Trotz hohen Preisen grosse Nachfrage bei Deutschen

Luzerner Weihnachtstrend 2016: Der Gänsebraten

80 Weidegänse werden auf dem Schulerhof in Grosswangen pro Jahr gemästet.


 

(Bild: jal)

In der Schweiz hat die Weihnachtsgans kaum Tradition – dennoch werden seit einigen Jahren immer mehr Gänse verspiesen. Grund für die gestiegene Nachfrage sind vor allem deutsche Einwanderer. Dass der Gänsebraten die Schweizer Festtagsklassiker verdrängen kann, glaubt jedoch kaum jemand. Wohl auch, weil die Schweizer Gans ein Handicap hat.

Die Globalisierung macht auch vor dem heiligen Fest nicht Halt. Hierzulande kommt an Weihnachten immer öfters der Gänsebraten auf den Tisch. Allerdings kaum je bei Herrn und Frau Schweizer – sondern vor allem bei deutschen Einwanderern.

Davon profitieren etliche Produzenten. In den letzten Jahren haben immer mehr Bauern in der Schweiz begonnen, Weidegänse aufzuziehen. Der Verein Weidegans hat den Boom mit seiner Gründung 2013 angestossen. «In den ersten zwei Jahren sind wir enorm gewachsen, nun hat sich das Ganze stabilisiert», sagt Christoph Maeder, Vorstandsmitglied des Vereins, der dieses Jahr für den Agropreis des Schweizer Bauernverbandes nominiert war. Inzwischen setzen laut Maeder landesweit 31 Produzenten auf Weidegänse, davon sieben im Kanton Luzern.

Hemmschwelle bei Schweizern gross

Auch die Familie Wüest-Kaufmann aus Grosswangen zieht das weisse Federvieh auf, das beim zentralplus-Besuch auf ihrem Hof wie ein Fischschwarm über eine eingezäunte Weide wackelt. Seit drei Jahren mästen Anita und Beat Wüest-Kaufmann jährlich 80 Weidegänse – und haben bislang immer jede verkauft. Dieses Jahr sind zwei Tage vor Weihnachten noch drei Stück im Angebot. «Die Nachfrage war von Anfang an da», sagt Anita Wüest-Kaufmann, die vorher noch nie eine Gans verspeist hatte. Sie und ihr Mann seien eigentlich zufällig in die Gänsemast reingeschlittert. «Wir fanden es eine coole Sache, entschieden uns aber erst definitiv dafür, als ein Detailhändler uns einen Teil der Gänse abkaufen wollte.»

«Der Preis war bei unseren Kunden noch nie ein Thema.»

Anita Wüest-Kaufmann

Denn die Weidegans-Produzenten sind selber für den Verkauf zuständig, das meiste geht über den Direktverkauf ab Hof weg – was einige Bauern von der Gänseproduktion abhält, zu gross ist dieser Aufwand. Jeweils im Juni erhalten Anita und Beat Wüest-Kaufmann die ein Tag alten Gössel, wie die jungen Gänse heissen. Ab zirka fünf Wochen dürfen sie Tag für Tag auf die Weide – zehn Gänse fressen vom Flächenbedarf her gleich viel wie eine Kuh – und jeweils im Dezember treten sie ihren letzten Gang an, den zum Schlachthof.

Beat und Anita Wüest-Kaufmann mit ihren Kindern Elena, Laura und Nico.

Beat und Anita Wüest-Kaufmann mit ihren Kindern Elena, Laura und Nico.

(Bild: jal)

Anita Wüest bestätigt, dass die Gänse vor allem bei Immigranten auf dem Teller landen: «Die meisten Kunden stammen aus Deutschland oder Osteuropa, wo die Weihnachtsgans Tradition hat.» Die Schweizer hingegen seien eher zurückhaltend. Die Hemmschwelle, Gästen an den Festtagen etwas Neues aufzutischen, sei relativ gross. Und einfach mal zu zweit ausprobieren, kann man einen Gänsebraten nur schwer. «Eine ausgewachsene Gans reicht für sechs bis acht Personen.»

Entsprechend happig ist auch der Preis, der mit 35 Franken pro Kilo zu Buche schlägt: Je nach Gewicht werden zwischen 150 und 200 Franken für eine ganze Gans fällig. Anita Wüest-Kaufmann sagt aber: «Der Preis war bei unseren Kunden noch nie ein Thema.» Wer eine Weidegans wolle, sei auch bereit, das Geld dafür zu zahlen. Gerade auch, weil es für viele das Festessen wird.

Eine gefüllte Gans, wie sie in den Ofen kommt.

Eine gefüllte Gans, wie sie in den Ofen kommt.

(Bild: zvg)

Seit Kurzem bietet die Familie Wüest-Kaufmann sogar spezielle Kochabende an – mit Erfolg. Über 30 Neugierige haben in den vergangenen Wochen daran teilgenommen. Da wird die Gans mit Marroni und Äpfeln gefüllt und zwei bis drei Stunden im Ofen gegart. Und wichtig für alle Hobbyköche: Ja, die Gans habe in jedem normalen Backofen Platz.

Woher kommt die Tradition?

Wie es die Weihnachtsgans in die europäische Küche geschafft hat, ist nicht endgültig geklärt. Die wohl bekannteste Legende: Als die englische Königin Elisabeth I. kurz vor Weihnachten 1588 die Nachricht erhalten hat, dass die spanische Armada bezwungen sei, soll sie gerade eine Gans verspiesen haben. Ausser Freude über den Sieg habe sie daraufhin die Gans per königlichen Erlass zum Weihnachtsmenü erkoren – woraufhin sich dieser Brauch nach und nach auf dem europäischen Festland festsetzte. Einen Haken hat die Geschichte allerdings: Das traditionelle Weihnachtsmenü auf der Insel ist heute Truthahn.

Noch weiter zurück reicht die Ursprungslegende, die angeblich auf die Römer zurückgeht, die aber nicht minder heroisch ist. Als die Gallier Rom 390 vor Christus angegriffen haben, sollen die Gänse Alarm geschlagen und dadurch einen Überraschungsangriff verhindert haben. Als es einige Zeit später darum ging, ein Menu zu Ehren Jesu zu bestimmen, stand die Gans aufgrund ihrer Heldentat in der Gunst der Römer.

Wie schmeckt denn eine Gans überhaupt? «Die meisten denken, es sei ähnlich wie Poulet», sagt Anita Wüest-Kaufmann. Das stimmt aber nicht, das Fleisch ist rötlich, vom Geschmack her eher wie Wild oder Ente.

Zenit erreicht?

Der rasante Anstieg der Zahl der Weidegänse in den letzten drei Jahren hat auch eine Kehrseite. Inzwischen spüren auch Beat und Anita Wüest-Kaufmann, dass der Trend womöglich seinen Zenit erreicht hat. «Wir merken jetzt im dritten Jahr, dass in der Zentralschweiz immer mehr Gänse produziert werden und es entsprechend schwieriger ist, sie zu verkaufen.» Die sieben Produzenten im Kanton Luzern hatten eine Woche vor Weihnachten zusammen noch 20 Gänse im Angebot.

Dass das mit der grassierenden Vogelgrippe zu tun hat, glaubt Anita Wüest-Kaufmann indes nicht. Zwar dürfen die Gänse im Kanton Luzern nicht mehr im Freien baden und gefüttert werden, aber das sei bei den Kunden kein Thema. «Es ist nicht so, dass unsere Stammkunden Angst hätten oder deswegen auf die Weihnachtsgans verzichten würden.» Beim Verzehr besteht eh keine Gefahr, da das aktuelle Virus nicht auf Menschen übertragbar ist.

«Die Weihnachtsgans bleibt sicher ein Nischenprodukt.»

Christoph Maeder, Verein Weidegans

Ein Ausbau der Gänsemast ist für Familie Wüest-Kaufmann kein Thema, erstens aus Platzgründen. Zweitens, weil Anita Wüest-Kaufmann nicht glaubt, dass sich die Weihnachtsgans gegen Schweizer Weihnachtsklassiker wie Fondue Chinoise oder Filet im Teig durchsetzen kann – obwohl bei ihnen in Grosswangen inzwischen jedes Jahr eine Weihnachtsgans auf den Tisch kommt. Auch Gänsekenner Christoph Maeder gibt sich realistisch: «Die Weihnachtsgans bleibt sicher ein Nischenprodukt.»

Nachfrage im Detailhandel überschaubar bis rückläufig

Gänse sind vor Weihnachten auch in den grösseren Migros-Filialen, im Coop, im Manor oder im Globus Luzern erhältlich. Es handelt sich dabei einerseits um Schweizer Weidegänse, andererseits um französische Produkte, die teilweise kleiner und günstiger sind. Auf Nachfrage bei den vier Detailhändlern wird klar: Vom Trend, den der Verein Weidegans in den letzten Jahren profitierte, spüren sie wenig.

Bei Coop registriert man «eine stabile Nachfrage nach Gänsen». Ähnlich tönt es bei der Genossenschaft Migros Luzern: «Die Schweizer Weidegans in unserem Sortiment ist ein exklusives Produkt und die Nachfrage überschaubar», sagt Mediensprecherin Antonia Reinhard. Bei Globus Luzern spürt man sogar eine «rückläufige und tiefe Nachfrage», wie Geschäftsleiter David Simon sagt. Manor indes verspürt vor allem in der Romandie eine steigende Nachfrage. Geflügel hat in Frankreich eine stärkere Tradition als in der Deutschschweiz.

Ob Gänse auch im Detailhandel vor allem von deutschen Einwanderern gekauft werden, lässt sich nicht sagen. Erhebungen dazu führt keiner der gefragten Betriebe. Antonia Reinhard von der Migros Luzern sagt einzig: «Wir machen die Beobachtung, dass das Produkt sehr oft von Kunden gekauft wird, die bereits Erfahrung und Kenntnisse mit der Zubereitung einer Gans haben.»

Dry Aged Beef im Trend

Dass die Weihnachtsgans die Schweizer Klassiker verdrängt, ist also kein Thema. «Tradition spielt an Weihnachten eine grosse Rolle – auch bei den beliebtesten Weihnachtsmenüs», sagt Coop-Mediensprecherin Andrea Bergmann. Beliebt sind nach wie vor Fondue Chinoise oder Bourguignonne, Filet im Teig oder Schinkli.

Bei der Migros spürt man grundsätzlich den Trend hin zu qualitativ hochstehenden Produkten. Auch im Globus ist das zu spüren. «Ein neuer Trend ist Dry Aged Beef», sagt Geschäftsführer David Simon. «Rinds- und Kalbskotelett, das bei uns in einem speziellen Kühlschrank direkt am Knochen gereift wird.»

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