Fachklasse Grafik wegsparen?

«Mich kann man brauchen»

Würde alles wieder genauso machen: Loana Boppart, Studierende der Fachklasse Grafik. (Bild: bra)

Wir treffen die 20-jährige Loana Boppart, die in den alten Gemäuern an der Rössligasse 12 studiert. Sie ist im vierten Lehrjahr der Fachklasse Grafik und ärgert sich über die drohende Schliessung ihrer Schule. «Sie hat mir wertvolles Selbstvertrauen gebracht.» Und vieles mehr.   

Loana Boppart ist empört. «Ich finde das sehr schlimm», sagt die Grafikstudentin zu den Plänen der Luzerner Politik. Vor Kurzem hörte sie die Hiobsbotschaft, dass ihre Schule, die Fachklasse Grafik, möglicherweise geschlossen werden könnte. 

Die Luzerner Regierung will 2,9 Millionen Franken sparen (zentral+ berichtete). Am Donnerstag, 22. Oktober, werden die Pläne vom Regierungsrat wohl bestätigt. Dann wird das neue Sparpaket vorgestellt. 

«Man sieht doch, wie viele gute Absolventen diese Schule hervorbringt.»

Für ein Interview treffen wir die 20-jährige Loana Boppart, die in den alten Gemäuern an der Rössligasse 12 studiert. Anfänglich wirkt sie etwas scheu und zurückhaltend. «Die Grafikklasse hat so einen guten Ruf. Ich kann das nicht begreifen», sagt sie. An den Wänden hinter ihr hängen Skizzen, auf den Pulten stapeln sich zahlreiche Vorlagen und Bücher für Schriftbilder und Kompositionen. Boppart ist im vierten Lehrjahr und ihre Abschlussprüfungen stehen bald an. Nächsten August wird sie die Ausbildung abschliessen.

Rüffel von Designkommission

Die Fachklasse Grafik gehört zum Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrum des Kantons und bietet ein Vollzeit-Studium mit gestalterischer Berufsmatura an.

Am Mittwoch hat sich auch die Eidgenössische Designkommission entschieden gegen die vom Regierungsrat des Kantons Luzern im Rahmen von Sparmassnahmen geplante Schliessung der Fachklasse Grafik Luzern ausgesprochen. Die vorgeschlagene Schliessung der Fachklasse sei in jeder Hinsicht unverhältnismässig und in keiner Weise nachvollziehbar, so die Designkommission.

Sie würde alles genauso machen

Nach Angaben von Fachleuten studiert Loana Boppart an der «besten Grafikschule» der Schweiz. «Man sieht doch, wie viele gute Absolventen diese Schule hervorbringt», sagt sie. Damit die Dagmersellerin vor gut drei Jahren überhaupt in die Grafikklasse aufgenommen wurde, musste sie zuerst eine Berufsmatura-Aufnahmeprüfung sowie eine gestalterische Prüfung bestehen. 

Sie sei das beste Beispiel für eine erfolgreiche Ausbildung, sagt sie. Und würde alles nochmals genauso machen. «Die Schule hat mir wertvolles Selbstvertrauen gebracht. Ich kann mit Mut, vielen Ideen und dem nötigen Handwerk meine Laufbahn als Grafikerin beginnen.»  

«Das war cool. Die Plakate hingen überall.»

Den Glauben an ihre Fähigkeiten habe sie vor allem durch die praktischen Arbeiten hier gewonnen. Das sei das Grundprinzip dieser Schule. «Wir spielen hier alles so durch, als wäre es real. Wir bekommen viele Gelegenheiten und Aufträge aus der Praxis.» Die Schüler bekommen es mit Kunden zu tun und müssen die erlernte Theorie dann eins zu eins anwenden. «Dann erhält man die nötigen Feedbacks, ob man die Arbeit schliesslich gut oder eher schlecht erfüllt.»

Boppart gewann zum Beispiel einen schulinternen Wettbewerb und durfte so ein Plakat für das Master-Abschlusskonzert 2014 der Hochschule Luzern – Musik entwerfen. «Das war cool. Die Plakate hingen dann überall», sagt sie und lacht etwas verlegen. 

Berlin: Tolle Erfahrung

Die Studierende erzählt von ihrem Praktikum in Berlin. Nun sprudelt es nur so aus ihr heraus. Insgesamt sechs Monate war sie dort. «Ich habe mir alles selber organisiert. Vorher hatte ich einen Flyer des Berliner Grafikers Sven Lindhorst-Emme gesehen. Es war für eine Ausstellung in Berlin. Der Flyer hat mir so gut gefallen, da habe ich ihm einfach geschrieben.» Der Berliner sagte zu und Boppart war überglücklich. «Es war eine grossartige Erfahrung.» 

«Ohne das Geld hätte ich nie nach Berlin gekonnt.»

Als Praktikantin verdiente sie gerade mal 100 Euro im Monat. «Was ich gelernt habe, ist für mich viel wichtiger als das Geld», sagt sie. Die Kosten für den Aufenthalt in Berlin, insgesamt rund 5’000 Franken für Reise, Kost und Logis, wurden mehrheitlich von Fördergeldern übernommen. Das EU-Programm «Leonardo» unterstützt studienbezogene Unternehmenspraktika mit einer Mindestdauer von drei Monaten. Gewohnt hat die Schülerin im Stadtteil Neukölln. «Ohne das Geld hätte ich nie nach Berlin gekonnt. Meine Eltern sind nicht besonders reich, wenn man so will.» 

Den Laden alleine geschmissen

Boppart habe in Berlin viel profitieren können. Ihr Chef Sven Lindhorst-Emme führte einen Einmann-Betrieb, was in der Grafikerbranche üblich ist. Lindhorst-Emme arbeitete daneben noch beim international renommierten und grossen Grafikdesigner «Fons Hickmann».

Loana schmiss den Laden zwei Tage in der Woche alleine. Sie konnte den Lehrmeister vertreten, wenn dieser nicht da war. «Das war toll. Ich durfte ihn ersetzen und alles auch so machen, wie er es gemacht hat. Ich musste nicht Kaffee bringen oder WC putzen, sondern habe richtig gestaltet und konnte die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit kennenlernen.»

«Als Schülerin im ‹IDPURE›: Das ist super.»

Der Berliner Lehrmeister brachte seine Praktikantin dann auch ins «IDPURE», das renommierteste Grafikmagazin der Schweiz. «Ich bin tatsächlich da drin», sagt Boppart stolz und zeigt ihre Arbeit. «Als Schülerin im ‹IDPURE›: Das ist super.»

In der Rückmeldung des Lehrmeisters steht es denn auch Schwarz auf Weiss: «Frau Boppart ist sehr gut ausgebildet. Ich konnte mich immer zu 100 Prozent auf sie verlassen. Schöne Arbeiten konnte ich komplett in ihre Verantwortung übergeben.» Für Boppart ist das Zeugnis Gold wert und sie lächelt. «Mich kann man offensichtlich brauchen.» 

Ein Buch zu einer Ausstellung in Berlin: Loana Boppart präsentiert eine von vielen Arbeiten aus dem Praktikum.

Ein Buch zu einer Ausstellung in Berlin: Loana Boppart präsentiert eine von vielen Arbeiten aus dem Praktikum.

(Bild: bra)

Was bringt die Zukunft?  

Eine Stelle nach der Ausbildung habe sie noch nicht in Aussicht. «Das klingt so, als ob es für Grafiker keine Jobs geben würde», sagt sie. Sie sei erst am Anfang des 4. Lehrjahrs und es sei noch zu früh, um bereits einen Job zu suchen. «Ich werde es auf mich zukommen lassen. Ich weiss es noch nicht genau.»

Vielleicht werde sie zusammen mit einer Kommilitonin ein eigenes Grafikbüro eröffnen. «Das wäre unser Traum. Wir würden dann sehr klein anfangen.» Gleichzeitig sei sie sich bewusst, dass die Selbstständigkeit sehr hart sei. «Es ginge dann Schritt für Schritt. Wir würden uns Auftraggeber suchen und uns dann langsam einen Namen machen.» 

Für die Schule auf die Strasse   

Letzteres sei übrigens genau der Punkt, warum es diese Schule brauche. Grafikbüros hätten gar keine Ressourcen, um Lehrlinge auszubilden, sagt Boppart. «Die meisten sind Freelancer, fangen klein an und expandieren, wenn sie sich etablieren. Viele könnten es sich gar nicht leisten, Lehrlinge auszubilden. Sie verfügen weder über die Zeit noch das Geld dazu.» 

«Es wird ein Workshop gegen die drohende Schliessung stattfinden.»

Geht es allerdings in Richtung kommerzielle Produktwerbung, gäbe es mehr Jobangebote als im Bereich Kunst, Kultur und Veranstaltungen. Sie sei zuversichtlich. «Ich glaube, das klappt. Ich kenne viele Absolventen, welche eine Stelle haben, sich selbstständig gemacht haben oder im Ausland arbeiten. In Berlin oder San Francisco zum Beispiel.» 

Am Freitag wird Loana Boppart zusammen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern an einem internen Workshop arbeiten. «Wir machen uns Gedanken über die drohende Schliessung unserer Schule. Das Ganze soll – wie könnte es auch anders sein – grafisch verarbeitet werden. Zudem läuft noch immer eine erfolgreiche Petition (zentral+ berichtete). Mittlerweile sind es über 10’000 Unterzeichner. «Wir wollen die Leute aufmerksam machen. Sie sollen für unsere Schule einstehen.» 

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