Ein innovationsfreudiger Schneider-Ammann in Zug

«Und diese Bitcoins sind eine Konkurrenz zum Fränkli!»

Als Dank an den Bundesrat gibt's den Kanton Zug zum Futtern.

(Bild: wia)

Bundesrat Johann Schneider-Ammann ist nicht bekannt dafür, ein Ja-Sager zu sein. Im Gegenteil. Geht es aber ums Thema Blockchain, beginnen die Augen des Bundesrats sonderbar zu glänzen. Bei seinem Besuch in Zug rät er der Bevölkerung und der Politik mutig zu sein.

«A new valley», steht da gross hinter dem Zuger Regierungsrat Matthias Michel, der den Anlass zu Crypto-Währungen eröffnet. Aber ist es das auch? Darf Zug in einem Atemzug mit dem kalifornischen «Silicon Valley» genannt werden? Die Gäste des Zuger Anlasses zum Thema Crypto-Währungen und Blockchain finden «ja». Denn die Euphorie im Raum ist durchwegs spürbar.

Gründer und CEOs verschiedener Schweizer Blockchain-Firmen sind anwesend, Leute aus Wirtschaft, von Kanton und Stadt Zug, und last but not least ist der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann aus Genf angereist. Sie alle finden, ja, wir wollen Blockchain grösser machen, wollen aufspringen auf den Technologiezug und uns bloss nicht überholen lassen von Singapur, Luxemburg oder Paris.

Für einmal sagt Schneider-Ammann Ja

Bundesrat Johann Schneider-Ammann betont: «Früher haben wir Wirtschaftsmenschen versucht, das WIR-Geld auf politischem Weg zu bekämpfen. Wir wollten die Schattenwährung nicht, denn wir sorgten uns um die Stärke des Schweizer Frankens.» Das habe sich geändert. Heute rede man über Bitcoins. «Und diese Bitcoins sind eine Konkurrenz zum Fränkli!», ist sich der Bundesrat sicher.

Doch im Gegensatz zu WIR stehe der Bundesrat hinter den neuen Technologien. «Wir wollen nicht, dass Start-Ups, die eine Idee haben, nach Kalifornien gehen müssen, um das nötige Geld zu bekommen.» Nein, das solle hier in der Schweiz passieren. Mitunter in Zug.

«Es ist ab und zu unangenehm, gegen den Wind zu segeln. Das macht ihr hier aber fantastisch.»

Bundesrat Johann Schneider-Ammann an die Zuger Regierung

Man staunt, kennt man Schneider-Ammann doch eher als konservativen Politiker. Und das weiss er auch selber: «Ich habe viel Nein gesagt in Bundesbern. Nicht aber in diesem Fall. Ich will nicht, dass uns die Bürokratie blockiert. Ich will uns in einer unternehmerischen Vision und im Engagement Risiken eingehen sehen, damit Chancen entstehen.» Und dann balsamiert er die Seelen der kantonalen und städtischen Zuger Regierung, indem er sagt: «Es ist ab und zu unangenehm, gegen den Wind zu segeln. Das macht ihr hier aber fantastisch. Macht bitte so weiter.»

Eine Front von Euphorikern

Auch wenn sich der Bundesrat bewusst ist, dass es Mut braucht, um sich auf solch neue Technologien einzulassen. «Doch müssen wir dafür an unserer kulturellen Werthaltung arbeiten. Es soll niemand geächtet werden, bloss, weil er ein Risiko eingegangen ist und scheiterte. Diese Toleranz soll bereits in der Bildung gelehrt werden.»

«Mit den unzähligen Möglichkeiten eines automatischen Finanzkonstrukts muss man erst einmal klarkommen.»

Sebastian Bürgel, technischer Direktor der Validity Labs AG

Und dann treten sie vor, die  mutigen Visionäre, die Engagierten. Und erklären, was man mit Blockchain alles Tolles anstellen kann. So etwa Sebastian Bürgel, der technische Direktor der Validity Labs AG, der beteuert, dass man nicht unbedingt ein Bankkonto brauche, um finanzielle Transaktionen zu tätigen. Spricht von «einem Finanzsystem, das uns allen zur Verfügung steht. Das hat einen bewegenden Charakter.»  Auch wenn sich Bürgel der Bedenken des Normalbürgers bewusst ist: «Mit den unzähligen Möglichkeiten eines automatischen Finanzkonstrukts muss man erst einmal klarkommen.»

«Differenzjassen ist wesentlich einfacher.»

Johann Schneider-Ammann, Wirtschaftsdirektor

Der ETH-Abgänger erklärt in einem vereinfachten Beispiel, wie Blockchains funktionieren. Alle lauschen gebannt und Schneider-Ammann sagt schmunzelnd: «Differenzjassen ist wesentlich einfacher.»

Wenn die Versicherungsmaschinerie entfällt

Die Schweiz, und insbesondere Zug und Zürich, sind also weltweite Hotspots in Sachen Blockchain. Firmen werden gegründet, Startups kommen hierher, denn – wie von allen Seiten betont wird – sei der Standort ideal. Dies nicht zuletzt, da der Staat, also Kanton und Stadt, aktiv mitziehen in Sachen Crypto-Währungen. «Nirgends wurden wir so freundlich aufgenommen wie hier», erklärt auch Stephan Karpischek, der mit seiner Firma Etherisc vor kurzem nach Zug kam.

Die Firma hat aufregende Ideen. So etwa bietet das Startup unter anderem eine Versicherung für Flugverspätungen an. Und das ohne komplexe Maschinerie, ohne Versicherung. Der Reisende meldet sich an, wählt eine ihm passende Police im Voraus des Fluges. Im Falle einer Verspätung wird dem Reisenden der versicherte Betrag rückerstattet. «Das alles läuft vollautomatisiert mittels Blockchain. Der Grund für die Verspätung ist uns egal. Was wir einzig brauchen sind die Angaben des Fluggastes und die Daten des Fluges. Sobald wir das haben, können wir auszahlen», sagt Karpischek.

Grenzen für dieses System gebe es keine.«Eine ähnliche Versicherung könne man auch für wetterbedingte Ernteausfälle machen. Eine normale Versicherung können sich die meisten Bauern vielerorts nicht leisten. Mit Blockchain wird so ein Geschäftsmodell möglich.»

Die Stadt Zug ist plötzlich ein Startup

Auch die Stadt Zug ist als Startup anwesend. Denn im Bereich Blockchain ist sie das gewissermassen. Selbst wenn der Zuger Stadtschreiber Martin Würmli gleich über die vermeintlichen Gefahren davon spricht. Wenn die Verwaltung plötzlich mit Blockchains arbeitet, weiss sie dann plötzlich alles über jeden Bürger? «Mitnichten. Denn jeder Mensch entscheidet selber, welche Informationen er mit wem teilen möchte.» Ausserdem handle es sich bei Blockchain um eine dezentrale Datenbank, die sehr schwer zu knacken sei.

«Blockchain ist viel viel viel besser als alles, was wir bis jetzt im Finanzbereich haben. Es ist nicht nur wahnsinnig effizient. Es ist auch sicher.»

Reto Trinkler, Chairman Melonport AG

Diese Sicherheit, die Crypto-Währungen mit sich bringen, betont auch Reto Trinkler, Chairman bei der Melonport AG. Der junge Mann erklärt: «Blockchain ist viel viel viel besser als alles, was wir bis jetzt im Finanzbereich haben. Es ist nicht nur wahnsinnig effizient. Es ist auch sicher.» Denn durch die Datenverknüpfungen, die man bei Blockchains macht, könne man alle Vorgänge sicher festhalten.

Was, wenn doch alles schiefläuft?

Bei aller Euphorie. Über die Risiken wird beim Anlass kaum gesprochen. Was meint der Zuger Wirtschaftsdirektor Matthias Michel dazu? «Wir müssen zuerst herausfinden, welche neuen Risiken zu den bestehenden dazukommen. Wichtig ist, dass sich diese Branche erst einmal findet. Und da soll der Staat ein wichtiger Partner sein.» Und sollte nun alles hopsgehen und sich Blockchain als totaler Reinfall entpuppen? Schadet das nicht dem Zuger Image? «Wir haben ja nicht aktiv geholfen, diese Firmen in Zug anzusiedeln, sondern sind nur Ansprechpartner. Dadurch haben wir immer wieder auch mit den Firmen selbst zu tun, sehen, wer dahinter steckt. Das Ganze wird greifbar.»

Die Konkurrenz ist Zug auf den Fersen

Klingt, als wäre Zug also das Paradies für jeden Blockchain-Anhänger. Noch nicht, klingt es einstimmig aus der Branche. Man dürfe nichts verschlafen. Matthias Ruch von Lakeside Partners AG, welche Crypto-Startups unterstützt, erklärt:«Es fehlen hier Co-Working-Spaces, wo sich die Szene treffen und entwickeln kann. Die Leute in dieser Branche sind wahnsinnig mobil. Die wollen dahin, wo die Post abgeht. Es braucht Unterhaltungsbereiche, man will auch Spass haben.» So sei man in der Schweiz stolz auf 2’000 Quadratmeter grosse Co-Working-Spaces. «Doch bedenken Sie: Paris hat 70’000 Quadratmeter.»

«Die Experten werden immer jünger. Da ist es illusorisch, dass jemand zehn Jahre Berufserfahrung mitbringt.»

Mona El Isa, Chairwoman Melonport AG

Zudem sei in der Schweiz allein noch zu wenig Expertise vorhanden. Man brauche Fachleute aus dem Ausland. Die hätten es allerdings mit den aktuellen Einreisebestimmungen schwer, überhaupt in die Schweiz zu kommen, betont Mona El Isa von Melonport. «Die Experten werden immer jünger. Da ist es illusorisch, dass jemand zehn Jahre Berufserfahrung mitbringt.»

Und auch in der Diskussion, die zum Schluss des Anlasses entsteht, kommt die Runde immer wieder auf ein Thema zu sprechen. Mut. Es braucht Mut, um sich auf diese neuen Technologien einzulassen. Insbesondere, da diese für den Laien nur schwer durchschaubar sind.

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