Design-Preis für Luzernerin Rosmarie Baltensweiler

Späte Ehre für die Luzerner Lampe, die schon Le Corbusier liebte

Zeigt der Firma heute noch den Weg: die Luzerner Designerin Rosmarie Baltensweiler.

(Bild: hae)

Eine Luzerner Leuchte schreibt Geschichte. Le Corbusier war Fan, im Tati-Kultfilm «Mon Oncle» sorgt sie für Licht und Eindruck: die erste Stehlampe «Type 600». Jetzt folgt die Ehre für die Erfinderin, die bald 92-jährige Rosmarie Baltensweiler.

Die Dame mit den leuchtenden Augen und dem grauen Haarschopf sitzt in der Cafeteria und trinkt ihren Kaffee schwarz. Rosmarie Baltensweiler ist bald 92, sie ist klein und wirkt zerbrechlich, ihr Augenlicht sei schwach, sagt sie. Sie trägt eine schwarze Sonnenbrille. Ihre Stimme ist leise, wenn sie spricht. Doch ihre Ausstrahlung macht sie jugendlich, und sie lächelt. Altersweisheit?

Vielleicht. Aber sie hat auch Grund zur Freude: Am 11. Juni erhält sie vom Bund höchste Weihen für ihr kreatives Schaffen und ein Leben, das sie während 68 Jahren in den Dienst ihres Familienunternehmens steckte (siehe Box).

Ist sie glücklich? Sie lacht und sagt, Glück hänge nicht von Preisen ab. «Zuerst war ich verlegen, als man mir die Nachricht brachte und mich nach Basel an die Preisverleihung einlud.» 

Innovation: Kugelgelenke ermöglichen den vielfältigen Einsatz der Baltensweiler-Leuchten.

Innovation: Kugelgelenke ermöglichen den vielfältigen Einsatz der Baltensweiler-Leuchten.

(Bild: hae)

Sie wollte erst gar nicht an die Preisverleihung gehen, liess sich aber von der Familie überreden. «Aber bedenken Sie, ich bin es nicht allein, die für den Baltensweiler-Erfolg verantwortlich ist. Wir waren und sind stets im Team kreativ, mein Mann und ich waren zwar anfangs die Antreiber – jetzt sind es aber viele.»

Von Luzern über Ebikon nach Littau

Die Firma Baltensweiler, 1951 im Inselbad auf der Reuss vor der Spreuerbrücke gegründet, wuchs zusehends, nahm bald Sitz in Ebikon und ist seit 2014 in Littau. 42 Mitarbeiter tüfteln, kreieren und reparieren heute in den grossen Hallen im Industriegebiet.

«Rosmarie hat ein untrügliches Gespür»: Gabriel Baltensweiler über seine Mutter.

«Rosmarie hat ein untrügliches Gespür»: Gabriel Baltensweiler über seine Mutter.

(Bild: hae)

Darunter auch Rosmarie Baltensweilers Sohn Gabriel, der in der Kreativ-Werkstatt Prototypen auf Lebensdauer und Tauglichkeit testet. «Meine Mutter ist zwar nicht mehr in der Geschäftsleitung tätig, und ich bin es auch schon nicht mehr, jetzt sind ihre Enkel am Ruder», sagt er. «Und dennoch brauchen wir alle Rosemarie als Lampentesterin, denn sie hat sensible Augen. Und», dazu hebt er seinen Finger, «ihr Urteil über Form ist uns immer noch sehr wichtig, denn sie hat ein untrügliches Gespür.»

Die 68 Jahre alte Leuchte

Die ausbalancierte Standleuchte «Type 600» wurde 1951 von Rosmarie und Rico Baltensweiler für den Eigengebrauch entworfen und hergestellt. Innovative Technik und schlichtes Design waren erfolgreich und führten zur Firmengründung. Die Leuchte wird bis heute in exklusiven Einrichtungshäusern angeboten, früher in Serien von 100 bis 500 Stück, heute für Liebhaber in kleineren Serien.

Der Schweizer Grand Prix Design und die Schweizer Design-Preise werden am 11. Juni in Basel überreicht. In einer Ausstellung, die parallel zur Art Basel und Design Miami/Basel stattfindet, werden Arbeiten der Preisträger zu sehen sein. Seit 2007 hebt der Schweizer Grand Prix Design, dotiert mit je 40’000 Schweizer Franken, das Werk von namhaften Designerinnen und Designern hervor.

Mehr noch: «Rosmarie Baltensweiler hat Schweizer Designgeschichte geschrieben», so begründen die Verantwortlichen vom Bundesamt für Kultur, weshalb sie die Leuchtengestalterin und Gründerin des gleichnamigen Luzerner Unternehmens mit dem Grand Prix Design auszeichnen. Besonders bekannt wurde sie mit einem Produkt, das sie ursprünglich gemeinsam mit Ihrem damaligen Partner und späteren Gatten Rico Baltensweiler nur für den Eigenbedarf entwickelte: der «Type 600», dem 1,85 Meter hohen Leuchtgestänge mit sechs Bewegungsachsen dank Kugelgelenken.

Rund 40 verschiedene Leuchten und Lampen wurden im Familienbetrieb seit 1951 kreiert und produziert, heute werden 16 verschiedene Modelle hergestellt. Die Firma Baltensweiler gehöre zu den Unternehmen, um welche die Welt die Schweiz beneide, befand bereits vor einem Jahr die Jury des Schweizer Design-Preises 2017/18: «Die neue Stehleuchte ‹Fez› kombiniert modernste Lichttechnik mit klassisch anmutender Form und begeistert durch Energieeffizienz, Mechanik, Detaillösungen.»

Die Moderne auf einen Nenner gebracht

Von Rosmarie Baltensweilers Kreativität liessen sich auch andere Kreativköpfe anstecken: Bei den Baltensweilers verkehrten Willy Guhl, der Erfinder des Guhl-Stuhls aus Eternit, oder Rolf Brem, der Luzerner Bildhauer.

Neuer Exportschlager: die Leuchte «Fez».

Neuer Exportschlager: die Leuchte «Fez».

(Bild: hae)

Vor allem aber der Architekt und Städteplaner Le Corbusier aus La Chaux-de-Fonds machte Baltensweiler bekannt: Er war Fan der «Type 600», die Leuchte stand in seiner Musterwohnung zur Bauausstellung 1957 in Berlin und unterstrich als Requisit in Jacques Tatis Filmkomödie «Mon Oncle» den zur Parodie übersteigerten Modernismus. War die Moderne auf einen Nenner zu bringen – diese Lampe hatte das Zeug dazu.

All das findet Rosmarie Baltensweiler rückblickend eigentlich gar nicht so wichtig. Sie ist bescheiden, gibt dann aber gerne zu: «Es ist schön, im hohen Alter zum beruflichen Höhepunkt zu kommen.» Sie schmunzelt, und ihre Augen leuchten dazu. 

«Wir wünschen uns, dass unsere Leuchten nicht Mode werden. Weil: Moden gehen vorbei.»

Rosmarie Baltensweiler, Firmengründerin

«Es schmeichelt mir, mit bald 92 Jahren immer noch an etwas rumtüfteln zu dürfen. Und vor allem bin ich stolz auf meine Familie, auch darauf, dass der Betrieb immer fast reibungslos gelaufen ist.» Zuletzt schrieb Baltensweiler pro Jahr mehr als acht Millionen Franken Umsatz.

Leichte Sorgenfalten

Welches ist Rosmarie Baltensweilers Rezept für erfolgreiches Design? «Alles in den Dienst der guten Form stellen, sprich: Design wird gebraucht. Und weil wir nachhaltig produzieren, wünschen wir uns, dass unsere Leuchten nicht Mode werden. Weil: Moden gehen vorbei.»

In diesem Video zum 60-Jahr-Jubiläum thematisiert Baltensweiler die Geschichte der «Type 600»:


Man ist stolz im Hause Baltensweiler, «swiss made» zu produzieren – ausser der Oberflächenbearbeitung und der Elektronik wird alles inhouse gemacht. Der Hauptmarkt ist im nahen Europa, auch wegen der Service- und Reparaturleistungen ideal. 

«Unsere Kundschaft will halt keine Massenware – und dafür sind wir sehr dankbar.»

Gabriel Baltensweiler

Und wie sieht die Zukunft aus? Sohn Gabriel hat schon leichte Sorgenfalten auf der Stirn, wenn er sagt: «Wir haben zwar wenig Konkurrenz, obwohl unsere Leuchten ein Vielfaches von Billigprodukten kosten, da es uns gelingt, regelmässig erkennbare, eigenständige Leuchten zu entwickeln, die sich von den Mitbewebern abheben. Unsere Kundschaft will halt keine Massenware – und dafür sind wir sehr dankbar.»

Handel im Wandel

Doch die LED-Entwicklung sei extrem rasant, und «der Handel ist im Wandel, alles verlagert sich online», so Gabriel Baltensweiler. «Die Leute wollen zusehends die Ware schnell im Netz bestellen. Das macht das Geschäft schwieriger.»

Das bewegt auch Rosmarie Baltensweiler. Und hält sie immer noch auf Trab, wenn sie sporadisch vom Wohnsitz in Ebikon nach Littau fährt. «Um weiterhin zu sehen, was in der Leuchtenentwicklung läuft», sagt ihr Sohn Gabriel nicht ohne Stolz.

Swiss made: Blick in die Kreativwerkstatt der Luzerner Firma Baltensweiler.

Swiss made: Blick in die Kreativwerkstatt der Luzerner Firma Baltensweiler.

(Bild: hae)

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