Massiver Umsatzeinbruch

Luzerner Bierbrauer bleiben auf dem Bier sitzen – doch Aufgeben ist keine Option

Ein Bild, als Anprosten und Trinken noch ohne Social Distancing möglich war: Andreas Stöckli (in der Mitte) mit seinen Kumpanen Max Landsberger (links) und Gimi Büchler (rechts) von der Braustation Sursee. (Archivbild: ida)

Die Corona-Krise trifft lokale Kleinbrauereien mit voller Wucht. Etwa die Braustation Sursee, die für das Public Viewing der Fussball-EM 30'000 Liter Bier vorproduziert hat. Doch Zeit zu jammern haben sie nicht.

«Chronisch onderhopft»: Der Entscheid des Bundesrates und der damit ausgesprochene Lockdown am 16. März treibt auch lokale Kleinbrauereien in die Krise.

Andy Stöckli, Geschäftsführer der Braustation Sursee spricht von einem Hammer, der sie getroffen hat: Sie machen gut 90 bis 95 Prozent weniger Umsatz.

Alle Events: gestrichen. Zur Fussball-EM haben sie pro Abend bis zu 3’000 Leute auf dem Martignyplatz zum Public Viewing erwartet. 30’000 Liter Bier sind bereits vorproduziert. Die EM – nun abgesagt. Alle Events bei ihnen im Haus: abgeblasen. «Der Braumeister ist derzeit nur noch einmal in der Woche für Kontrollgänge da – normalerweise gibt er sechs Tage Vollgas», sagt Stöckli. Kurzarbeit haben sie angemeldet.

Ein Fluch, denn so viele abgefüllte Flaschen hatte man noch nie auf Lager. «Wir werden sicher auf dem Bier sitzenbleiben», sagt Stöckli. Ein Naturprodukt mit Ablaufdatum. Deswegen sucht das Team nun Lösungen. Irgendwie verkaufen, zum Beispiel mit dem öffentlichen Rampenverkauf vor Ort, brennen, verschenken. Aus dem Bier Desinfektionsmittel herzustellen, kommt für Stöckli nicht in Frage. «Dann würde ich eher probieren, es selbst zu trinken», meint er mit einem Lachen.

Surseer holen kistenweise Bier

Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Kurzerhand wurde die Plattform «Suppport your Local» auf die Beine gestellt, welche nächste Woche zum Leben erweckt wird. Supporter können dort mit einem Jahresbeitrag alle teilnehmenden lokalen Kleinunternehmer – die Locals – unterstützen. Diese revanchieren sich dafür mit einem attraktiven Angebot in Form von Rabatten oder anderen Vorteilen.

«Normalerweise holen sich die Kunden maximal ein bis zwei Kisten, jetzt haben sie sich mit fünf, manchmal sogar sechs Kisten eingedeckt.»

Andy Stöckli, Geschäftsführer Braustation Sursee

Auch den Rampenverkauf, der jeweils samstags stattfindet, haben Stöckli und sein Team gepusht. «Es ist krass, wie uns die Leute unterstützen. Normalerweise holen sie sich maximal ein bis zwei Kisten, jetzt haben sie sich mit fünf, manchmal sogar sechs Kisten eingedeckt.» Vielleicht liegt es auch am Aktionspreis. «Natürlich hoffen wir, dass diese Solidarität auch nach der ganzen Corona-Situation anhalten wird.»

Letztes Jahr 150'000 Liter Bier produziert

Aber auch das ist nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Die Braustation Sursee macht gut die Hälfte ihres Umsatzes mit Events. Bis Ende Jahr wären sie ausgebucht gewesen. Jetzt kommt kein Rappen mehr rein.

Der Lockdown schmerzt, insbesondere weil die Braustation Sursee auf gutem Weg ist. Letztes Jahr haben sie 150’000 Liter Bier produziert. Die Braustation ist zu 100 Prozent eigenfinanziert, dahinter steht keine Bank, kein Investor. Stöckli und sein Team schufteten viel die letzten Jahre. «Und bei 150’000 Liter Bier im Jahr macht das Produzieren auch richtig Spass, wir haben langsam Luft bekommen, hätten uns einen besseren Lohn erlauben können – und nun der nächste Hammer mit Corona.» Nicht gerade eine «Motivationsspritze», wie Stöckli sagt.

Doch das Team der Braustation Sursee macht das Beste aus der Situation. Zeit, um zu bangen und zu jammern, Existenzängste zu haben, bleibt nicht. Dazu ist das Team viel zu positiv eingestellt, erzählt Stöckli. Und allen Grund nach vorne zu schauen, gibt es zudem: Stöckli übernimmt Ende August das Que Pasa. «Ein heiss begehrter Laden.» Und ein Ort, an dem ordentlich hauseigenes Bier über die Theke gereicht werden kann.

Das Team der Braustation Sursee. (Bild: zvg)

«Soorser Bier»: Nach 2 Wochen Chef-Posten folgte der Lockdown

Auch beim «Soorser Bier» ist das Aufgeben keine Option. Für Kevin Affentranger, den neuen Geschäftsführer, war es aber ein happiger Start. Am 1. März übernahm er den Posten. Ein Blick in den Jahreskalender stimmte ihn optimistisch. Viele Kleinanlässe, Brauereiführungen und Kurse waren geplant. 16 Tage später dann der Lockdown.

«Im Stundentakt erhielten wir eine E-Mail oder einen Telefonanruf, Absagen en masse.»

Kevin Affentranger, Geschäftsführer «Soorser Bier»

«Es war sehr surreal zu Beginn», sagt Affentranger rückblickend. Ungewissheit machte sich breit – bis Anfang April eine Welle an Absagen kam. «Im Stundentakt erhielten wir eine E-Mail oder einen Telefonanruf, Absagen en masse.»

Das Bier wird nun digital degustiert

Noch am Abend des 16. März habe sich das Team zusammengesetzt, gebrainstormt und Pläne geschmiedet. Ein Lieferservice wurde auf die Beine gestellt, in einer Spitzenwoche konnten rund ein Dutzend Harassen unter die Leute gebracht werden. Auch bei den Rampenverkäufen erfährt das «Soorser Bier» eine grosse Solidarität.

Und weil die Leute derzeit nicht in die Brauerei gehen können, wird das Bier nun digital degustiert. Affentranger, der ursprünglich aus dem Bereich Verkauf und Marketing kommt, wollte das Biererlebnis digitalisieren. Gemeinsam mit «Biermoment» entwickelten sie die Idee, Live-Degustationen auf Facebook anzubieten. Wer sich ein Ticket kauft, erhält per Post ein Paket mit sechs Bieren aus lokalen Brauereien. Am 8. Mai findet die Degustation statt, in der neben vier Bieren aus zwei Brauereien in Solothurn auch das «Soorser Bier» gekostet wird.

Jederzeit startklar

Auf wie viel Bier Affentranger und sein Team sitzenbleiben werden, ist noch unklar. Aber auch sie werden Umsatzeinbussen machen, denn den Verkauf nur über Private zu kompensieren, ist schlicht nicht möglich. Der Festivalsommer ist gelaufen, für die Brauerei gilt jeweils von Ende April bis Herbst High Season. Dieses Jahr wird es nun deutlich ruhiger.

«Wir werden mit einem blauen Auge davon kommen», sagt Affentranger optimistisch. «Und wir sind bereit.» Bereit fürs Ungewisse. Denn wie und wann es mit dem Verkauf bergauf geht, ist derzeit noch unklar. «Das Bier ist in den Tänken – wir könnten es jederzeit in Flaschen abfüllen, wenn es braucht.»

Kevin Affentranger ist seit dem 1. März neuer Geschäftsführer von «Soorser Bier». (Bild: zvg)

Eichhof: Der Verkauf im Detailhandel läuft

Doch wie läuft's bei den ganz Grossen – etwa Eichhof? Der Gastronomiebereich macht auch bei ihnen einen wichtigen Teil aus. «Das heisst, dass fast die Hälfte des Betriebs plötzlich zusammengebrochen ist», schreibt Antonio Govetosa, Kommunikationschef der Brauerei Eichhof.

Das hat nicht nur Auswirkungen auf ihren Umsatz, sondern auch für einen «beachtlichen Teil der Belegschaft». Gaststätten können nicht mehr beliefert und Kunden nicht mehr besucht werden. Die betroffenen Mitarbeitenden haben auch keine Arbeit mehr. Bereits schon früh wurde ein Krisenstab ins Leben berufen, zudem wurde mit dem Schweizerischen Brauerei-Verband und weiteren Partnern die Online-Gutschein-Plattform «Helpgastro» ins Leben gerufen.

Zahlen veröffentlicht Eichhof zwar keine. Aber in Zeiten von Corona und Lockdown wird scheinbar gerne zum Bier in den eigenen vier Wänden gegriffen. Govetosa schreibt: «Die Verkäufe im Detailhandel laufen sehr gut, hier verzeichnen wir ein klares Plus.»

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