Fairer Handel mit Textilien

Melanie Winigers erste Kollektion kommt aus Rotkreuz

Patrick Hohmann unter Baumwollfarmern in Indien. Hier startete der Bioanbau von Baumwolle (Bild: Foto Remei)

Seit 22 Jahren geschäftet die Firma im zugerischen Rotkreuz, aber kaum einer kennt sie. Die Remei AG, ein Handelshaus für biologisch und fair produzierte Baumwolle und Kleider. Im kommenden Jahr will das Unternehmen vermehrt an die Öffentlichkeit treten, um seine Mission unter die Konsumenten zu bringen: Das umweltschonende Geschäften zu fairen Bedingungen.

Im kommenden Februar wird die Schauspielerin Melanie Winiger unter dem Label Coop Naturaline ihre erste selber kreierte Mode-Kollektion vorstellen. Das hat sie bereits angekündigt. Die Modefreundinnen dürfen sich, so Melanie Winiger in einer Werbebotschaft, auf den sogenannten Boyfriend-Cut freuen. Sie möge Asymmetrien, spezielle Ärmelaufschläge oder einzigartige Ausschnitte. Deshalb nenne sie die Kollektion «Basic with an Edge».

 Arbeit im Hintergrund

Winigers Mode wird wohl ihre Publizität kriegen. «Naturaline bei Melanie Winiger» könnte im Februar ein Zeitungstitel lauten. Vielleicht wird am Rande noch vermerkt, dass Winiger eine Markenbotschafterin für dieses Label ist. Aber sonst? Wird man gross darüber sprechen, woher die Baumwolle stammt und wer die Kollektion geschneidert hat? Wohl kaum.

Diese Arbeit im Hintergrund – den Anbau der Bio-Baumwolle, die Verarbeitung und die Konfektion – managed die Firma Remei AG in Rotkreuz. Kaum einer kennt das Unternehmen, obschon es bereits seit 22 Jahren hier tätig ist.

«Warum kennt man Sie nicht in der Öffentlichkeit?», wollen wir vom 63-jährigen Firmengründer und Geschäftsführer Patrick Hohmann wissen. Im Interview über Skype – Hohmann ist gerade im Ausland – zögert er lange mit der Antwort, um dann endlich zu kontern: «Haben Sie keine anderen Fragen?»

Enge Zusammenarbeit mit Baumwollfarmern

Dass man die Remei AG kaum kennt, hat mit der sprichwörtlichen Bescheidenheit von Patrick Hohmann zu tun, aber auch mit der Positionierung der Firma im Baumwollmarkt. Denn die Remei AG verkauft ihre Produkte nicht direkt an Endverbraucher, sie handelt mit fair produzierter Bio-Baumwolle, organisiert die Weiterverarbeitung vor Ort in Indien und Tansania, managed die Produktion der Textilien und den Transport zu den Detailhandelsgeschäften: Sie hält sozusagen alle Fäden in der Hand.

Dazu hat die Firma in den letzten Jahrzehnten eine breite Basis geschaffen. 8’400 Baumwollfarmer in Indien und Tansania produzieren den Rohstoff für die Remei AG, rund 84’000 weitere Familienmitglieder profitieren davon. Hinzu kommen 54 selbständige Textilbetriebe, wo die Bio-Baumwolle beispielsweise zu T-Shirts verarbeitet wird. Die Produzenten in Indien und Tansania sind Patrick Hohmanns «Familie». Ihr fühlt er sich verpflichtet.

Hoher Preis für Pestizide und Insektizide

Diese Familie gibt es zu Beginn von Patrick Hohmanns Unternehmertätigkeit noch nicht. Hohmann, in Ägypten geboren, im Ausland aufgewachsen und zum Textilingenieur ausgebildet, ist zunächst im Garnhandel und im Aufbau von internationalen Textilprojekten engagiert. 1983 gründet Patrick Hohmann als Geschäftsführer die Garnhandelsgesellschaft Remei AG in Rotkreuz.

Patrick Hohmann ist in Afrika und Indien viel unterwegs. Er sieht, wie die Baumwollfarmer arbeiten. «Sie verdienten einen Dollar pro Kilogramm Baumwolle, doch davon gingen 60 Cent für Pestizide und Insektizide drauf. Den Bauern ging es nicht gut, auch gesundheitlich nicht.»

Das bringt Patrick Hohmann ins Grübeln. Er kann zwar am Ende seiner Geschäftsreisen wieder abhauen ins «saubere» Europa. Doch die Situation der Baumwollbauern lässt ihm keine Ruhe. 1991 gründet er zusammen mit lokalen Partnern in Indien die «bioRe®India», kurz darauf die «bioRe®Tansania». Hohmann wird ein Pionier des Bio-Baumwollanbaus. Er wird ausgelacht, Bio ist kaum ein Thema. Die Max-Havelaar-Stiftung zum Beispiel startet mit der Bio-Baumwolle erst zehn Jahre nach ihm.

Extraprämie für die Farmer

Heute hat sich Hohmanns Zusammenarbeit mit den Bio-Baumwollfarmern gefestigt. «Wir und unsere Partner in Indien und Tansania sind eine Schicksalsgemeinschaft», sagt Patrick Hohmann. «Wir gehen mit unseren Produzenten lange Partnerschaften ein; wir garantieren den Bauern die Abnahme der Baumwolle und wir zahlen auf den Marktpreis eine Prämie von 15 Prozent.»

Das bedeutet Verpflichtung. Für die Remei AG kommt nicht in Frage, was auf den globalisierten Textilmärkten andauernd passiert: Grosse Kleiderketten wechseln den Produktionsstandort, wenn irgendwo noch billiger produziert werden kann oder wenn Schwierigkeiten auftauchen wie jüngst in Bangladesh: Nachdem eine marode Fabrik eingestürzt war und tausend Näher und Näherinnen getötet wurden, suchten internationale Handelsketten das Weite.

Rotkreuz: Drehscheibe für fairen Handel

Die Büros der Remei AG liegen in einem schmucklosen Zweckbau im Industriequartier von Rotkreuz. Die Arbeitsräume für die 21 Mitarbeitenden sind riesig, überall stehen gepresste Baumwollballen oder Körbe mit flockiger Baumwolle am Boden, Kleiderständer mit den neuesten Kollektionen ziehen sich den Wänden entlang.

Doch das alles ist nur zur Dekoration oder zur Anschauung. Denn die Kleider kommen nie nach Rotkreuz, sondern gehen direkt von der Fertigung in Indien und Tansania in den Einzelhandel. In Rotkreuz wird nur gehandelt, konzipiert und organisiert.

BioRe Sozialprojekte

Die Remei AG hat 1997 die BioRe®-Stiftung gegründet. Diese Stiftung fördert die Aus- und Weiterbildung der Baumwollfarmer in Indien und Tansania. Sie sorgt auch für den Know-how-Transfer, den Organisationsaufbau und die Kapitalbildung vor Ort.

Daneben baut die BioRe-Stiftung Dorfschulen, Biogas-Anlagen für Kochzwecke und Brunnen für sauberes Trinkwasser. Ausserdem engagiert sich die Stiftung in der Gesundheitsversorgung.

Die Remei AG zahlt 20 Prozent ihres Gewinns in die BioRe-Stiftung ein. Weitere Beträge werden von Freunden und von Firmenkunden einbezahlt. Zu den grössten Spendern gehört Coop. Pro Jahr stehen der BioRe-Stiftung rund eine halbe Millionen Franken zur Verfügung. In diesem Jahr wurde von Coop zusätzlich die erste von drei geplanten Mittelschulen finanziert.

 

Das jedoch nach strengen Standards. Verkaufsleiterin Diane Gerth startet am Computer eine Power-Point-Präsentation und zeigt auf, wie die Firma – neben der biologischen Produktion – den fairen Handel sicherstellt. Fair trade bedeutet für die Remei AG: Menschenwürdige Arbeitsverhältnisse, keine Kinder- und Zwangsarbeit, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Gewerkschaftsfreiheit, keine Diskriminierung, geregelte Arbeitszeit, und so weiter.

Rückverfolgbar bis zum Baumwollfarmer

Das ist noch nicht alles. Die Remei AG setzt in der ganzen Wertschöpfungskette keine giftigen Chemikalien ein, produziert CO2-neutral und sämtliche Produkte sind vollständig rückverfolgbar. «Diese Glaubwürdigkeit», sagt Verkaufsleiterin Diane Gerth, «ist für uns ein wichtiges Verkaufsargument». In der Praxis geht das so, dass Konsumentinnen und Konsumenten über eine sogenannte Traceability-Nummer die Herkunft der Kleider überprüfen können.

Die Nummer finden Käuferinnen und Käufer auf den Kleideretiketten. Sie können die Nummer auf der Website www.bioRe.ch eingeben und dabei erfahren, wer auf allen Prozesstufen am Kleidungsstück gearbeitet hat. Sämtliche Tätigkeiten der Firma werden von unabhängigen Zertifizierungsstellen überprüft.

«Die Konsumenten müssen sich mit den Kleidern beschäftigen», sagt Patrick Hohmann dazu, «sie müssen eine Beziehung aufbauen zum Produkt, seiner Herstellung und seiner Herkunft. Die Konsumenten müssen sich verantwortlich fühlen». Anders würde ein Ändern des Bewusstseins gar nicht funktionieren. «Ein solches Engagement», fügt Verkaufsleiterin Diane Gerth hinzu, «ist eine Herzensangelegenheit.»

Kooperation als Glücksfall

Heute kontrolliert die Remei AG fünf bis zehn Prozent der weltweit gehandelten Bio-Baumwolle. Eine wichtige Rolle spielt dabei Coop. Der Detailhändler stieg früh ein bei der Remei AG und entwickelte sich zu einem mächtigen Transmissionsriemen für die Vermarktung der Bio-Baumwolle. «Diese Kooperation ist ein Glücksfall», sagt Patrick Hohmann.

Bei den Coop-Eigenmarken stammen heute 50 Prozent aller Baumwollprodukte aus der Bio-Produktion der Remei AG. Mit der Zeit kommen weitere Vertriebskanäle hinzu. So führen unter anderem die Outdoor-Ausrüster Stöckli-Ski, Mammut und Globetrotter die Remei-Kleider im Sortiment, aber auch Greenpeace, Grüne Erde und die französische Warenhauskette Monoprix.

Fashion mit Mehrwert

Dabei ist die Remei AG den «Gesetzen» des Marktes ausgesetzt. «Wie alle Konkurrenten auf dem Textilmarkt kochen auch wir nur mit Wasser», sagt Diane Gerth. Die ausgebildete Textilmanagerin, seit acht Jahren bei der Remei AG tätig, sagt: «Die Textilien müssen im Markt bestehen, sie müssen modisch und bequem sein und den Kunden gefallen. Unsere Kleider sollen Fashion-Produkte sein.»

Dabei haben die Produkte aus Konsumentensicht einen gewichtigen Nachteil: Sie sind etwas teurer als die namenlose Massenware der grossen Textilketten. «Wir bieten aber mehr als Fashion, wir bieten einen Mehrwert, indem wir ökologische und soziale Standarts einhalten», sagt Diane Gerth.

Bei neuen Trends langsamer

Dabei muss auch die Remei AG «mit der Zeit gehen». Das heisst, sie muss auf Trends reagieren und sie aufnehmen. Das stürzt die Firma immer wieder in knifflige Probleme. Zum Beispiel dann, wenn gerade bestimmte Drucktechniken für die Stoffe in Mode sind, Gold- oder Silberbedruckungen etwa. «Wenn wir solche Trends aufnehmen, sind wir langsamer als die Konkurrenz, da brauchen wir mehr Vorlaufzeit», sagt Diane Gerth. «Denn auch da wollen wir die ökologischen Anforderungen einhalten.»

Das bedeutet: Remei muss in der ganzen Fertigungskette darauf achten, dass die ökologischen Kriterien eingehalten werden und nicht plötzlich Druckfarben mit giftigen Inhaltsstoffen verwendet werden. «Wir färben oder bedrucken unsere Stoffe so, dass Menschen, die sie herstellen oder tragen, nicht gefährdet werden.»

Erstmals mit eigenem Label

Um das Unternehmen weiter abzusichern, wagt jetzt die Firma zum ersten Mal den Marktauftritt mit einem eigenen Modelabel. Im Januar soll es an der Ethical Fashion Show und der Modemesse Panorama in Berlin vorgestellt werden. Das Label heisst OC, eine Abkürzung für Outfitters of Change. «Jedes Kleidungsstück hat eine Geschichte» heisst es dazu in der Werbung. «Um in der Mode etwas zu bewegen, macht OC die Herstellung jedes Kleidungsstücks transparent und richtet sich dabei nach fünf Grundsätzen». Wir kennen sie schon: biologisch, fair, ökologisch, transparent und CO2-neutral.

Mit dem neuen Label setzt sich die Remei AG einer harten Konkurrenz aus. Denn der Markt mit Kleidern aus Bio-Baumwolle ist mittlerweile sehr gross geworden, und die Konsumenten haben längst die Übersicht verloren, welche Firma nun eigentlich für welche Standards einsteht.

«Der Markt trennt sich in ein «schnelles Bio» und in ein «Qualitäts-Bio» auf», erklärt Patrick Hohmann den Trend. «Schnelles Bio weist mit einem Zertifikat aus, dass die Produktion biologisch ist, ohne sich weiter um deren Herstellung zu kümmern. Das «Qualitäts-Bio», wie wir es machen, ist zusätzlich sozial.» Das bedeutet, die Firma kümmert sich um die Bauern, um ihre Ausbildung, um die Schulen für die Kinder und um die Gesundheitsversorgung (siehe Kasten).

Ernteverlust in Indien

Doch die Remei AG kämpft auch mit harten Rückschlägen. Wie etwa im letzten Jahr, als die Firma in Indien die gesamte Bio-Baumwollernte verlor. «Wir hatten in Indien Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Organismen», sagt Geschäftsführer Patrick Hohmann. «Die Bauern nutzten alten Samen, der aber nicht mehr richtig keimte. Darum mischten sie neuen Samen dazu, und der war mit gentechnisch veränderten Organsimen versetzt.» Der finanzielle Verlust – über eine halbe Millionen Franken – war gross, denn Remei musste die Ernte als konventionell produzierte Ware verkaufen.

«Das Problem verschärft sich in Indien massiv», erklärt Patrick Hohmann, «es gibt kaum noch gentechfreien Samen.» Deshalb arbeitet die Firma mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick zusammen. Seit vier Jahren forscht nun das FiBL, um neuen biologischen Baumwollsamen zu entwickeln.

Gewinnstreben nicht im Vordergrund

Die Remei AG, die gegen 20 Millionen Franken Umsatz und einen Unternehmensgewinn von rund 340’000 Franken (Geschäftsjahr 2011/12) erzielt, will so ihre Zukunft sichern. «Es ist kein Riesengeschäft», sagt Patrick Hohmann, «wir haben eine gesunde Bilanz, und das reicht.» Es gehe nicht um mehr Gewinn, sondern um den biologischen und den fairen Handel. «Man muss das wollen.»

Was ist denn das für ein Gefühl, so viel Gutes zu tun? Patrick Hohmann überlegt lange, die Frage scheint ihm ungewohnt zu sein. «Das ist mein Leben», sagt er schliesslich, «das ist meine Aufgabe, das ist meine Arbeit.» Auf den Einwand, dass sich die Leserin und der Leser darunter nur wenig vorstellen können, führt er aus: «Wenn ich sehe, dass in Indien oder in Tansania ganze Täler auf den Bioanbau umgestellt haben, wenn ich sehe, wie die Artenvielfalt in der Natur zurück ist und wenn ich sehe, dass in den Dörfern neue soziale Gemeinschaften entstehen und neue Schulen, dann ist das ein gutes Gefühl. Das ist ein Beitrag gegen die Armut und gegen die Landflucht.»

Er sagt das so, als hätte er gar nichts damit zu tun. Aber man nimmt es ihm ab.

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