Lukas Hässig: «Zeit, dass Zug sich anders ausrichtet»
Bissig, gut gelaunt und unverdrossen: Lukas Hässig, Herz und Kopf von Inside Paradeplatz gelingt immer wieder der eine odere andere Medienscoop. (Bild: zvg)
Finanzjournalist und «Inside Paradeplatz»-Chef Lukas Hässig hat einen eigenen Blick auf Zug. Er meint, Zug sollte mengenmässig wachsen, statt nur laufend Gewinne zu optimieren. Ein Interview.
Bissig, pointiert, kurz: «Inside Paradeplatz» wirbelt seit 2011 in der Zürcher Finanzwelt mächtig Staub auf. Mitsamt Ausläufern in andere Deutschschweizer Kantone. Oft im Gespräch mit dabei: Der Finanzplatz Zug, der in mancher Hinsicht auch als Konkurrent für Zürich gesehen werden kann – den von Linken dominierten Schweizer Wirtschaftsmotor.
Der Mann hinter «Inside Paradeplatz» ist der im Sommer 61-jährige Lukas Hässig. Er empfängt in der Küche seines Büros, das er mit diversen anderen Mitmietern teilt. Es liegt im Obergeschoss des Administrativgebäudes des Zürcher Schiffsbaus, einer Aussenstation des Zürcher Schauspielhauses im Trendquartier Zürich West.
zentralplus: «Inside Paradeplatz» fährt einen bisweilen ziemlich bissigen Kurs. Sie riskieren Rechtsstreitigkeiten mit Unternehmen.
Lukas Hässig: «Inside Paradeplatz» funktioniert vor allem über Primeure oder zumindest Geschichten, die den Leserinnen und Lesern wie Primeure vorkommen. Als kleines Medium musst du aggressiver sein, damit du gehört wirst. Dieses Risiko muss ich in Kauf nehmen. Ich will ja auch verkrustete Strukturen aufwirbeln und eine Diskussion anstossen. Das gehört zu einer lebendigen Streitkultur.
zentralplus: Oft stellen Sie auch Vergleiche an. So nach dem Prinzip: «Was machen andere schlechter, was besser als Zürich?» – Daher die Frage: Was macht Zug besser als Zürich?
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was der streitbare Wirtschaftsjournalist von Zugs «Profitdenken» hält
Hässig: In Heinz Tännler von der SVP hat Zug einen guten Seckelmeister. Er setzt die Priorität klar auf den Wettbewerb und den Dienst an den Unternehmen. Glencore, deren Stern inzwischen auch nicht mehr so hell strahlt, dann die Kryptounternehmen oder die im Bereich Pharma und Medtech tätigen internationalen Firmen sprechen für sich. Ich bin kein Zuger, und kann das nur von Zürich aus beurteilen, höre aber viel.
Hässig: Ich denke, Zugs Kleinräumigkeit mit kurzen Wegen begünstigt rasche Entscheide. Die Partners Group mit dem politisch aktiven Mitbesitzer Alfred Gantner beispielsweise kann als grosser Player Einfluss nehmen und rasch etwas in Bewegung bringen.
zentralplus: Mit anderen Worten: Im Kanton Zürich sind die Wege länger – und alles ist schwieriger?
Hässig: Eindeutig. Das Trauerspiel um den Bau eines neuen Hardturm-Fussballstadions zeigt es deutlich. Die Credit Suisse hatte einst noch die Macht, gemeinsam mit der Politik so manches pragmatisch und per Handschlag durchzusetzen. Diese Zeiten mit Seilschaften aus Politik und Wirtschaft sind vorbei. Es ist alles komplizierter geworden.
zentralplus: Aber auch Zug kann nicht machen, was es will. Das an der Urne gescheiterte Projekt mit dem Stadttunnel für rund 890 Millionen Franken zeigt, dass es nicht reicht, wenn man das Geld hat.
Hässig: Ich habe mir sagen lassen, das Projekt sei zu wenig durchdacht gewesen. Ich denke, die Zuger unterstützen gerne gross angelegte Projekte. Sie müssen aber sorgfältig geplant werden und gehören nicht im Hauruckverfahren auf die Agenda. Die Zuger haben sehr viel Geld, das investiert werden will. Das ist ein Luxusproblem, wobei man aber auch nie zu viel Geld haben kann. Ich sehe eher eine andere Herausforderung, der sich Zug stellen muss.
zentralplus: Welche denn?
Hässig: Die ganze Schweiz hat ein Problem mit dem Mengenwachstum, also steigende Bevölkerung durch Zuwanderung in Verbindung mit verschiedenen Herausforderungen wie steigenden Krankenkassenprämien, Wohnungsknappheit und Druck, neue Infrastrukturen zu erstellen. Zürich mit Agglomeration wächst unaufhaltsam Richtung einer Bevölkerungszahl von zwei Millionen.
Hässig: Nur Zug macht genau das Gegenteil und konzentriert sich darauf, qualitativ zu wachsen respektive die Aktie Zug weiter in die Höhe zu treiben. In dieser Disziplin ist Zug spitze. Jetzt wäre es an der Zeit, dass der Wirtschaftsmotor Zug sich anders ausrichtet. Bei einem Unternehmen hiesse das, neues Kapital aufzunehmen, mehr Aktien herauszugeben und damit die Basis zu verbreitern. Das käme der Bevölkerung zugute.
zentralplus: Und wie sähe der Plan konkret aus?
Hässig: Zug müsste einen gut ausgegorenen Masterplan ins Auge fassen, der auf Mengenwachstum ausgelegt ist. Die Zuger Regierung muss vor allem in die Infrastruktur investieren, damit dieses Ziel zu erreichen ist. So steigt die Wohnqualität und der Kanton bekommt die Probleme mit den hohen Wohnkosten und der Wohnungsnot in den Griff.
Es könnten künftig auch weniger Vermögende und weniger Gutverdienende in Zug wohnen und es gäbe auch Arbeitsplätze in tiefer bezahlten Lohnsektoren. Die Gesellschaft würde insgesamt durchmischter, was Ausdruck einer gesunden Gesellschaftsstruktur ist.
zentralplus: Das Bauprojekt mit der Stadtumfahrung ging also schon in die richtige Richtung?
Hässig: Ich denke nicht, dass dahinter ein grösserer Plan steckte als die Bewältigung des Verkehrsproblems in der Stadt Zug. Hinzu kam die willkommene Gelegenheit, die hohen Finanzreserven abzubauen. Das hat die Bevölkerung ja irgendwie auch gespürt und deshalb dem Regierungsrat eine schallende Ohrfeige verpasst.
Setzt Zug bewusst auf Mengenwachstum, bedeutet das dann eben auch, dass die Gewinnmarge schmilzt und mehr für Soziales und Infrastruktur ausgegeben wird. Ich sehe derzeit weder Bemühungen in diese Richtungen, noch ganz zu schweigen eine konkrete Vision oder so etwas wie einen Plan.
zentralplus: Zug könnte Kantone wie Luzern oder Schwyz also auch auf anderen Gebieten jenseits der Wirtschaft abhängen?
Hässig: Wie Zürich der Stachel im Fleisch von Bern ist, ist es Zug für Luzern. Um hier den Lead zu übernehmen, müsste Zug von seinem kurzfristigen Profitdenken abkommen und wieder für mehr Identifikation bei einer möglichst breit vertretenen Gesellschaft sorgen. Die Vision dafür muss aber jemand in sich tragen und vorangehen.
Redaktioneller Mitarbeiter bei zentralplus mit Themen-Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Hat an der Universität Zürich Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Als ehemaliger Triathlet nach wie vor begeisterter Läufer, Rennradfahrer und Schwimmer.