Stadtentwicklung

«Luzern will eine stabile Wirtschaftsentwicklung»

Peter Bucher, Beauftragter für Wirtschaftsfragen der Stadt Luzern.

(Bild: mbe)

Wie soll sich die Stadt Luzern in Zukunft entwickeln? Die Luzerner Wirtschaft meldet Ansprüche an. Stellvertretend äussert sich Peter Bucher, der städtische Wirtschaftsbeauftragte. Bei ihm laufen die politischen Anliegen der Wirtschaft zusammen.

Was Peter Bucher, Beauftragter für Wirtschaftsfragen der Stadt Luzern, fordert, klingt grundsätzlich einfach: Luzern braucht eine nachhaltige und stabile Wirtschaftsentwicklung. Unternehmerinnen und Unternehmer sollen Rahmenbedingungen vorfinden, die es ihnen erlauben, mit ihren Produkten auf den Märkten erfolgreich zu sein. Aber auf dem politischen Parkett seien diese Forderungen manchmal schwer einzubringen, sagt er.

zentral+: Peter Bucher, Ihr Türschild ist das einzige im Stadthaus, auf dem explizit «Wirtschaft» steht.

Peter Bucher: Das ist richtig.

zentral+: Ist das symbolisch für die leise Stimme der Wirtschaft? Wird sie bei wichtigen Fragen zur Stadtentwicklung zu wenig gehört?

Bucher: Ich glaube nicht, dass ich mich in den entsprechenden Diskussionen zu leise äussere. Es ist aber schon so, dass meines Erachtens wirtschaftliche Anliegen in der politischen Diskussion etwas mehr Beachtung verdienten. Dieses Gehör muss sich die Wirtschaft aber wie alle anderen Interessen kontinuierlich erkämpfen.

zentral+: Hat sich demnach die Wirtschaft aus der Politik verabschiedet?

Bucher: Nicht ganz, aber ich glaube, früher waren Führungspersonen vermehrt selber in der Politik engagiert. Das ist heute zeitlich anspruchsvoller und durch die überregionale und internationale Vernetzung der Unternehmen schwieriger geworden. Das politische Handlungsfeld stimmt nicht mehr mit den Marktgrenzen, in denen sich die Unternehmen behaupten müssen, überein.

zentral+: Sie wünschen sich also von den politischen Parteien, gerade den Bürgerlichen, mehr Unterstützung?

Bucher: Nein, die Unterstützung der Parteien in Wirtschaftsfragen ist gut. Aber die Wirtschaft selber dürfte mehr tun– sprich die Verbände. Sie sollen mehr in die politischen Prozesse eingebunden werden, was in Zukunft auch so angedacht ist.

zentral+: Wenn Sie von der städtischen Wirtschaft sprechen, wen oder was meinen Sie damit?

Bucher: Zuerst sind wir das alle miteinander: als Arbeitnehmerin oder Arbeitgeber, als Gast oder Kundin. Der Stadtrat trifft sich aber auch regelmässig mit Vertretern aus lokalen Wirtschaftsverbänden. Sie vertreten dabei  rund 5000 Betriebe, das ist etwa ein Viertel des gesamten Kantons. Ein Grossteil davon sind KMU. Weniger als 100 Unternehmen beschäftigen mehr als 100 Mitarbeiter, bieten aber gesamthaft fast die Hälfte der rund 63‘000 städtischen Arbeitsplätze an.

zentral+: Was sind das für Arbeitsplätze?

Bucher: Die meisten dieser Arbeitsplätze zählen zum öffentlichen Sektor – Gesundheit, Bildung, Verwaltung. Die weiteren Branchen sind vor allem Detailhandel, Finanzdienstleister, insbesondere Sozialversicherungen, sowie der Tourismus. Typisch für die Stadt sind auch Unternehmensdienstleistungen, etwa die Marktforschung, oder gestalterische Berufe. Man nennt das jetzt Kreativwirtschaft.

zentral+: Was fordert diese Wirtschaft konkret von einer Stadtentwicklung?

Bucher:  Unternehmen benötigen Entwicklungsmöglichkeiten. Dazu gehören verlässliche Rahmenbedingungen, welche übergeordnete Regeln und die Anforderungen auf den Märkten berücksichtigen. Aus städtischer Sicht braucht es insbesondere auch räumliches Entwicklungspotenzial. Bekanntlich sind die Flächen in Luzern knapp.

zentral+: Die neue Bau und Zonenordnung BZO wird mehr Platz verschaffen?

Bucher: Ja, das ist erfreulich. Zudem bringt sie endlich wieder mehr Stabilität und Verlässlichkeit für Investoren und Gewerbe. In der Übergangsphase von der alten zur neuen BZO gelten beide Reglemente. Es ist wichtig zu wissen, nach welchen Regeln in Zukunft gespielt wird.

zentral+: Wohin will sich die Wirtschaft denn entwickeln?

Bucher: Zuerst geht es darum, dass in den grösseren Entwicklungsgebieten auch Arbeitsflächen bereitgestellt werden: In der Rösslimatt und auf Littauer Boden, aber auch im Gebiet Industristrasse/Steghofquartier. Nicht zu vergessen sind die grossen Entwicklungspotenziale, welche in Luzern Süd und Luzern Nord – beispielsweise auf dem Viscose-Areal – bestehen. Daneben sind auch viele andere Rahmenbedingungen wie Bildung, Verkehrserschliessung oder Steuern wichtig.

zentral+: Die Wirtschaft reklamiert also mehr Platz für Gewerbeflächen. Man sieht aber doch genügend leerstehende Läden?

Bucher: Flächen bis zu 750 Quadratmetern sind vorhanden. Das hilft ja auch, dass kleinere Gewerbebetriebe oder junge Startup-Firmen durchaus Chancen haben in der Stadt etwas zu finden. Schwieriger ist es bei Flächen ab ein- bis zweitausend Quadratmetern. Solche Flächen wären beispielsweise in der Industriestrasse vorgesehen.

zentral+: Was heisst wären? Verliert die städtische Wirtschaft durch das Volksja zur Initiative «Ja zu einer lebendigen Industriestrasse» also für sie wichtige und notwendige Gewerbeflächen?

Bucher: Das ist noch nicht klar. Momentan wird über ein neues Raumprogramm bezüglich Industriestrasse verhandelt. Und es ist noch offen, ob wieder gleich viele Arbeits- und Büroflächen zur Verfügung stehen werden wie bei der ersten Vorlage.

Die Wirtschaft selber dürfte mehr tun.

zentral+: Wo könnten allenfalls fehlende Flächen kompensiert werden? Nehmen wir das Fallbeispiel «Mobility». Die Firma wollte ursprünglich grosse Arbeitsflächen im Areal der Industriestrasse beziehen.

Bucher: Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Rösslimatt ein interessantes Areal erschliessen könnten. Wobei für Mobility das Areal in der Industriestrasse aus meiner Sicht noch immer möglich und passend wäre.

zentral+: Um ein florierendes und abwechslungsreiches Gewerbe in der Stadt zu halten, sind dafür die Mieten für Arbeitsflächen nicht jetzt schon für viele zu hoch?

Bucher: Generell kann man das nicht sagen. Die Nachfrage nach den begehrten Flächen ist in Luzern sehr punktuell. So begründen zum Beispiel für Detailhandelsflächen ein paar hundert Meter Distanz bereits deutlich spürbare Preisunterschiede. Politik und öffentliche Hand können das nur begrenzt steuern, indem sie die Rahmenbedingungen verbessern – zum Beispiel die ÖV-Verbindung. Die steigenden Preise sind ein Erfolgsindikator für die Attraktivität der Stadt als Wohn- und Arbeitsort. Ich glaube, niemand will bewusst schlechte ÖV-Verbindungen, nur damit wir nicht zu attraktiv für Zuzüger werden – in der Hoffnung, die Mieten würden dafür tief bleiben.

zentral+: Wären für eine lebendige Stadt diverse kleine Läden nicht attraktiver als stille Büroarbeitsplätze?

Bucher: Ja, bestimmt sind vielfältige Erdgeschossnutzungen attraktiv für ein Quartier, das ist ja auch so vorgesehen und steht nicht im Widerspruch mit Büroflächen. Die Frage ist, inwieweit es möglich ist, die Art der Läden zu bestimmen. Man kann nur Angebote erhalten, die auch nachgefragt werden.

zentral+: Was spricht auf der anderen Seite gegen bezahlbaren Wohnraum?

Bucher: Nichts, aber der Boden muss vorhanden sein. Wir haben wenig Fläche zur Verfügung. Wenn man den einen Teil des Bodens – zu Lasten der Steuerzahler – verbilligt abgibt, verteuert man damit früher oder später den restlichen Boden. In die Höhe zu bauen ist – wie die gegenwärtige Diskussion zeigt – auch nicht einfach.

zentral+: Viele Bewohner stören sich am Stadtbild: Braucht es denn so viele internationale Modeketten? So viele Uhren- und Touristenshops an einem Ort?

Bucher: An den touristischen Hotspots ist es sicher sehr konzentriert, aber über die ganze Stadt gesehen kann man nicht von Einheitsbrei sprechen. Wir möchten in der Altstadt und in der Neustadt einen möglichst breiten und attraktiven Branchenmix für Güter und Dienstleistungen. Aber ohne Nachfrage kann kein Geschäft überleben. Der Angebotsmix richtet sich nach den Kunden und den Einkaufskanälen, die sie wählen. Das rasant wachsende Internetshopping kann für die Innenstadt sowohl eine Gefahr wie eine Chance sein.

zentral+: Attraktiv für die Wirtschaft, was heisst das zum Beispiel für den Detailhandel?

Bucher: Man versucht, das subjektive Empfinden mit objektiven Daten zu messen. Für die Attraktivität als Einkaufsort heisst das etwa: Wie sind die Ladenöffnungszeiten? Wie viele Personen arbeiten in welcher Handelssparte? Wie weit sind die Geschäfte voneinander entfernt? Wie breit ist das Angebot an Gütern und Dienstleistungen? Wie ist die Verkehrserschliessung mit dem öffentlichen Verkehr und dem motorisierten Individualverkehr? Und damit verbunden ist die Frage: Wie gross und attraktiv ist die Fussgängerzone?

zentral+: Und, wie attraktiv ist die Stadt Luzern?

Bucher: Die Ladenöffnungszeiten sind in Luzern bekanntlich sehr restriktiv. Der Angebotsmix ist im Städtevergleich ziemlich gut. Die Fussgängerzone dürfte grösser sein, das ist auch die gängige Meinung in der Branche. Die Erreichbarkeit, gemessen an der Kürze der Wege zu Parkplätzen und ÖV-Haltestellen, liegt über dem Durchschnitt.

zentral+: Diese Kriterien gelten für den Detailhandel. Was aber verstehen Sie unter einer lebenswerten Stadt für die Bewohner?

Bucher: Das ist schwieriger, da jeder für sich Lebensqualität wieder anders beurteilt: Sind beispielsweise längere Ladenöffnungszeiten besser oder schlechter? Das kommt auf die persönliche Position an. Die einen wollen mehr Ruhe vor dem Haus, die anderen wollen am Abend ihr Brot kaufen. «Lebenswert» ist ein Begriff, der gleichzeitig zutreffen und nicht zutreffen kann, diese Ungenauigkeit kann auch ganz praktisch sein.

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