Bloggerin rät Frauen, ihr Geld schlau anzulegen

Miss Finance aus Luzern: «Wenn ich unabhängig sein will, muss ich mich um meine Finanzen kümmern»

Angela Mygind hat vor knapp einem Jahr über Finanzen zu bloggen begonnen. Ihre Zielgruppe: Frauen. (Bild: zvg)

Dritte Säule, Fonds und Swiss Marketindex? Gähn! Die junge Luzerner Finanzbloggerin Angela Mygind sieht das ganz anders. Ausserdem sei es gerade als Frau enorm wichtig, die eigenen Finanzen schlau zu investieren. Bewusst wendet sich die 32-Jährige in ihrem Blog deshalb an Frauen.

Hand aufs Herz: Wie sehr interessierst du dich für deine Finanzen? Kümmerst du dich selber darum oder überlässt du es deinem Partner? Wenn ja, warum? Traust du es dir nicht so recht zu, dein eigenes Geld zu investieren oder bist du schlichtweg zu bequem?

Die Luzernerin Angela Mygind hat sich lange Zeit kaum um ihre Finanzen gekümmert. Bis sie irgendwann realisierte, dass sie deutlich besser fährt, wenn sie die Geschäfte nicht einfach einer Bank überlässt, sondern selber in die Hand nimmt. Aus ihren Erfahrungen im Bereich Investment entstand «Miss Finance», ein Blog, der sich explizit an Frauen richtet. Warum das durchaus Sinn ergibt, erzählte uns die 32-jährige Direktionsassistentin bei einer Tasse Kaffee in Zug.

zentralplus: Wann setzte bei Ihnen dieser Ahaeffekt ein, dass man es nicht der Bank überlassen muss, was mit dem eigenen Geld passiert?

Angela Mygind: Nachdem ich realisiert hatte, dass mir die Inflation beim 3a-Konto der Bank alles wegfrisst und ich keine Zinsen erhalte, habe ich eine Versicherung abgeschlossen mit einer Garantie. Mein Hintergedanke damals: Wenig Risiko und sicher keine Verluste. Die Kehrseite: Auch in Jahren, in denen ich gemäss Wirtschaftslage sechs Prozent Zinsen hätte erhalten müssen, erhielt ich nur maximal zwei. Durch die bezahlten Gebühren und Versicherungsleistungen gingen mir damit 6000 Franken durch die Lappen. Das war mir eine Lehre, denn letztlich muss niemand anderes mit diesen Konsequenzen leben als ich selber.

zentralplus: Was passierte dann?

Mygind: Ich begann mich einzulesen, weiterzubilden, kaufte mich aus der Versicherung raus und fing an, meine dritte Säule neu zu organisieren. Auch, wenn das jetzt blöd klingt: Plötzlich hatte ich das Gefühl, zu verstehen, wie die Welt funktioniert und das Thema fing an, mir richtig Spass zu machen. Dabei muss ich sagen, dass ich nie besonders gut in Mathe war und mich nie sonderlich für Zahlen interessierte. Das ist auch gar nicht nötig. Jedenfalls investierte ich anfangs vorsichtig und mit sogenannten ETFs, später auch in verschiedene Einzelaktien.

«Frauen gehen bei Finanzgeschäften in der Regel weniger Risiken ein. Vieles ist eine Frage des Mindsets.»

Angela Mygind, Finanzbloggerin

zentralplus: Auf die Details, was das genau bedeutet und worauf man beim Investment achten muss, würde ich gerne später eingehen. Zunächst jedoch: Sie haben Ihre Erfahrungen nicht nur für sich gemacht, sondern teilen diese im Blog «Miss Finance». Dabei richten Sie sich insbesondere an Frauen. Warum ist das sinnvoll?

Mygind: Die Informationen im Blog gelten zwar sowohl für Männer als auch für Frauen, doch habe ich bewusst eine Sprache gewählt, mir der ich selber gerne angesprochen werden würde. Von der Bank fühlte ich mich überhaupt nicht abgeholt. Es gibt einige Studien darüber, dass Frauen einen anderen Umgang mit Finanzgeschäften haben als Männer. So gehen Frauen in der Regel weniger Risiken ein. Vieles ist eine Frage des Mindsets.

«Viele Frauen überlassen die Finanzen ihrem Mann. Das ist doch zutiefst unfeministisch!»

zentralplus: Wie meinen Sie das?

Mygind: Wenn ich weiss, wie die Mechanismen beim Investieren funktionieren und wo die Risiken liegen, kann ich diese kalkulieren. Doch grundsätzlich müssen viele, darunter insbesondere Frauen, ihr Mindset betreffend ihrer Finanzen verändern. Gemäss einer Studie der UBS überlassen sieben von zehn Frauen die Finanzen ihrem Mann. Ich verwende zwar das Wort sehr ungern, aber: das ist doch zutiefst unfeministisch!

Häufig ist es ausserdem so, dass Frauen deutlich weniger Geld aus der Pensionskasse erhalten, da es nach wie vor so ist, dass nach der Familiengründung eher die Frau ihr Arbeitspensum reduziert und nicht der Mann. Kommt dazu, dass ein grosser Prozentsatz der Ehen in die Brüche geht und dass es dann oftmals die Frau ist, die finanziell den Kürzeren zieht. Wenn ich also als Frau unabhängig sein will, muss ich mich um meine Finanzen kümmern. Solche Themen in einer Partnerschaft zu besprechen ist zwar unangenehm, aber äusserst wichtig. Denn damit verändern sich auch die Abhängigkeiten.

zentralplus: Zwischen den Ehepartnern?

Mygind: Ja. Wenn beide Ehepartner ihr Geld so angelegt haben, dass ihre Rente gesichert ist, ist es viel einfacher, sich zu trennen. Viele Frauen, insbesondere in den früheren Generationen, liessen sich nur deshalb nicht scheiden, weil sie es sich nicht leisten konnten. Doch nicht nur geschlechterspezifisch, auch gesellschaftlich muss ein Umdenken zum Thema Geld stattfinden.

«Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Da gilt noch sehr stark die Prämisse, dass Investment etwas für Reiche ist.»

zentralplus: Das heisst?

Mygind: Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Da gilt noch sehr stark die Prämisse, dass Investment etwas für Reiche ist. Die meisten sparen, statt zu investieren. Überhaupt herrscht in den Köpfen noch sehr stark das Bild vor, dass reiche Menschen keine guten Menschen sind. Diese Glaubenssätze gilt es zu überdenken. Geld verändert den Charakter nicht zwingend. Ausserdem ist es nun einmal Fakt, dass jüngere Menschen davon ausgehen können, dass die ihre Altersvorsorge auf wackligen Beinen steht. Und dass wir sowohl von der AHV als auch von der Pensionskasse nur wenig erhalten werden.

zentralplus: Was raten Sie den heutigen Jungen?

Mygind: Zunächst einmal muss ich betonen, dass ich keine ausgebildete Finanzberaterin bin und im Blog nur meine eigenen Erfahrungen teile. Sinnvoll ist es, dass man drei bis sechs Monatslöhne anspart. Dieses Geld wird nicht investiert, bleibt also auf dem Konto und ist für Notfälle gedacht. Ein Haustier muss operiert werden, man hat eine unverhoffte Autopanne, solche Dinge eben. Dagegen muss man gewappnet sein, ohne dass man extra dafür seine Aktien verkaufen muss. Den Rest kann man investieren, wenn man möchte.

zentralplus: Sie haben vorhin die ETFs erwähnt, in welche Sie unter anderem investiert haben. Können Sie das ausdeutschen?

Mygind: ETFs sind ExchangeTraded Funds, also börsengehandelte passive Fonds. Man kauft beispielsweise einen Index, der 23 Industrienationen abbildet (bspw. den MSCI World). Dieser beinhaltet 1600 Unternehmen und ist dadurch sehr breit gestützt. Der Vorteile dieser Anlagestrategie sind zum einen die tiefen Gebühren und zum anderen das geringe Risiko.

Wenn nun einige dieser 1600 Firmen pleitegehen, ist der Einfluss auf das investierte Geld überschaubar. Ausserdem muss man sich nicht gross darum kümmern, wenn man das nicht will. Der Nachteil: Es lassen sich keine riesigen Gewinne machen und man kann die Unternehmen nicht einzeln aussuchen oder einige ausschliessen.

Angela Mygind ist im Luzerner Seetal aufgewachsen. (Bild: zvg)

zentralplus: Ein Investment in den bekanntesten Schweizer Aktienindex, den SMI, ist demnach risikobehafteter?

Mygind: Ja. Der SMI beinhaltet ungefähr 20 Titel, wovon Nestlé, Roche und Novartis alleine 50 Prozent ausmachen. Wenn die Nestlé-Aktie aus irgendwelchen Gründen in den Keller rauscht, spürt man das direkt. Aber auch das Gegenteil ist der Fall. Man geht ein Klumpenrisiko ein.

«Tendenziell sind es eher die Männer, die alle Pferde auf Tesla-Aktien setzen. Aber was, wenn Elon Musk unverhofft stirbt?»

zentralplus: Sie sprachen vorhin davon, dass Frauen weniger bereit seien, bei Geldinvestitionen ein Risiko einzugehen.

Mygind: Genau. Frauen setzen viel weniger auf schnelles Geld und investieren eher in ETF oder eine Kombination von ETF und Einzeltiteln von Firmen, die sie persönlich gut finden. Tendenziell sind es eher die Männer, die alle Pferde auf Tesla-Aktien setzen. Aber was, wenn Elon Musk unverhofft stirbt? Ich selber habe es so gemacht, dass ich in westlichen Ländern eher auf Einzelaktien setze, die ich toll finde. Für Schwellenländer wie etwa China habe ich ETFs gekauft.

Letztlich muss man sich immer die Frage stellen: Könnte ich mit einem Totalverlust leben? Wenn man unsicher ist, kann man auch einfach ein, zwei Aktien quasi als Testballon, kaufen. Was bei Frauen ebenfalls auffällig ist: Viele interessieren sich dafür, in nachhaltige Firmen zu investieren.

zentralplus: Ein Thema, das wohl immer wichtiger werden dürfte.

Mygind: Genau. Nur: Auch dort muss man sich zunächst die Frage stellen, was der Begriff «nachhaltig» für einen selber bedeutet. Geht es mir faire Löhne? Um Ethik? Um die Umwelt? Ist Tesla nachhaltig? Was passiert mit den Batterien, nachdem sie ausrangiert werden? Sind Windräder im Meer nachhaltig? Was machen die Vibrationen mit den Fischen?

Es gibt zwar heute Investmentmethoden nach sogenannten Environmental-, Social- and Governance- (kurz: ESG-) Kriterien, diese sind jedoch nicht besonders streng. In vielen Fällen handelt es sich um Greenwashing, also eher um geschickte PR-Tricks als um wirkliche Nachhaltigkeit. Es ist darum ein komplexes Thema, bei dem sicher viel Nachholbedarf besteht.

zentralplus: Sie haben vorhin gesagt, dass Investment bei Weitem nicht nur etwas für Reiche sei. Wie viel Geld muss man mindestens mitbringen?

Mygind: Leider sind in der Schweiz die Gebühren sehr hoch. Wenn ich bei Swissqoute, dem Marktführer, mein Geld anlege, zahle ich für jeden Aktienhandel um die 15 bis 30 Franken und dann mindestens 15 Franken pro Quartal an Depotgebühren. Da lohnt es sich schlichtweg nicht, nur 500 Franken zu investieren. Lehrlingen, die nur gerade 100 Franken investieren möchten, empfehle ich die holländische Handelsplattform Degiro, dort sind die Gebühren sehr tief. Dabei muss man sich einfach bewusst sein, dass es sich um EU-Recht handelt. Hat man mehr Geld zur Verfügung, eignet sich beispielsweise Swissquote.

zentralplus: Wo können sich Frauen, und natürlich auch Männer, abgesehen von Ihrem Blog, am besten über das Thema informieren?

Mygind: Es gibt sehr viele tolle Podcasts, etwa jener von «Madame Moneypenny». Sie ist sehr direkt und bringt es auf den Punkt. Weiter empfehle ich die Bücher von Beate Sander. Sie hat mit 65 Jahren angefangen zu investieren und war am Ende ihres Lebens zweifache Millionärin. Ausserdem ist der Youtube-Kanal «Finanzfluss» für Neulinge auf dem Gebiet sehr aufschlussreich. Bücher zum Mindset sind auch ein guter Einstieg. Hier eignet sich «Rich Dad Poor Dad» von Robert T. Kiyosaki oder «Die Kunst, über Geld nachzudenken» von Andre Kostolany.

«Auch wenn es zu einem Crash kommt: Ich habe ja immer im Hinterkopf, dass ich dieses Geld erst in dreissig Jahren brauche.»

zentralplus: Wie ging es ihnen zu Beginn der Pandemie, als die Aktienkurse ins Wackeln gerieten? Wurde Ihnen da nicht mulmig?

Mygind: Tatsächlich muss man es aussitzen können, dass all das angelegte Geld in den roten Bereich rutscht. Viele haben ihre Aktien aus Panik verkauft. Doch ich habe ja immer im Hinterkopf, dass ich dieses Geld erst in dreissig Jahren brauche. Wenn ich mir das vor Augen führe, hilft das, nicht voreilig zu handeln. Ausserdem hat ein Crash auch sein Gutes. Letztes Jahr konnte ich mir endlich eine Google-Aktie leisten. Darauf habe ich lange gewartet.

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