Autobahn

Nur Kleinraststätte für Pendler könnte rentieren

Auf dem heutigen Rastplatz St. Katharina der A14 bei Inwil plant der Kanton Luzern eine Raststätte. (Bild: Fabian Duss)

Die Raststättenbetreiber kämpfen mit rückgängigen Umsätzen bei Restaurants und Shops. Trotzdem soll entlang der A14 bei Inwil eine neue Raststätte entstehen, der Kanton Luzern sucht derzeit nach einem Betreiber. Was sagen Branchenkenner dazu? 

Alfred Müller, Verwaltungsratspräsident der Luzerner Raststätten AG (Lurag), ist sehr zufrieden. Der Geschäftsbericht 2012 zeigt: Im Vergleich zum Vorjahr konnte das Unternehmen, das die Autobahnraststätte Neuenkirch an der A2 betreibt, seinen Umsatz um rund eine Million Franken steigern und einen Reingewinn von knapp 900’000 Franken verbuchen. «Das Ergebnis ist etwa 15 Prozent besser ausgefallen als erwartet», sagt Müller. Die Euro-Schwäche und Sperrungen bedingt durch die Cityring-Baustelle habe man in Neuenkirch gut verkraftet.

Gotthard-Raststätte: Mehr Gewinn

Ähnlich gute Zahlen konnte unlängst auch die Gotthard-Raststätte präsentieren. «Wir konnten den Gesamtbetriebsertrags trotz des sehr anspruchsvollen Umfelds steigern», sagt der CEO von My Stop Gotthard, Alois Keiser.

Nur rosig ist die Welt der Schweizer Raststättenbetreiber aber nicht. Die Branche kämpft mit rückgängigen Umsätzen bei Restaurants und Shops. Dies zeigen die Zahlen einer Erfahrungsgruppe (Erfa), der über 30 Raststättenbetriebe angehören. «Wir tauschen Erfahrungen und Kennzahlen aus», erklärt Keiser. Das biete Orientierung, denn bloss einzelne Raststätten zu vergleichen mache aufgrund ihrer Vielfalt wenig Sinn.

Weniger tanken, Lunchpakete

Alfred Müller führt die Umsatzrückgänge auf ein stark verändertes Reise- und Konsumverhalten der Ferienreisenden zurück. «Viele fahren mittlerweile durch die Schweiz, ohne tanken zu müssen, halten weniger an und bringen oft ihre eigene Verpflegung mit.» Vor allem deutsche Reisende seien sehr preisbewusst und konsumierten hierzulande nur wenig. Durchreisende wählten häufiger kleine Mahlzeiten wie Sandwiches. «Wir werden uns an das gestiegene Fastfood-Bedürfnis anpassen, das gepflegtere Angebot aber beibehalten», kündigt der Lurag-Chef an.

Auch in der Gotthard-Raststätte sanken die Erträge aus Restaurants und Shops leicht. «Das liegt vor allem an der Preissensibilität unserer Kundschaft», erklärt My Stop-CEO Alois Keiser. Die Tankstellenshops, die in der letzten Dekade wie Pilze aus dem Boden schossen, sind ihm ein Dorn im Auge. «Im Shop-Bereich gibt es mittlerweile viele Alternativen zu den Autobahnraststätten. Hinzu kommt der Detailhandel mit immer längeren Öffnungszeiten.» Als Raststätte könne man in diesem Preiskampf kaum mithalten, sagt Keiser. «Wir können unsere Preise nicht weiter reduzieren, da wir einen 24-Stunden-Betrieb aufrecht erhalten müssen und bereits recht knapp kalkulieren.»

Rastplatz gehört dem Bund

Trotz der erschwerten Umstände – in zwei Jahren soll die neue Raststätte St. Katharina bei Inwil an der A14 auf den Markt stossen. Die Idee ist bereits älter. Nachdem 2006 ein Projekt für eine grössere Raststätte bei Rotkreuz im Kanton Zug begraben wurde (siehe Box), geriet der Rastplatz St. Katharina in den Fokus der Lurag. Sie meldete damals Interesse am Bau und Betrieb einer Raststätte an – dieses Interesse besteht auch heute noch. So will das Unternehmen sein Dossier beim Kanton Luzern einreichen. 

Denn seit wenigen Wochen nun läuft die Ausschreibung, der Kanton sucht nach einem Ersteller und Betreiber der Raststätte. Dies nachdem Abklärungen mit dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) und dem Bundesamt für Strassen (Astra) einige Zeit benötigt hat. «Der Rastplatz ist zurzeit noch Eigentum des Bundes, muss aber auf den Kanton übergehen, damit dort eine Raststätte betrieben werden kann», erklärt Daniel Ender, Projektleiter bei der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur des Kantons Luzern. Dem stehe nun aber nichts mehr im Weg, ein entsprechender Kaufrechtsvertrag läge vor.

Das Angebot auf den Raststätten muss durch die Betreiber festgelegt werden. «Möglich wären zum Beispiel auf beiden Seiten Tankstellen mit Shops sowie ein kleines Restaurant», sagt Ender. 17’000 Quadratmeter stehen zur Verfügung – eine verhältnismässig kleine Fläche, die auch nicht durch Landkäufe von Dritten erweitert werden soll. Der Vorteil: Zonenplanänderungen sind nicht nötig.

Gemäss dem Bundesamt für Strassen passierten 2011 täglich rund 60’000 Fahrzeuge die A14 beim Rastplatz St. Katharina. An manchen Tagen können das sogar bis 75’000 sein. Die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur rechnet bis 2030 mit einer weiteren Zunahme.

Meiste Firmen halten sich bedeckt

zentral+ begab sich auf die Suche nach weiteren möglichen interessierten Raststättenbetreibern. Bei Mc Donalds heisst es, man prüfe laufend neue Standorte. «Wir sind ständig an hoch frequentierten, spannenden Standorten interessiert», sagt Mediensprecherin Aglaë Strachwitz. Auskünfte gibt es erst im Fall einer Baueingabe. Ähnlich tönt es bei Burger King und Marché.

Die international tätige Firma Autogrill, die in der Schweiz bereits zwölf Autobahnraststätten betreibt, prüft derweil den Standort Inwil. Ob eine Eingabe gemacht werde, sei noch nicht entschieden, sagt der CEO Autogrill Schweiz, Beat Grau.

Die My Stop-Raststätten haben derweil bereits abgesagt für Inwil. «Sorge in der Zeit, so hast du in der Not», verkündet Alois Keiser. Im Urnerland wolle man sich auf das Kerngeschäft konzentrieren. Den CEO der Gotthard-Raststätte erwartet mit der Totalsanierung des Gotthardtunnels ausserdem bald eine zünftige Herausforderung. Zwischen 2020 und 2025 wird der Tunnel während rund 900 Tagen gesperrt sein – mit entsprechenden Folgen für das Verkehrsaufkommen auf der Gotthardautobahn und entsprechend weniger Kunden.

Gegen eine Eingabe für die A14-Raststätte spreche auch die Beteiligung an der A4-Raststätte My Stop Zürich in Affoltern a.A. im Knonaueramt. «Zur Neuenkirch-Betreiberin Lurag pflegen wir eine sehr gute Partnerschaft, die wir keinesfalls gefährden wollen», so Keiser weiter.

My Stop-Chef setzt Fragezeichen

In Affoltern schaut man derweil nicht gerade mit Besorgnis nach Inwil, einige Fragezeichen setzt Thomas Lohmann, der CEO von My Stop Zürich, aber schon. «Neuenkirch und wir sind etwas gar nahe. Ob das für die jeweiligen Inwil-Betreiber aufgehen wird?» Keine Frage, der Mann weiss wovon er spricht.

Die 2009 eröffnete Raststätte im Knonaueramt läuft – gelinde gesagt – harzig. «Es läuft aber nicht alles schlecht», insistiert Lohmann. «Mit Tankstelle und Shop sind wir auf gutem Kurs.» Auch das Restaurant sei nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. «Ob es aber heute auch noch in dieser Grösse konzipiert würde, bezweifle ich», so der CEO.

Man habe bei der Planung die Verkehrsfrequenz überschätzt. Mittlerweile nähere sich das Verkehrsaufkommen aber langsam den Erwartungen. «Hier verkehren hauptsächlich Pendler. Man sieht aber mehr Fahrzeuge mit ausländischen Nummernschildern als auch schon», berichtet Lohmann. Die neue Autobahnverbindung zwischen Zürich und Zug werde wohl erst langsam entdeckt. Auf älteren GPS und Strassenkarten sei sie nach wie vor nicht zu finden.

Die beiden My Stop-CEOs raten künftigen Inwil-Betreibern, die Grösse der Kundschaft anzupassen, sprich: klein zu bleiben. Das ist auch ganz im Sinn der Lurag: «Reden wir lieber von einer Kleinraststätte für Pendler», bemerkt Verwaltungsratspräsident Alfred Müller.

Leitplanke von 10 Millionen Franken

2008 kalkulierte die Lurag Investitionen von sieben Millionen Franken. «Inzwischen ist es etwas mehr, jedoch wollen wir deutlich unter zehn Millionen bleiben», so Müller. Er betont, diese finanzielle Leitplanke werde keinesfalls überschritten. In beide Fahrrichtungen sollen je eine Tankstelle mit Shop und Bistro gebaut werden. «Eine volle Gastronomie wäre nicht rentabel», ist sich Müller sicher. Die Raststätte solle die Bedürfnisse jener abdecken, die abends aus ihren Büros im Grossraum Zug nach Hause fahren und unterwegs noch schnell einkaufen oder tanken wollen.

Im Inwiler Gemeinderat war die Raststätte noch kein Thema. Dessen Präsident Josef Mattmann sagt, der Rat habe dem Projekt gegenüber sicherlich keine negative Einstellung.

Imbissbude auf dem Rastplatz

Auf dem Rastplatz St. Katharina stossen die Pläne derweil auf Ablehnung. Eine der beiden dortigen Imbissbuden gehört Pius Brun, dem ehemaligen Dorfmetzger von Inwil. Seine Metzgerei mit Gründungsjahr 1947 musste er vor einigen Jahren schliessen: «Es lief zu wenig, weil alle nur noch in die Shoppingzentren rennen.» Als 2008 die Raststättenpläne bekannt wurden, sammelte er dagegen Unterschriften. Im Hinblick darauf, dass ihm der Imbiss in absehbarer Zeit «weggenommen würde», suchte er eine Arbeitsstelle.

Brun produziert nebenbei noch immer Wurstwaren. Seine Frau beliefert damit täglich den Imbisswagen, wo drei Teilzeitangestellte arbeiten. «Unser Stand ist ein Farbtupfer, in meinem Handwerk steckt viel Herzblut. Die Raststättenpläne sind ein Angriff der Grossen auf Kosten von uns Kleingewerblern», sagt er. Der Imbisswagen verpflegt derweil keine Pendler, sondern vor allem Aussendienstmitarbeiter, «viele davon sind meine Stammkunden», fügt Brun stolz an. Er hofft, dass ihm das Astra noch nicht kündigt. «Ich möchte so lange hier bleiben, bis der erste Bagger auffährt.»

Am 2. Juli läuft die Ausschreibungsfrist ab. Nach dem Konzessionsentscheid wird es zügig voran gehen, ist sich Projektleiter Daniel Ender von der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur des Kantons Luzern sicher. Sobald die Baubewilligungsverfahren anstehen, kommt auch die Gemeinde ins Spiel. Mit der Eröffnung der A14-Raststätte ist im Jahr 2015 zu rechnen.

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