Schulkinder statt Künstler: Alte Jazzschule in Luzern wird wieder lebendig
Seit dem Auszug der Jazzschule war es einigermassen ruhig im Gebäude am Luzerner Löwengraben. Doch ab Herbst werden wieder viele Menschen ein und ausgehen. Darunter Schulkinder. Obwohl der Mietermix sehr heterogen ist, wurden nicht alle Wünsche erfüllt.
Während mehr als 20 Jahren war das Haus am Graggenthor am Löwengraben in Luzern fest in der Hand von Musikstudentinnen. Doch im vergangenen Herbst zogen sie in den neuen Campus der Hochschule Luzern – Musik beim Südpol in Kriens. Entsprechend wurden die Lokalitäten in dem viergeschossigen Haus ausgeschrieben.
Die Idee: Auch nach dem Auszug der Jazzschule soll das Gebäude mit künstlerischen und anderen kreativen Tätigkeiten belebt werden. Auf den Bildern sind folglich Räume zu sehen, auf denen Instrumente wie ein Schlagzeug und ein Gitarrenverstärker stehen. Auch in der Öffentlichkeit wurde verschiedentlich der Wunsch geäussert, dass das Haus an Künstlerinnen oder Personen im Bereich der Kreativwirtschaft vermietet wird (zentralplus berichtete).
Kritik an den Mietpreisen
Doch unmittelbar nach der Ankündigung der Neuvermietung gab es in den sozialen Medien Kritik an den Mietpreisen. An vorderster Front: Mario Stübi, SP-Grossstadtrat und neuer Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbandes Luzern. «Wer soll sich das leisten können?», fragte er rhetorisch. Und tatsächlich. Ein Blick auf das Mietangebot zeigt, dass 51 Prozent der Gesamtfläche ein Jahr später anscheinend noch immer nicht vermietet sind. Immerhin hat sich mittlerweile ein Pop-up-Store auf der Ladenfläche im Erdgeschoss einquartiert (zentralplus berichtete).
«Ein so zentraler Ort an ruhiger Lage in der Altstadt ist wohl nicht der richtige Ort für Probelokale.»
Daniel Ringli, Arlewo
Warum lässt man zu, dass an dieser prominenten Lage mitten in der Altstadt viele Räume einfach leer stehen? Zumal derzeit prominent über die Belebung des historischen Stadtkerns diskutiert wird und am Löwengraben vielerorts Aussenbereiche von Beizen eingerichtet, Begrünungen realisiert und Parkplätze aufgehoben wurden? Diese Frage stellt sich insbesondere deshalb, da die Liegenschaft nicht im Besitz eines ausländischen Investors, sondern des Luzerners Bruno Amberg ist. Amberg ist Mitinhaber des gleichnamigen hiesigen Bauunternehmens.
Vermieter: «Belebung ist wichtig»
Auf Anfrage von zentralplus reagiert man bei der zuständigen Immobilienverwaltungsfirma Arlewo sichtlich irritiert. «Das mit der Vermietung an Künstler und Kleingewerbe war eine erste Idee vor Definition der effektiven Vermietungsstrategie», schreibt der für die Liegenschaft zuständige Immobilienbewirtschafter Daniel Ringli. Man werde nun allenfalls Anpassungen auf der Website vornehmen. Das Gebäude sei vorübergehend leer gestanden, weil Renovationsarbeiten durchgeführt werden mussten. Die Ladenfläche im Parterre habe man erst nach Abschluss des Konkursverfahrens des Reisebüros betreten dürfen, das dort jahrelang beheimatet war.
«Ein so zentraler Ort an ruhiger Lage in der Altstadt ist wohl nicht der richtige Ort für Probelokale», so Ringli weiter. Dass vorher über zwei Jahrzehnte lang die Jazzschule als staatliche Institution das ganze Haus gemietet hat, sei eine ganz andere Geschichte. Ringli geht gleich in die Offensive: «Mit unserem Konzept der geschossweisen Vermietung an interessante Jungunternehmen beleben wir die Altstadt maximal. Wir hätten das Haus problemlos und unkompliziert mit Wohnungen abfüllen können. Das wäre das Lukrativste gewesen, hätte die Altstadt aber wenig belebt.» Entsprechend laufe die Vermietung sehr zufriedenstellend.
Ab Herbst geht's wieder richtig los
Ringli: «Das ganze 1. Obergeschoss an der Mariahilfgasse wird ab 1. August an die Stadt Luzern für Tagesstrukturen beziehungsweise für den Mittagstisch des Mariahilf-Schulhauses vermietet. Das ganze 2. Obergeschoss per 1. Oktober an ein Luzerner Start-Up-Unternehmen im Bereich Online-Marketing.»
Laut Daniel Ringli geht auch weiter die Treppe hinauf etwas. So richte sich ab dem 1. September die Newplace AG auf der gesamten dritten Etage ein. Dabei handelt es sich um ein Personal- und Unternehmensberatungsbüro, welches unter anderem auf das sogenannte Outplacement für Stellenlose spezialisiert ist. Die Idee hinter dem Outplacement ist, dass der Arbeitgeber seiner scheidenden Mitarbeiterin eine Beratung und einen Karrierecoach finanziert. Das Ziel: Arbeitslosigkeit und ein Gefühl des Abgeschobenwerdens verhindern.
Auch ein international bekannter Jungunternehmer ist dabei
Ebenfalls in die ehemalige Jazzschule einziehen wird gemäss Ringli der Jungunternehmer Ian Echlin, der mit seinen Fitnesstrampolinen Bellicon bekannt wurde. Mit seinem neuen Unternehmen Nickian GmbH wird er das Dachgeschoss im Anbau auf der Rückseite des Hauses mieten. Laut Handelsregister lautet der Firmenzweck: «Betreiben eines Ateliers für Design, Grafik oder Schmuck.» Dort seien ausserdem bereits ein Landschaftsarchitekturbüro und eine Anwaltskanzlei eingemietet.
Es wird sich also zeigen, inwiefern die Mitarbeiter dieser Firmen den Löwengraben und die Altstadt beleben werden. Auf neue Kunden, die in der Nähe ein Zmittag holen, werden sich sicher auch die umliegenden Gastrobetriebe freuen.
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Michel von der Schwand, 22.07.2021, 08:06 Uhr Ich muss immer wieder herzhaft lachen, wenn die Verwaltung von Vermietungsstrategie spricht. Eine mögliche Vermietungsstrategie würde wohl einzig und alleine der Besitzer der Liegenschaft definieren. Die Strategie der Verwaltung ist das Einfordern des Betriebungsregistersauszug. Allenfalls noch das Bewerbungsschreiben etwas begutachten. Solche Verwaltungen nehmen sich viel zu ernst. In erster Linie sind sie Dienstleister, schauen ab und zu nach dem Rechten auf einer Liegenschaft und sind für die Vermieter in der Regel nicht erreichbar. Lustige Zeitgenossen.
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