Food-Save-Boom in der Innerschweiz

Luzern macht weiter kleine Schritte für nachhaltigen Konsum

Gerettete Lebensmittel – sie können zwar nicht mehr verkauft, aber noch immer gegessen werden. (Bild: zvg)

Gegen die Verschwendung von Lebensmitteln regt sich Widerstand. Mit kreativen Aktionen sagen Organisationen dem sogenannten Foodwaste den Kampf an. zentralplus hat nachgeschaut, was sich in der Region tut.

Das Thema Foodwaste ist in aller Munde – oder eben nicht. Immer noch landet bis zu einem Drittel der Lebensmittel im Abfall statt auf dem Teller. Aber es tut sich was – auf den Strassen, in den Medien und vor allem in den Kehrichtsäcken und Kühlschränken. Es wird heute bewusster informiert, zusammengeführt und gegessen (zentralplus berichtete). In der Zentralschweiz sind die Leute bei der Lebensmittelrettung besonders aktiv.

Veränderung mit kleinen Schritten

Es sind viele kleine Schritte, die zu einer grossen Veränderung führen. In diesem Sinne führten die Zentralschweizer Umweltfachstellen zwischen 2017 bis 2019 die Kampagne «E chline Schritt» für mehr nachhaltigen Konsum durch. Jedem Jahr gab man mit «Flicke», «Teile» und «Sorg ha» ein eigenes Motto und zum Abschluss war das Thema: «Food Waste».

Dazu gibt es eine mobile Ausstellung. Der Kanton stellt sie Schulen und Gemeinden nach wie vor kostenlos zur Verfügung. Im Rahmen von «Luzern tischt auf» war sie im Luzerner Naturmuseum zu sehen. In den zwei Wochen zählte sie fast 1'500 Besuchende. Rund zwei Drittel waren Kinder und Jugendliche.

Am Hauptanlass der Veranstaltungsreihe «Luzern tischt auf» wurden 200 Kilogramm Ausschussgemüse geschnippelt, woraus am Tag darauf bei der Matthäuskirche ein Festessen für über 500 Leute entstand (zentralplus berichtete). Und zum Abschluss gab es einen Einmachkurs im «Treibhaus». «Die Rückmeldungen waren sehr positiv, viele Leute waren interessiert», erzählt Monika Keller von der Stadt Luzern. «Mit den verschiedenen Aktivitäten konnten unterschiedliche Ansprechgruppen erreicht werden.»

Aktion «Luzern tischt auf» – Schnippel-Disco vor der Matthäuskirche in Luzern. (Bild: Mischa Christen)

Bei der kantonalen Dienststelle Umwelt und Energie (uwe) ist man mit dem Besucheraufkommen und dem Interesse an den Anlässen zufrieden. Esther Nicollier, Projektleiterin der Kampagne «E chline Schritt», sagt: «Mit dem vorhandenen kleinen Budget wurde vergleichsweise viel Aufmerksamkeit generiert.»

Schon zwischen 2015 bis 2017 gab es ein dreijähriges Aktionsprogramm gegen Foodwaste unter der Federführung des uwe. Es gab gutbesuchte Ausstellungen an der LUGA und anderen Messen. Im Schlussjahr nahmen 880 Schüler am Schulprogramm zu Foodwaste im Agrarmuseum teil.

«Sowohl die Lehrpersonen wie auch die Schüler waren vom Angebot begeistert», erzählt Nicollier. «Die Lehrpersonen betonten, wie wichtig es sei, Foodwaste zu thematisieren und die Kinder für den sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln zu sensibilisieren.»

Engagierte Aktionen

Schon seit der ersten Kampagne arbeitet der Kanton Luzern mit Foodwaste.ch zusammen. Deren Geschäftsleiterin Karin Spori sagt zum diesjährigen «Luzern tischt auf»: «Im Vergleich zu anderen Städten brauchte es am Hauptanlass etwas mehr proaktives Ansprechen, bis sich die Leute wirklich getrauten, gegen freie Spende ein Menü zu geniessen.» Hingegen sei die Foodsave-Szene in Luzern «dank engagierten Personen sehr aktiv».

Seit dem Frühjahr 2015 stellt das Netzwerk «Food Save Luzern» im «Neubad» via den Verein Neugarten einen offenen Kühlschrank zur Verfügung, der frei befüllt und geleert werden darf.

Für den Auftakt von «Luzern tischt auf» kreierte das Netzwerk zudem einen Food-Save-Stadtplan und gab eine Führung. Es wird geprüft, ob und wie künftig regemässig geführte Food-Save-Rundgänge durch Luzern angeboten werden sollen.

Der Stadtplan zeigt, wo sich Organasationen gegen Foodwaste einsetzen. (Bild: zvg)

Auf dem Stadtplan sind derzeit zehn Orte in und um Luzern eingezeichnet, wo man sich aktiv gegen Lebensmittelverschwendung einsetzt. Dazu gehört unter anderem die «RestessBar» in Ebikon, wo nicht verkaufte Lebensmittel von Aldi Luzern kostenfrei zugänglich gemacht werden. Oder die «ÄssBar» vor der Hofkirche Luzern, wo unverkaufte Waren von lokalen Bäckereien vergünstigt verkauft werden (zentralplus berichtete).

Wettbewerbsfähige Lebensmittelrettung

Die «ÄssBar» in Luzern ist eine von zehn Filialen in der Schweiz und besteht seit April 2018 (zentralplus berichtete). Sie holt bei Partner-Bäckereien unverkaufte Ware ab und je nach abgelieferter Menge erhalten die Bäckereien eine Umsatzbeteiligung.

«Unser Konzept ist so ausgelegt, dass wir wettbewerbsfähig sind mit anderen Unternehmen», erklärt Verkäufer Claude Hagen. Man sei keine Hilfsorganisation und könne kostendeckend arbeiten. «Wir Mitarbeiter sind zu einem branchenüblichen Verkaufslohn angestellt.»

Zur Stammkundschaft der «ÄssBar» gehören vor allem Schüler, die sich hier ihr Mittagessen holen und (angehende) Senioren, denen das Thema ein Anliegen ist. «Am Anfang haben wir mit fünf Bäckereien angefangen, mittlerweile sind es elf», erzählt Hagen.

Claude Hagen, Verkäufer in der «ÄssBar». (Bild: esa)

Entsprechend habe man meistens eher zu viel als zu wenig Ware. Pro Tag gibt es vier bis sechs grosse Brotkisten und 50 bis 70 kleine Kisten mit Sandwiches und Kleingebäck. Besonders gefragt in der «ÄssBar» ist Salziges. Hagen: «Wenn nur noch Süsses da ist, gibt es viele Leute, die reinkommen und sofort wieder umdrehen.»

Geschlossene Kreise

Wenn die «ÄssBar» die Lebensmittel ebenfalls nicht loswird, dann zirkulieren diese weiter. «Wir versuchen, dass der Kreis geschlossen wird», sagt Hagen. So kommen Sandwiches und Ähnliches zur Elektrizitäts-Produktion in die Biogas-Anlage oder man legt die Reste als Tierfutter für Bauern zur Seite.

Brot kommt teilweise ins «Neustädtli», wo es zu Paniermehl wird. Das Restaurant ist neben dem «World Café», dem «Tibits» und dem Hotel «Monopol» einer von vier Gastrobetrieben auf der Luzerner Food-Saver-Landkarte. Auf dem Stadtplan findet sich mit der Migros aber auch ein Generalist.

Die Migros-Filiale in der Hertensteinstrasse nutzt unter anderem die Applikation «Too good to go». Dabei stellt sie sogenannte «Wundertüten» aus unverkauften Lebensmitteln zusammen (zentralplus berichtete). Mit der App können diese reserviert und am Kundendienst abgeholt werden.

In Luzern hat «Too good to go» rund 150 Partner und es konnten bisher über 50'000 Mahlzeiten gerettet werden. In Zug kommt die App auf 50 Partner und über 21'000 gerettete Mahlzeiten. Die international tätige Firma hat seit letztem Jahr ein aktives Team in der Schweiz, wo es insgesamt mehr als 1'800 Partner und über eine halbe Million Nutzende der App gibt.

Passende Beiträge

In den letzten Jahren wuchsen in der Schweiz verschiedene regionale Gruppen, die Lebensmittel sammeln und teilen, welche sonst im Abfall landen würden. Das Foodsharing Netzwerk Zug zum Beispiel ist seit 2016 aktiv. Die 50 bis 60 «Foodsaver» beliefern und nutzen sogenannte «Fair-Teiler» an drei Standorten im Kanton. Das Netzwerk rettet Lebensmittel vor dem Abfalltod und alle Zugerinnen und Zuger können durch die Nutzung der offenen Kühlschränke einen Beitrag gegen Foodwaste leisten.

«Das schöne an Foodsharing ist, dass jeder so viel beitragen kann, wie für ihn gerade passend ist», erklärt Foodsaver Janine Zingg. «In unseren Augen ist jeder Einsatz gegen die Verschwendung von Lebensmitteln wertvoll.» Seit der Gründung von Foodsharing Zug konnten mehr als 15 Tonnen Lebensmittel gerettet werden.

«Grundsätzlich verspüren wir Rückenwind, was die Sensibilisierung rund um die Thematik Foodwaste anbelangt.»

Mina Dello Buono von «Tischlein deck dich»

Diesen September wurde das Zuger Netzwerk von Benevol mit einem Preis für sein Engagement ausgezeichnet. Man merke, dass das Thema an Relevanz gewinnt, sagt Zingg. Aber: «Ob und wie stark auch Privathaushalte als Hauptverursacher von Foodwaste ihre Gewohnheiten geändert haben, weiss ich nicht.»

Spürbarer Rückenwind

«Grundsätzlich verspüren wir Rückenwind, was die Sensibilisierung rund um die Thematik Foodwaste anbelangt», sagt Mina Dello Buono von «Tischlein deck dich». Der Verein vereint Lebensmittelrettung mit Lebensmittelhilfe für Bedürftige.

«Der ökologische Aspekt, Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten, steht seit unserer Gründung im Jahr 1999 im Vordergrund», erzählt Dello Buono. Man begrüsse die derzeitige Entwicklung, «denn es gibt noch immer viel zu tun, wenn man bedenkt, dass allein in der Schweiz jährlich rund zwei Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall landen».

Soeben hat die Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz (PUSCH) die neue Kampagne «Save food, fight waste» lanciert, die der Kanton Luzern als Partner unterstützt. Die Aktion «E chline Schritt» und inhaltliche Teile davon werden fortgeführt.

«Tischt auf»-Anlässe werden in den nächsten zwei Jahren weiter unterstützt. Auch die Foodwaste-Dauerausstellung im Agrarmuseum Burgrain bei Willisau bleibt bestehen.

Zudem wird in kantonalen Institutionen systematisch gegen Verschwendung vorgegangen. So wurden die Lebensmittelabfälle im Luzerner Kantonsspital durch gezielte Massnahmen schon um 35 Prozent reduziert. Das enspricht etwa 110 Tonnen im Jahr.

Erfolgsversprechende Zusammenarbeit

Als ein Pionier im Bereich Food Save und Food Waste freut sich der Kanton Luzern über die gelungenen Kampagnen. Aber er mahnt auch : «Der Erfolg ist abhängig vom privaten Konsumverhalten jedes Einzelnen.» Besonders erfolgsversprechend seien Anreize, die für Konsumenten einfach nutzbar und kostengünstig sind.

«Umweltprojekte können oft wirtschaftlich und sozial nachhaltig gestaltet werden», erklärt Esther Nicollier. Ein Beispiel sei das Anlegen von Naschgärten im öffentlichen Raum mit einheimischen Pflanzen, die dem Austausch im Quartier dienen.

Es gibt viele Möglichkeiten, einen Food-Save-Beitrag zu leisten. Von aktiv informieren bis passiv, aber bewusst konsumieren. Das Öko-Forum Luzern bietet Umweltberatungen und Informationen zum Thema mit einer spezifischen Auswahl an DVDs, Rezept- und Sachbüchern zur kostenlosen Ausleihe an. Im «Quai4-Markt» kann man sogenannte «FOODOO»-Bouillon und -Saucen aus aussortiertem Gemüse kaufen.

Es sind die vielen kleinen Schritte beim Einzelnen, die das Kollektiv bewegen. Durch vielfältige Zusammenarbeit ist die Food-Save-Bewegung hierzulande schon ein gutes Stück weiter gekommen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von M.R.
    M.R., 29.12.2019, 12:09 Uhr

    Wow – sehr spannend. Schön zu lesen, dass so viel läuft und das Thema von verschiedenen Seiten angegangen wird.

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