwürfen zukommen lassen. Eine Antwort folgte schriftlich.
«Wir nehmen grundsätzlich zu Behauptungen und unwahren Angaben von Journalisten keine Stellung. Wir kommunizieren nur mit den Aktionären direkt.» Weiter droht die Firma «rechtlich und gerichtlich» gegen zentralplus vorzugehen, sollte die Redaktion «ungeprüfte und unwahre Angaben und Behauptungen weiterverbreiten». Auch auf eine Reaktion zur Strafuntersuchung in der Schweiz verzichtet Blackstone Resources somit.
Wie die Bundesanwaltschaft zentralplus nämlich bestätigt, hat sie im Zusammenhang mit der Blackstone Resources AG gegen zwei natürliche Personen ein Strafverfahren eingeleitet. Wegen Verdachts auf Kursmanipulation, Urkundenfälschung, Betrug, arglistiger Vermögensschädigung und unwahrer Angaben über kaufmännische Gewerbe. Ob Ulrich Ernst einer von ihnen ist, bleibt unklar. Es gilt die Unschuldsvermutung.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.