Nach Kahlschlag bei CH Media

«Pilatus Today»-Mitarbeiter: «Ich fühle mich verarscht»

Am Dienstagmorgen ging «Pilatus Today» ein für alle Mal offline. (Bild: ida)

Das Ende von «Pilatus Today» kam für die Mitarbeiter wie aus dem Nichts. Gegenüber zentralplus zeigen sich zwei von ihnen enttäuscht von der «menschlich schwierigen» Kommunikation durch die Geschäftsleitung von CH Media.

Plötzlich ist am Dienstagmorgen «Pilatus Today» – genauso wie die anderen fünf «Today»-Portale von CH Media – offline. Das Portal wird Knall auf Fall geschlossen, 34 Mitarbeiterinnen des Medienkonzerns verlieren ihren Job, darunter auch 5 bei «Pilatus Today». 22 Mitarbeiter erhalten ein Anschlussangebot bei CH Media (zentralplus berichtete).

«Damit hat bei uns niemand gerechnet», sagt Jan T.* gegenüber zentralplus. Er arbeitete für «Pilatus Today» und möchte anonym bleiben.

Am Montag sei die Redaktion per E-Mail zu einer Teamsitzung eingeladen worden. Diese fand tags darauf, am Dienstagmorgen, in Form eines Videocalls statt. An der Sitzung sei den nichtsahnenden Journalistinnen eröffnet worden, dass «Pilatus Today» und die anderen «Today»-Portale Geschichte seien und die Redaktionen den Betrieb per sofort einzustellen hätten.

Der Schock sitzt tief

«Wir waren alle schockiert», sagt Jan T. Die vielen Fragen, die sich ihm und seinen Kolleginnen gestellt hätten, sollten die Mitglieder der Geschäftsleitung von CH Media im Rahmen der Teamsitzung beantworten. Doch die Fragerunde verkam gemäss ihm zur Alibiübung. «Die Fragen wurden nicht wirklich beantwortet», sagt Zoe N.**, die ebenfalls für «Pilatus Today» arbeitete und anonym bleiben möchte.

Zoe N. stellt der Geschäftsleitung von CH Media kommunikativ ein ungenügendes Zeugnis aus. «Der Ton der Geschäftsleitung war sehr emotions- und teilnahmslos, menschlich schwierig», sagt sie. Auch Jan T. hat Mühe mit der Art und Weise, wie die drastischen Schritte der Redaktion mitgeteilt wurden. «Ich fühle mich verarscht», sagt er und bezeichnet die Kommunikation als «Katastrophe» und «das Hinterletzte».

Dafür, dass die Teamsitzung digital per Videocall stattfand, zeigt Zoe N. Verständnis. Schliesslich befanden sich die Redaktionen der sechs «Today»-Portale in allen Ecken der Deutschschweiz. «Aber danach nicht mal zu den Standorten zu gehen und hinzustehen, geht nicht», findet sie. Mutlos sei das von der Geschäftsleitung gewesen.

«Pilatus Today»-Mitarbeiter: «Immer alles gegeben»

Doch die «Pilatus Today»-Mitarbeiter bemängeln nicht nur den Kommunikationsstil, sondern auch den Umgang der Geschäftsleitung. «Uns wurde an der Teamsitzung klargemacht, dass nicht etwa strategische Fehler ursächlich sind für das Ende der ‹Today›-Portale, sondern wir von den Redaktionen die gesamte Schuld tragen», interpretiert Jan T. die Äusserungen der Geschäftsleitung. «Dabei haben wir Journis immer alles gegeben, standen hier jeden Tag um sechs Uhr früh auf der Matte», sagt er enttäuscht.

Im Videocall habe ein Journalist gefragt, ob die Geschäftsleitung nicht wenigstens zugeben könne, dass sie Fehler gemacht habe. Die sinngemässe Antwort, so Zoe N.: «Es wäre nicht so weit gekommen, hätten die Redaktionen ihrerseits bessere Leistungen erbracht.»

Als ein anderer Journalist gefragt habe, was denn überhaupt die Strategie für die «Today»-Portale gewesen sei, habe die Geschäftsleitung abgeblockt und dem Journalisten Respektlosigkeit vorgeworfen, schildert Jan T. eine weitere Szene aus dem Videocall.

Führte «betriebswirtschaftliches Versagen» zum Ende?

«Die Chefs ziehen sich komplett aus der Verantwortung, geben keinen einzigen Fehler zu», sagt Jan T., obschon «betriebswirtschaftliches Versagen» offensichtlich der Grund für das Ende der «Today»-Portale gewesen sei. «Ein kurzer Blick aufs Budget liess bereits erahnen, dass die Rechnung am Ende nicht aufgehen würde», so sein Fazit.

Auf die Vorwürfe der beiden «Pilatus Today»-Mitarbeiter angesprochen, sagt die Kommunikationsabteilung von CH Media gegenüber zentralplus: «Zwar verzeichneten die ‹Today›-Portale steigende Reichweiten, aber die Werbeumsätze waren leider rückläufig.» Die Einstellung von «Pilatus Today» und Co. erfolgte also aus wirtschaftlichen Gründen.

CH Media erklärt auch die Kommunikationsstrategie: «Das erste Ziel der mehrstufigen Kommunikation war es, für die betroffenen Mitarbeitenden schnell Klarheit zu schaffen. Auf die Erstinformation in den Teams und die Einzelgespräche mit Führungskräften folgten Anschlussgespräche mit einem externen Care Team vor Ort, das den Mitarbeitenden weiterhin zur Verfügung steht», wird das kommunikative Vorgehen erläutert. Es scheint nicht allzu gut angekommen zu sein.

Mitarbeiter von «Pilatus Today» sieht schwarz für CH Media

Für Jan T. ist klar, dass es bei CH Media weitere Entlassungen geben wird. Denn: «Der Fisch stinkt vom Kopf. Ich habe keine Ahnung, wie dieses schlecht geführte Unternehmen den Turnaround schaffen soll.»

Er werde dennoch Journalist bleiben. «Ich mag meine Arbeit und gehe ihr mit viel Passion nach», sagt Jan T. «Doch wie viele der heute Entlassenen versuchen werden, wieder einen Job als Journi zu finden, weiss ich nicht.»

Dass die Branche kränkelt, ist derweil nichts Neues. Immer wieder verschwanden in den vergangenen Jahren Zentralschweizer Zeitungen und Magazine im Zuge der Medienkrise (zentralplus berichtete). Nun ist ihr auch «Pilatus Today» zum Opfer gefallen.

*Name der Redaktion bekannt und geändert
**Name der Redaktion bekannt und geändert

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit zwei Mitarbeitern von «Pilatus Today»
  • Schriftlicher Austausch mit der Kommunikationsabteilung von CH Media
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