Luzerner revolutioniert die Fleischindustrie

Oli Hess: «Glückliche Schweine geben besseres Fleisch»

Wiesenschwein-Gründer Oli Hess und Bauer Franz Studer auf dem Hof in Schüpfheim.

(Bild: Marjana Ensmenger)

Oli Hess ist seit April 2019 offiziell mit den Wiesenschweinen am Markt. Dank seinem Einsatz baden Schweine in Schüpfheim im Pool und wühlen im Sägemehl. Darauf hat der 41-jährige Luzerner zehn Jahre hingearbeitet – mit einem glücklichen Ende für die Schweine.

Inmitten von prächtig spriessendem grünem Gras, eingepfercht von Bergen auf der linken und rechten Talseite steht der Hof der Familie Studer-Murp. Wer bei ihnen in Schüpfheim ankommt, wird vom Geruch von Schweinen empfangen. Und das hat seinen Grund: Der Betrieb ist der schweizweit erste, der für die Wiesenschwein AG produziert.

Der 41-jährige Oli Hess ist der Hauptinitiator und Gründer der Wiesenschwein AG. Er steht auf dem Parkplatz und wartet. In einer Hand hält er ein Telefon, mit der anderen Hand gestikuliert er wild in die Luft. Er hat in diesen Tagen viel zu tun.

Viele Jahre, viel Geld

Seine Vision: Den Schweinen während ihrer Lebenszeit ein gutes Leben zu ermöglichen. Es ist für Oli Hess eine Herzensangelegenheit. Als er vor rund zehn Jahren das erste Mal in einem Maststall für Schweine arbeitete, hat er es sich zum Ziel gesetzt, etwas in der Branche zu bewirken. Für Hess ist klar: «Glückliche Schweine geben besseres Fleisch.»

Zehn Jahre und einige Millionen Franken sind in das Projekt geflossen, das die Fleischproduktion in der Schweiz revolutionieren will. Entsprechend euphorisch ist Oli Hess, wenn er von seiner Idee erzählt.

So sieht es aus, wenn die Schweine Auslauf erhalten:

 

Oder sie nun eben gleich vor Ort präsentieren kann. Denn definitiv realisiert wurde das Projekt erst durch die Zusammenarbeit mit Franz Studer und Josef Schmid, bekannte Schweinebauern im Entlebuch. Der Neubau, der für die Wiesenschweine umgesetzt wurde, kostete die Bauern insgesamt knapp 400‘000 Franken. Für den Wiesenschwein-Umbau wurde ein grosser überdachter Freilauf, zwei Swimmingpools sowie eine rund 1000 Quadratmeter grosse Rasenfläche inklusive technischer Ausstattung gebaut. Klar, dass Hess und Studer nach all den Strapazen nun mit einem Lächeln auf dem Hof stehen.

Und diese Freude spüren auch die Wiesenschweine, als sie pünktlich um 11 Uhr für eine Stunde auf der Wiese spielen dürfen. Oli Hess ruft Roman Dettwiler, der in diesen Tagen für die Testläufe der Technik zuständig ist. Er klickt ein paar Mal auf sein mitgebrachtes iPad, woraufhin sich die Tür der vierten Box nach oben hin öffnet.

Anders als die meisten der über 2,7 Millionen Schlachtschweine in der Schweiz geniessen die Wiesenschweine auf der Farm im Entlebuch regen Auslauf. Mit wenigen Ausnahmen stehen den «normalen Mastschweinen» nur zwischen 0,9 bis 1,25 Quadratmeter pro Tier zur Verfügung. Zu wenig, findet Hess. Und ermöglicht den Wiesenschweinen auf dem Hof einen Sonderstatus.

Spezieller Rufton für die Tiere

Zweimal täglich dürfen die Schweine für eine Stunde auf dem Gras herumtollen, mit ihrer Schnauze graben, nach Lust und Laune baden oder mit den anderen Schweinen spielen. Nach einer Stunde ertönt aus den Lautsprechern nun ein Signalton. Die Tiere rennen zurück in den Stall, weil sie wissen: Es ist Zeit zu fressen. «Schweine sind saubere und intelligente Tiere, die eine genaue soziale Ordnung haben», erklärt Oli Hess.

Oli Hess (links) und Roman Dettwiler testen die Technik.

Oli Hess (links) und Roman Dettwiler testen die Technik.

(Bild: Marjana Ensmenger)

Würde man zwei der insgesamt zehn Gruppen auf dem Hof vermischen, würden die Tiere das registrieren und sich dagegen wehren. Das könne so weit kommen, dass die Tiere einen Eindringling töten. Darauf legt man es auf dem Hof nicht an.

Damit die Schweine ihre soziale Ordnung behalten, leben die Tiere immer nach Alter gemeinsam in stabilen Gruppen. Bis sie nach sechs bis acht Monaten auf dem «Tor zum Himmel» – wie Dettwiler die Treppe etwas makaber bezeichnet – zum Metzger schreiten.

Erstes Wiesenschwein-Fleisch im Coop erhältlich

Coop-Filialen in Luzern, Kriens, Schenkon und Seewen bieten das Wiesenschwein-Fleisch seit dieser Woche in ihren Theken an. Für Oli Hess werden die nächsten Wochen zur Bewährungsprobe. Denn das Wiesenschwein-Fleisch ist teurer als gewöhnliches Schweinefleisch, die Preise bewegen sich laut Coop im Bereich von Biofleisch.

«Ob die Wiesenschwein AG Erfolg haben wird, hängt von den Konsumenten ab.»

Oli Hess, Gründer Wiesenschwein AG

«Ob die Wiesenschwein AG Erfolg haben wird, hängt von den Konsumenten ab», weiss Hess. Ob er mit seinem Team letztlich weitere Höfe nach den Standards der Wiesenschwein AG realisieren kann, hängt also von der Nachfrage und den damit verbundenen Absätzen im Detailhandel ab – auch wenn sich Coop fürs erste drei Jahre an das Projekt gebunden hat. Die Markenrechte der Wiesenschweine bleiben aber bei der Wiesenschwein AG. 

Im Freien grasen: Was man aus der Werbung kennt, ist im Entlebuch Realität.

Im Freien grasen: Was man aus der Werbung kennt, ist im Entlebuch Realität.

(Bild: Marjana Ensmenger)

Der naturverbundene Schweinebauer erhofft sich vom Label aber vor allem eins: Eine Verbesserung der Lebensumstände für die Tiere. Auch wenn 2,7 Millionen Kilogramm an Schweinefleisch jährlich in der Schweiz verspeist werden – und Hess lediglich 350 Tiere bei sich auf dem Hof beherbergt – träumt er davon, dass die Innovationsarbeit der Wiesenschwein AG eines Tages die Standards in der Schweizer Schweinehaltung revolutioniert.

Doch vorerst freut er sich über seinen Erfolg in Schüpfheim – und geniesst es, dass es nicht nur in den Ställen, sondern auch im Freien nach Schweinen riecht.

Nur eine PR-Masche? Kritik an neuem Label

Die Zusammenarbeit von Coop und der Wiesenschwein AG wird nicht überall nur wohlwollend aufgenommen. So gibt es auch Kritik am neuen Label. Dies vor dem Hintergrund, dass die Nachfrage nach Schweinefleisch in der Vergangenheit zurückgegangen ist – und Coop deswegen angekündigt hat, den Bauern ab 2020 weniger Schweine vom Naturafarm-Label abzunehmen. Das hat unter Produzenten für rote Köpfe gesorgt.

Und dem Detailhändler den Vorwurf eingebracht, das deutlich kleinere Wiesenschwein-Projekt nur zu Marketingzwecken zu lancieren. Etwa von Meinrad Pfister, Präsident von Suisseporcs, der in der «Luzerner Zeitung» entsprechende Kritik äusserte. «Coop engagiert sich seit vielen Jahren erfolgreich für die Entwicklung von mehr Tierwohl», entgegnet Coop-Mediensprecher Urs Meier, angesprochen auf diesen Kritikpunkt. «Das Projekt Wiesenschwein ist das jüngste Tierwohl-Projekt von Coop», heisst es in einer knappen Stellungnahme. Näher auf die Thematik geht Coop nicht ein.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon