Schwarzarbeit

Schwarzarbeiter haben in Luzern leichtes Spiel

Schwarzarbeit in der Schweiz. Jeder vierte arbeitet zeitweise schwarz.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Jeder Vierte arbeitet in der Schweiz zeitweise schwarz. Auch im Kanton Luzern steigen die Zahlen stetig an. Sehr bedenklich ist, dass schwarzarbeitende Reinigungskräfte nichts zu befürchten haben. Auf Stichproben wird in Luzern verzichtet.

Schwarzarbeit ist in der Schweiz ein ernsthaftes Problem. Der Kampf der Behörden fordert enormen Aufwand und die Ermittlungserfolge der Polizei sind oft nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein. Vor Kurzem führte die Bundespolizei Fedpol einen Grosseinsatz gegen ein chinesisches Schleppernetzwerk in neun Kantonen durch – darunter auch in Luzern. Fedpol vermeldete 57 Verhaftungen. Der Ermittlungs-Aufwand: Zwei Jahre.

Die meisten Schwarzarbeiter gibt es im Bau-, Gast- und Reinigungsgewerbe. Sie bleiben oft unerkannt, da sie sich nur zeitweilig und meistens in Nebenjobs einen illegalen Zuschuss verdienen. Dass Schwarzarbeit hierzulande längst keine Ausnahme mehr ist, zeigt eine repräsentative Schätzung des österreichischen Professors Friedrich Schneider: In der Schweiz arbeiten bis zu 1,1 Millionen Menschen gelegentlich schwarz – das entspricht rund 450’000 Vollzeitstellen. Bei einer Gesamtanzahl von 4,4 Millionen Erwerbstätigen verdient sich folglich jeder Vierte «schwarzes Geld».

75 Prozent der Putzkräfte arbeiten schwarz

Betrachtet man nur die Reinigungsbranche, so liegt die Quote an Schwarzarbeitern sogar noch viel höher: Gemäss eines Berichts des «Tagesanzeigers» vom März 2012 verdienen in der Schweiz 75 Prozent der Putzkräfte ihr Geld schwarz.

Aber weshalb ist gerade das Reinigungsgewerbe so stark betroffen? zentral+ hat eine schwarz arbeitende Putzfrau und ihren Arbeitgeber aufgespürt. Sie haben sich gemeinsam bereit erklärt, Auskunft über ihr illegales Arbeitsverhältnis zu geben.

Wir nennen die Frau Theresa*. Sie ist 45 Jahre alt, kommt aus Brasilien und lebt mit ihrem Ehemann und einem gemeinsamen Kind in Luzern. Theresa steht mit einem Pensum von 50 Prozent in einem regulären Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft einer Firma. 

Dieses Einkommen reiche ihr nicht zum leben, sagt sie. Deshalb putze sie jeden Freitag zusätzlich in vier Privathaushalten, schwarz wohlverstanden. Das zahlt sich für sie aus. Pro Stunde bekommt sie 30 Franken – gleich viel etwa wie ein ausgelernter Handwerker. Einen Arbeitsvertrag gibt es nicht, das Geld bekommt sie bar auf die Hand. «Das ist einfacher so. Kein Papier, keine Steuern», sagt sie in gebrochenem Deutsch.

Neu ist das alles nicht. Erstaunlich ist aber, in welcher Gelassenheit Theresa davon erzählt. Die Angst, beim Schwarzarbeiten erwischt zu werden, besteht nicht. Da müsse sie erst jemand anzeigen, meint sie. Niemand wisse davon. «Bleibt alles unsichtbar», sagt sie lapidar.

Behörden stellen alle Dokumente online

Auch für ihren Arbeitgeber, ein 30-jähriger Luzerner, stimmt das Arbeitsverhältnis. Er begründet seinen Entscheid damit, dass sich sein administrativer Aufwand auf diese Art in Grenzen hält. «Für die zwei Stunden Putzen pro Woche fehlt mir die Zeit und die Energie, die ich investieren müsste, um sie korrekt zu beschäftigen», sagt er. Zudem sei es ihm lieber, wenn sie das ganze Geld ohne Abzüge einstecken könne. «Das ist eine Win-Win-Situation», sagt er. Als administrativer Aufwand bezeichnet er das Ausstellen der Lohnabrechnung, des Lohnausweises und der Steuererklärung sowie die Entrichtung der Sozialabgaben.

Das klingt nach einer fadenscheinigen Ausrede. Denn der Staat tut vieles, damit es dem Arbeitgeber einfacher fällt, eine Person legal anzustellen. Behörden von Bund und Kantonen stellen alle nötigen Informationen und Dokumente online zur Verfügung. Mit wenigen Klicks erhält man alles, was es zu einer legalen Anstellung benötigt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO bietet sogar Musterarbeitsverträge zum Herunterladen an.

Kontrollen und regelmässige Stichproben könnten dem Schwarzabeit-Problem entgegenwirken. Könnten.

Insbesondere Putzkräfte müssen sich kaum vor Kontrollen fürchten, diese sind für Luzern finanziell zu aufwendig. Simon Kopp, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Luzern, sagt: «Die Polizei führt nur Kontrollen durch, wenn es konkrete Hinweise aus der Bevölkerung gibt. Aber das geschieht nur äusserst selten, in absoluten Einzelfällen.» Und Testkontrollen gebe es in Luzern erst gar nicht: «Wir machen keine Stichproben», so Kopp.

46 Prozent mehr Meldungen als im Vorjahr

Im Bau- und Gastgewerbe sieht das anders aus: Auf der Baustelle oder im Restaurant arbeiten die Menschen in der Öffentlichkeit und stehen – im Gegensatz zu privaten Putzkräften – in Kontakt mit anderen Leuten. Das hat zur Folge, dass es vermehrt Hinweise aus der Bevölkerung gibt und somit mehr Kontrollen durchgeführt werden können.

Und es werden von Jahr zu Jahr mehr, wie die Zahlen von 2012 des Kantons Luzern eindrücklich bestätigen: 530 Verstösse mit insgesamt 1063 beteiligten Personen wurden gemeldet – das sind sage und schreibe 46 Prozent mehr als im Vorjahr. Rund 750 Personen wurden schliesslich kontrolliert und bis zum Jahresende lagen 214 rechtskräftige Sanktionsentscheide vor. Dabei sind die Zahlen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Im Kanton Luzern ist die Industrie- und Gewerbeaufsicht (IGA) der Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit zuständig, die Schwarzarbeit zu bekämpfen. Joe Durrer, Leiter der IGA: «Unser Team übernimmt die Drehscheiben- und Kontrollfunktion und nimmt Schwarzarbeitsmeldungen entgegen. Verdichtet sich ein Hinweis, werden Kontrollen vor Ort durchgeführt und bei Bedarf die Polizei informiert.»

Sehr milde Strafen

Berechtigt ist auch die Frage, ob die Sanktionen für Schwarzarbeiter und deren Arbeitgeber schlicht zu mild sind. Arbeitnehmer kommen oft mit einer Geldstrafe um die 100 Franken davon. Beim Arbeitgeber fallen die Strafen zwar höher aus, im Verhältnis zum lukrativen Geschäft und zur Verantwortungslosigkeit im Ganzen, sind aber auch diese sehr überschaubar: In einem Bericht der Basler «Tageswoche» vom Mai 2012 musste ein Arbeitgeber, der fünf Rumänen über einen längeren Zeitraum illegal beschäftigte, gerademal 1000 Franken Busse zahlen.

Mit dem Bundesgesetz gegen Schwarzarbeit (BGSA), welches 2008 in Kraft getreten ist, wurde das Problem der Schwarzarbeit gezielt angegangen. Im Fokus standen administrative Vereinfachungen und neue Kontrollorgane. Gegriffen hat dieses Gesetz ganz offensichtlich noch nicht.

*Name von der Redaktion geändert.

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