Neue Kommunikationsbeauftragte im Interview

«Nein, Glencore lügt nicht»

Neuerdings für die Kommunikation von Glencore in der Schweiz zuständig: Sarah Antenore vor dem riesigen Weihnachtsbaum im Foyer von Glencore in Baar.

(Bild: woz)

Wie kann man für die Kommunikation bei einer internationalen Firma wie Glencore arbeiten, die in der Öffentlichkeit für ihre Rohstoffgeschäfte ständig in der Kritik steht? Die 31-jährige Zürcherin Sarah Antenore erklärt sich gegenüber zentralplus in ihrem allerersten Interview. Und verspricht, dass sich das Baarer Unternehmen künftig noch mehr öffnen will.

zentralplus: Frau Antenore, wie kommt’s, dass Sie für eine Firma arbeiten, die in der Öffentlichkeit oft als «böse Firma» wahrgenommen wird – weil sie Menschen und Länder in Entwicklungsregionen ausbeute und ihrer Rohstoffe zu korrupten Preisen beraube?

Sarah Antenore: Ich habe mich seit längerem mit Glencore beschäftigt und festgestellt, dass diese Wahrnehmung falsch ist. Gerade in Entwicklungsländern beispielsweise ist Glencore ein wichtiger Arbeitgeber und trägt massgeblich zum wirtschaftlichen Fortschritt gewisser Regionen bei. Glencore macht eigentlich sehr viel im Bereich Nachhaltigkeit und unterstützt zahlreiche soziale Projekte. Zudem gehören Rohstoffe ja zu unserem Alltag. Sie stecken überall drin, in Velos, Smartphones, Autos. Glencore ist eine sehr vielfältige Firma, und das Geschäftsmodell ist ziemlich einzigartig. Es deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab – von der Gewinnung der Rohstoffe, ihrer Verarbeitung etwa in Raffinerien bis zum Transport, der Lagerung und dem Handel.

zentralplus: Aber was haben Ihre Freunde und Bekannte gesagt, als sie erfahren haben, dass Sie nun in der Kommunikation von Glencore arbeiten?

Antenore: Einige haben Glencore gar nicht gekannt. Anderen war Glencore nur durch die Medien ein Begriff. Entsprechend hatten ein paar auch ihre Vorurteile. Ich hatte bereits einige spannende Diskussionen. Gibt man den Leuten etwas mehr Hintergrund und erklärt, welche Rolle Rohstoffe in unserem Leben spielen, lösen sich viele Vorurteile auf.

zentralplus: Was wollen Sie mit Ihrer Medienarbeit bewirken?

Antenore: Mein Ziel ist es, mehr Verständnis für die Arbeit von Glencore zu schaffen und aufzuzeigen, dass sich das Unternehmen an weltweite Produktions- und Umweltschutzstandards sowie an Menschenrechte hält. Wir unterscheiden uns in dieser Hinsicht nicht von anderen Grosskonzernen in der Schweiz.

zentralplus: Aber kann man das «bad guys»-Image von Glencore überhaupt noch drehen?

«Wir müssen die Öffentlichkeit besser informieren.»

Antenore: Ich bin überzeugt, dass sich dieses Image drehen lässt. Dazu wird aber viel Aufklärungsarbeit nötig sein. Wir müssen die Öffentlichkeit besser informieren. Dass in unseren Minen etwa nach dem Safe-Work-Prinzip gearbeitet wird. Dass wir weltweit Steuern in Milliardenhöhe zahlen. Dass wir in den Gemeinden, in denen wir tätig sind, in die Infrastruktur investieren, etwa in Spitäler oder Schulen. Dass wir bis anfangs Jahr 15’000 Hektar an Bergbaugebieten rehabilitiert haben. Das entspricht fast der Fläche des Kantons Appenzell Innerrhoden. Solche Aufklärungsarbeit geschieht aber eben nicht von heute auf morgen oder in einigen Monaten – sondern ist ein langfristiger Prozess.

Früher gab's bei Glencore in Sachen Kommunikation höchstens ein paar Brocken Englisch. Nun wird leckeres Konfekt aufgetischt.

Früher gab’s bei Glencore in Sachen Kommunikation höchstens ein paar Brocken Englisch. Nun wird leckeres Konfekt aufgetischt.

(Bild: woz)

zentralplus: Eigentlich wirkt es ja schon wie eine Revolution, dass man von Glencore Informationen erhält. Vor gut zehn Jahren legte man bei Glencore einfach den Hörer auf, wenn ein Pressevertreter etwas wissen wollte. Dann bekam man ein paar englische Brocken hingeworfen. Und nun wird man als Journalist sogar in den heiligen Hallen von Glencore persönlich empfangen, erhält Informationen in deutscher Sprache, Kaffee und Konfekt. Kann man hier von einem Stategiewechsel sprechen?

Antenore: Strategiewechsel ist vielleicht zu viel der Rede. Aber man hat bei Glencore seit längerem erkannt, dass es nötig ist, sich in der Kommunikation weiterzuentwickeln. Dass es für einen Konzern, der seinen Hauptsitz in der Schweiz hat, wichtig ist, in einer der Landessprachen zu kommunizieren. Wir wollen künftig näher bei den Leuten und Ansprechpartnern für lokale Behörden und Medien sein. Das ist Teil einer langsamen Öffnung. Schliesslich ist Glencore eine Schweizer Firma und seit über 40 Jahren in Zug. Hier in Baar arbeiten rund 800 Mitarbeitende – über die Hälfte sind Schweizer.

«Wir müssen noch mehr mit den Menschen reden.»

zentralplus: Was heisst das konkret? Gibt es demnächst sogar einen Tag der offenen Tür bei Glencore?

Antenore: Im Mai hatten wir anlässlich unserer Generalversammlung bereits einen Medienanlass organisiert. Wir wollen aber noch mehr Kommunikationsarbeit leisten. Informationen zu unserem Konzern einfacher zugänglich machen. Noch intensiver mit NGOs, also mit Nichtregierungsorganisationen, zusammenarbeiten und neue Wege gehen, um den Leuten den Rohstoffsektor näherzubringen. Die Mitwirkung an der Ausstellung «BodenSchätzeWerte» ist beispielsweise ein solches Projekt. Die Ausstellung gibt Einblick in die Welt der Rohstoffe, wo sie verwendet werden und welche gesellschaftlichen Herausforderungen sie mit sich bringen.

zentralplus: Apropos Tag der offenen Tür. Neulich stand ja die Öffentlichkeit direkt bei Ihnen vor dem Haus. Sprich: Ein Häuflein Jusos demonstrierte wegen der Paradise Papers vor dem Glencore-Sitz in Baar (zentralplus berichtete). Wird man da bei Glencore nervös?

Antenore: Es war die erste Demonstration in Baar seit langem, deshalb waren einige Mitarbeitende schon überrascht. Mein Kollege Charles Watenphul und zwei weitere Arbeitskolleginnen haben sich den Demonstranten vorgestellt und sie eingeladen, hereinzukommen, eine Tasse Tee zu trinken und über ihre Bedenken zu sprechen. Diese lehnten das dann aber ab.

zentralplus: Weil Glencore die Presse nicht dabei haben wollte…

Antenore: Wir wollten ein normales Gespräch führen, dafür muss keine Kamera dabei sein. Wir haben die Demonstranten aber nochmals auf ein Gespräch eingeladen. Soweit ich weiss, haben sie sich bis jetzt noch nicht bei uns gemeldet.

Sarah Antenore hat auch einen italienischen Pass und stammt aus Lecce in Apulien.

Sarah Antenore hat auch einen italienischen Pass und stammt aus Lecce in Apulien.

(Bild: woz)

zentralplus: O.k. Vielleicht gibt es ein ja nächstes Mal. Das grössere Problem bleibt aus meiner Sicht, trotz verstärkter und verbesserter Medienarbeit von Glencore: Der Laie beziehungsweise der Medienkonsument weiss am Ende des Tages doch wieder nicht, was die Wahrheit ist. Wenn die NGOs wieder behaupten, Glencore habe die Umwelt zerstört und die Menschen ausgebeutet. Und bei Glencore heisst’s, man halte sich an internationale Standards. Wer lügt, wer nicht? Lügt etwa Glencore?

Antenore: Nein, Glencore lügt nicht. Denn Lügen haben kurze Beine. Ein paar NGOs schaffen es sicher gut, Dinge emotional darzustellen. Deshalb müssen wir mit den Menschen noch mehr reden. Wir müssen ihnen zeigen, wie wir arbeiten und dass das, was wir kommunizieren, keine leeren Worthülsen sind. Langfristig geht es darum, Vertrauen und Verständnis aufzubauen.

zentralplus: Vertrauen und Verständnis hat Glencore ja in den letzten Jahren in Zug schon durch verschiedene Sponsoring-Tätigkeiten aufgebaut. Beispielsweise tragen die EVZ-Spieler auf ihrem Trikot den Glencore-Schriftzug. Wäre es da nicht einfacher, der Zuger Bevölkerung mehr Geld durch Sponsoring zukommen zu lassen und so für ein noch positiveres Image zu sorgen?

«Wir wollen uns nicht die Gunst der Öffentlichkeit erkaufen.»

Antenore: Wir wollen uns die Gunst der Öffentlichkeit nicht erkaufen. Richtig ist, dass Glencore seit Jahren lokal engagiert ist. Wir unterstützen zahlreiche Sportvereine und Kultureinrichtungen. Die Förderung von Jugendlichen ist uns besonders wichtig. Wir hatten unsere Sponsoring-Aktivitäten bisher nicht so offen kommuniziert, möchten das aber ändern. Im November waren wir zum ersten Mal mit einem Stand am EVZ-Skateathon präsent. Die Leute haben sehr positiv darauf reagiert, das hat uns natürlich gefreut. Neuerdings sponsern wir übrigens auch das «Ägeri on Ice».

zentralplus: Und wenn Glencore Zug plötzlich ein neues Kunsthaus aus der Portokasse mitfinanzieren würde oder ein neues Fussballstadion in der Hertiallmend? Es ist ja im Prinzip nicht einzusehen, warum sich nur eine Schraubenfirma in Zug verewigen darf. Stichwort: Bossard Arena.

Antenore: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich so etwas in den nächsten Jahren realisieren lässt.

zentralplus: Wissen Sie eigentlich schon, wer dieses Jahr als Top Act bei der Glencore-Weihnachtsfeier auftreten wird? Es gibt ja bekanntlich in Zug Undercover-Journalisten, die dies mehr interessiert als die Arbeitsbedingungen peruanischer Kupferminenarbeiter.

Antenore: Da ich erst seit zwei Monaten im Haus bin, habe ich noch keine Weihnachtsfeier erlebt. Deshalb kann ich dazu leider nichts sagen.

zentralplus: Wie oft sehen Sie CEO Ivan Glasenberg?

«Er ist ein sehr zugänglicher Mensch.»

Antenore: Relativ häufig. Er ist ein sehr zugänglicher Mensch, kommt oft in unsere Abteilung und fragt uns, wie es uns geht. Er ist meistens der Erste, der im Büro ist, und der Letzte, der geht.

zentralplus: Und wie fühlen Sie sich persönlich als neue Mitarbeiterin bei Glencore?

Antenore: Ich fühle mich sehr wohl hier. Die Leute bei Glencore sind sehr herzlich und hilfsbereit. Und ich habe ein gutes Team an meiner Seite.

Zwischen Christbaum und pseudoromantischen Minen-Impressionen

Waren Sie schon mal in den «heiligen Hallen» von Glencore in Inwil? Gemeint ist nicht das Restaurant Fontana, in dem sicher jeder Zuger schon mal beim Essen war. Nein, die Rede ist vom Foyer von Glencore. Wer dieses dieser Tage betritt, ist natürlich absolut beeindruckt vom riesengrossen Christbaum – der einen, ganz «American like» geschmückt, direkt neben der Eingangstüre erwartet.

Man kann dann, platziert in der Sitzgruppe neben dem Empfang, der wiederum bestückt ist mit vier sehr freundlichen Damen, so kurz das Glencore-Feeling auf sich wirken lassen. Zum Beispiel, wenn tatsächlich CEO Ivan Glasenberg im weissen Hemd plötzlich durchs Foyer schreitet. Man hört viel Englisch. Eine der Empfangsdamen bietet einem sogar an, den lässig auf einen Sessel geworfenen Anorak an die Garderobe zu hängen.

Buch über Menschenrechtler

In einer beleuchteten Auslage, einer Art Regal, kann man neben der Sitzgruppe die verschiedenen Rohstoffe bestaunen, die Glencore weltweit so zu Tage fördert. Beeindruckend! Irgendwie überraschend wirken dagegen zwei Bücher beziehungsweise Bildbände zu Erlebnisberichten afrikanischer Frauen und zu internationalen Menschenrechtsgrössen.

Last but not least begegnen einem auf dem Weg zu den Toiletten, an der Wand im Gang, einige im Prinzip sehr künstlerisch gemachte, stimmungsvoll anmutende Farbfotographien von Winterimpressionen. Doch die im Schnee hin- und herfahrenden Minenlaster wirken sofort entromantisierend – stellt man sich die harte Arbeit der Minenarbeiter bei der eisigen Kälte vor.

Im edlen holzgetäfelten Konferenzzimmer im vierten Stock von Glencore fühlt man sich dann sofort sehr behaglich. Man blickt auf die Hochhaus-Skyline in Zug. Eine Service-Angestellte tischt einem einen sehr feinen, magenschonenden Milchkaffee auf – plus drei Nougatkonfektstücke.

 

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von ramatula
    ramatula, 04.12.2017, 12:37 Uhr

    Dieses Interview ist ein Paradebeispiel für Zuger Ignoranz: Hauptsache es gibt ein „Schöggeli“ zum Milchkaffee.
    Man lässt sich ein bisschen vom hübschen Kommunikations-Trudi hofieren und bestaunt den amerikanischen Weihnachtsbaum. Der „Ivan“ ist doch eigentlich ein ganz lieber und immer der Erste und Letzte im Büro. Wow, das macht Eindruck. Das Hauptinteresse liegt beim lokalen Fussball und Hockey: Wäre doch schön, wenn die Clubs ein paar Brosamen von den ergaunerten Milliarden abkriegen. Oder ein Milliönchen für die lokale Kunst – man kann es ja versuchen.
    Ein solches „Gefälligkeits“-Interview – einen Monat nach Veröffentlichung der Paradise Papers – ist völlig unverständlich.
    Zur Erinnerung: im Kongo ist Glencore einmal mehr in einen riesigen Korruptionsskandal verwickelt. Es geht um hunderte von Millionen Dollar, die in der Staatskasse Kongos fehlen – und dafür in den Taschen von korrupten Politikern und den Glencore-Millionären landen. Aber ja, das interessiert ja nur ein „Häuflein“ Jusos. Hauptsache sie haben in Baar Deutsch gelernt und es gibt feine „Schöggeli“.
    Sorry, Zentralplus, aber das könnt ihr besser.

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