Weiterer Druck auf Wohnungsmarkt?

Milliardenkonzern zieht nach Zug – und sorgt für Kritik

Der Warenprüfkonzern SGS will in den Kanton Zug ziehen. (Bild: zvg)

Der weltgrösste Warenprüfer SGS zügelt voraussichtlich seinen Hauptsitz von Genf in den Kanton Zug. Den Zuger Finanzdirektor freuts, andere nicht.

Kleider, Staubsauger, Lebensmittel: Wenn ein Hersteller solcher Produkte diese prüfen lassen will, bietet die SGS ihre Dienste an. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Genf wurde vor rund 150 Jahren gegründet. Mittlerweile ist der Konzern zum weltweit grössten Warenprüfer gewachsen. Er erwirtschaftete 2024 einen Umsatz von 6,8 Milliarden Franken und beschäftigt weltweit knapp 100’000 Mitarbeiter.

Nun ist um das Unternehmen, das in der breiten Öffentlichkeit vergleichsweise wenig bekannt ist, Unruhe entstanden. Der Grund: Die SGS – früher Société Générale de Surveillance – will ihren Hauptsitz von der Westschweiz in den Kanton Zug verlegen, wie im Februar bekannt wurde. Der Genfer Wirtschaftsförderer Vincent Subilia ist verärgert: «Niemand versteht den Entscheid», zitiert ihn die «Handelszeitung».

Will die Chefetage den Hauptsitz lieber vor der eigenen Haustür?

Der Vorwurf: Die Konzernchefin Géraldine Picaud und die Chefetage der SGS würden aus Eigennutz handeln. Denn Picaud wohnt in Zug, die Finanzchefin im schwyzerischen Freienbach und der Chefjurist in Urdorf (ZH). Es sei naheliegend, dass sie den Hauptsitz in ihrer Nähe haben wollten. Auch die in Genf ansässige Stiftung Ethos wehrt sich und sagt, der Umzug würde teurer werden, falls eine Mehrheit der Mitarbeiter in Genf nicht in die Zentralschweiz ziehen würde. Schweizweit hat der Konzern rund 350 Angestellte.

Die SGS erwidert, der Entscheid sei aufgrund einer Standortstudie gefällt worden. «Die Governance-Regeln eines kotierten Unternehmens erlauben es nicht, Entscheidungen auf Basis der persönlichen Umstände eines Managementmitglieds zu treffen.» 

Die Konzernchefin nannte an einer Pressekonferenz im Februar die Gründe für den möglichen Umzug: Der Hauptsitz in Genf stehe weitgehend leer. 12’000 Quadratmeter gross sei er und damit viel zu gross für die dort beschäftigten Mitarbeiter. Doch in trockenen Tüchern ist der Umzug in den Kanton Zug – angedacht ist laut der «Handelszeitung» Baar – noch nicht. Am 26. März findet die Generalversammlung statt. Diese wird abschliessend über das Vorhaben entscheiden.

Aktionär befürchtet, dass die Wohnraumknappheit verschärft wird

Doch nicht nur in Genf gibt es kritische Stimmen. Auch ein Zuger Aktionär, der gegenüber zentralplus anonym bleiben möchte, hält wenig von den Umzugsplänen. Aus einem anderen Grund: Sollte der Konzern tatsächlich in die Region ziehen, würde sich die Wohnungsnot verschärfen, so seine Befürchtung. Dies, da auf einen Schlag 350 neue Arbeitsplätze im Kanton Zug entstehen würden.

Zur Erinnerung: In keinem anderen Kanton stehen prozentual so wenige Wohnungen frei wie in Zug. Im vergangenen Jahr lag die Leerwohnungsziffer bei 0,39 Prozent (zentralplus berichtete). Heisst: Von 100 Wohnungen war weniger als eine frei.

Der Aktionär kritisiert auch den Zuger Regierungsrat. Dieser habe sich aktiv um die SGS bemüht und trage damit zur Verschärfung der Lage bei.

Tännler: «Wir haben die Vorteile aufgezeigt»

Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) entgegnet auf Anfrage von zentralplus: «Wir freuen uns, dass SGS beabsichtigt, den Sitz nach Zug zu verlegen, und denken, dass das Unternehmen sich im Wirtschaftsraum Zug/Zürich gut weiterentwickeln kann.» Seit Jahren gebe es unter den Kantonen ein Gentlemen’s Agreement, wonach keine in anderen Kantonen bereits ansässige Firmen angesprochen oder abgeworben werden. Der Kanton Zug halte sich strikt an diese Vereinbarung.

Die SGS habe von sich aus eine Standortevaluation vorgenommen und verschiedene Kantone angefragt, führt Tännler aus. «Wir haben dabei die Fakten und Vorteile als Wirtschafts- und Lebensraum aufgezeigt. Mitunter reicht es aus, freundlich und dienstleistungsorientiert zu sein und potenzielle Zuzüger nicht zu vergraulen, ohne dass es umfangreicher Akquisitionsmassnahmen bedarf.»

Der Konzern habe öffentlich erklärt, dass steuerliche Überlegungen beim geplanten Umzug nicht die zentrale Rolle spielen würden, sagt Tännler. Die «Handelszeitung» gibt dem insofern recht, als sie schreibt, dass der Steuerwettbewerb kein Argument zu sein scheine. «Die OECD-Mindeststeuer von 15 Prozent gilt für Genf wie für Zug.»

Zug habe das Unternehmen am meisten unterstützt

Auf diesen Punkt geht die SGS in einem Schreiben an die Aktionäre, das zentralplus vorliegt, nicht direkt ein. Doch sie schreibt: Die Wertschöpfung aufgrund des Umzugs von Genf nach Zug sei rund doppelt so hoch wie ein Umzug in ein neues Gebäude in Genf. Zug biete ein geschäftsfreundliches Umfeld. Und die Vertreter des Kantons Zug hätten das Unternehmen eindeutig am meisten unterstützt.

Weiter seien Zug und Zürich attraktiver für internationale Geschäftsleute, was es auch einfacher mache, talentierte Angestellte zu finden. «Zug ist die beste Option für die SGS, für ihre Aktionäre, ihre Mitarbeiter und ihre Kunden.»

Doch der Konzern versucht im Schreiben auch, die Aktionäre zu beruhigen. 20 Prozent der in der Schweiz angesiedelten Mitarbeiter sollen in Genf bleiben. «Wir kehren Genf nicht den Rücken zu.»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Zuger Aktionär der SGS
  • Aktionärsbrief der SGS
  • Schriftlicher Austausch mit Heinz Tännler, Finanzvorsteher des Kantons Zug
  • Artikel der «Handelszeitung»
  • Artikel der «NZZ»
  • Homepage der SGS
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