Kriens

Kunterbuntes Wohnen in alter Nudelfabrik?

Visualisierung des Projekts «Basta Pasta» mit der geplanten neuen Piazza. Rechts verläuft die Gemeindehausstrasse Kriens. (Bild: PD)

Wo früher Teigwaren fabriziert wurden, soll ab 2017 gewohnt und gearbeitet werden – auf genossenschaftlicher und gemeinnütziger Basis. Was den Initianten des alten «Teiggi»-Areals in Kriens vorschwebt: Ein kunterbuntes Zentrum, wo Familien, Metzger und Künstler aufeinandertreffen.

Termin mit Harry van der Meijs, einem viel beschäftigten Architekten und Planer aus Luzern. Er hat eingewilligt, zentral+ die ehemalige Teigwarenfabrik von Kriens zu zeigen und ein spannendes neues Projekt vorzustellen. Man erwartet, dass gleich ein Auto – vielleicht ein schwarzer Offroader – in den Innenhof der «Teiggi» einfährt. Nichts von all dem: Van der Meijs trifft mit seinem Velo ein. Der quirlige Niederländer ist Präsident des Vereins Wohnwerk Luzern. Und als solcher freut er sich auf den 19. Juni. An diesem Tag wird nämlich im Teiggi-Areal feierlich die Baugenossenschaft Wohnwerk gegründet.

Anknüpfung an die Industriegeschichte

Symbolisch wird an diesem Abend auch die Teigwarenfabrik wieder auferstehen, die 1967 still gelegt wurde (siehe Infobox). «Wir werden eine Pastamaschine in einem Raum aufstellen und Simon Kraft vom Biorestaurant Kostgeberei in Luzern wird frische Nudeln produzieren», verrät Van der Meijs. Geplant ist ausserdem eine Ausstellung über die ehemalige Fabrik auf die Beine zu stellen, zusammen mit dem Museum im Bellpark Kriens. Man sei noch auf der Suche nach alten Verpackungen und Etiketten der Nudelfabrik. 

Warum interessiert sich der Verein Wohnwerk Luzern so stark für die «Teiggi»? Die Erklärung: Auf dem Areal will er zusammen mit der nachhaltigen Pensionskasse Stiftung Abendrot Genossenschaftswohnungen und kostengünstige Räume für Gewerbetreibende und Kulturschaffende realisieren. Ein spannendes urbanes und belebtes Zentrum soll entstehen.

Rund 44 Millionen Franken wollen die Stiftung und die noch zu gründende Baugenossenschaft Wohnwerk in die Renovation der Liegenschaften sowie Um- und Neubauten investieren.

Buntes Leben statt Anonymität

«Wir wollen mit unserem Projekt bewusst einen Kontrapunkt setzen gegen die Verödung und Anonymisierung der Vorstädte», sagt Van der Meijs. In Neubauten siedelten sich überall die gleichen Kettengeschäfte an, die sich die hohen Mieten leisten könnten. Van der Meijs: «Lokale Gewerbetreibende wie zum Beispiel der Metzger oder der Bäcker haben nur eine Chance zu überleben, wenn ihnen die Liegenschaft gehört.» Der Immobilienmarkt sei stark monopolisiert, die Bevölkerung habe nichts zu sagen zur Nutzung.

Dies soll im Projekt «Basta Pasta» des Luzerner Architekturbüros Lengacher & Emmenegger anders sein, denn es ist ein längerer Prozess vonnöten, bei dem verschiedene Gruppen mitreden und sich auch die Krienser Stimmbürger dazu äussern kann.

Die Gemeinde Kriens hat vor einigen Jahren einen Architekturwettbewerb fürs Teiggi-Areal ausgeschrieben. Eine Vorgabe war, einen Teil des Teiggi-Fabrikgebäudes zu erhalten. Der Gemeinderat Kriens hat sich für das beschriebene Projekt entschieden, weil es nachhaltig ist und die Exekutive städtebaulich überzeugt hat.

Die Initianten wollen mit ihrem Projekt Leute aus dem Mittelstand ansprechen, die mehr Nachbarschaft schätzen und Genossenschafter werden wollen. Geplant sind unterschiedliche Wohnformen für verschiedene soziale Schichten, Generationen und Menschen (zum Beispiel mit behindertengerechten Wohnungen). Clusterwohnungen mit Gemeinschaftsräumen, Lofts, Ateliers, Kunst- und Kulturräume, Gewerbe- und Dienstleistungsräume. Gemeinschaftsräume bieten den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern ausserdem Raum für die Umsetzung eigener Projekte. «Die Idee ist, dass im Teiggi-Areal auch in Zukunft produziert und gestaltet wird», erklärt Van der Meijs. Gewerblich, künstlerisch, nachbarschaftlich-menschlich.

Ein wichtiger Entscheid ist bereits gefallen: Der Gemeinderat Kriens hat dem Verein Wohnwerk und der Pensionskasse den Zuschlag für den Kauf des Teiggi-Areals gegeben und den Kaufvertrag unterschrieben – unter Vorbehalt von zwei weiteren zu meisternden Hürden. Auf der politischen Seite muss der Einwohnerrat (Legislative) noch für den Verkauf des Areals grünes Licht geben. Das Teiggi-Areal gehört der Gemeinde Kriens. Später müssen die Krienser Stimmbürgerinnen und Stimmbürger noch Ja sagen, im Januar 2014 ist die Volksabstimmung angesetzt. Der Teiggi-Verkauf ist Teil des Gesamtprojekts «Zukunft Kriens – Leben im Zentrum», mit dem das Zentrum Kriens aufgewertet werden soll.

Einige Gebäude werden abgerissen

In baulicher Hinsicht sieht das Projekt vor, das längliche ehemalige Fabrikgebäude entlang der Degenstrasse zu erhalten und zu renovieren. Die Gebäude auf der Seite der Gemeindestrasse, der Kulturraum, aber auch der Jugendtreff, die Scheune und die Gärten im hinteren Teil des Areals müssen weichen. Sie werden teilweise durch Neubauten und eine Piazza ersetzt. «Das tut uns auch weh», sagt Van der Meijs, «vor allem der verwunschene Garten, in dem einige ältere Leute Urban Gardening betreiben, ist ein Kleinod. Aber es ist ein Spagat zwischen Romantik und der nötigen Wirtschaftlichkeit, die es braucht, um unser Projekt überhaupt realisieren zu können.»

Mix von Wohnungen und Gewerberäumen

Zirka 55 Wohnungen und 20 Räume für Gewerbe oder Ateliers sollen im «Teiggi»-Areal entstehen. Der genaue Mix ist noch provisorisch. Vorgesehen sind aber laut dem Vorprojekt Wohnungsgrössen von 2,5 bis 5,5 Zimmern. Dazu kommen Lofts und so genannte Cluster-Wohnungen mit 9,5 Zimmern, die attraktiv sind für Wohngemeinschaften.
Der geschätzte Nettomietertrag für eine Zwei-Zimmer-Wohnung beträgt 1387 Franken, für eine Clusterwohnung rund 4000 Franken. Die Gewerbeflächen werden sich alle im Erdgeschoss befinden und unter 2000 Franken netto im Monat kosten.

Preislich konnte das Projekt der Stiftung Abendrot und des Vereins Wohnwerk zuerst nicht mit den anderen Kaufinteressenten mithalten: Es lag mit einem Kaufangebot von neun Millionen Franken rund drei Millionen unter den Offerten der anderen Wettbewerbsteilnehmer. Deshalb wurde beschlossen, einen Teil der Neubauten in Stockwerkeigentum zu realisieren. Konkret handelt es sich um ein Gebäude im hinteren Teil des heutigen Garten. Realisiert werden sollen dort 15 Wohnflächen: Je vier Wohnungen von 3,5 Zimmer bis 5,5 Zimmern und drei Atelierlofts im Erdgeschoss.

Die Partner Wohnwerk Luzern und Abendrot konnten ihr Angebot an die Gemeinde Kriens auf diese Weise auf 12,3 Millionen Franken erhöhen und erhielten den Zuschlag.

Bei einem positiven Abstimmungsergebnis im nächsten Januar soll im Herbst 2014 das definitive Bauprojekt eingereicht werden, im  Sommer 2015 der Baustart erfolgen, und zwei Jahre später will die Baugenossenschaft Wohnwerk Luzern das Teiggi-Areal beziehen.

Zwischennutzer können bleiben

Bis zum erhofften Baubeginn 2015 soll die «Teiggi» weiter zwischengenutzt werden. Das war nicht immer so klar: Alle Zwischennutzer erhielten im Januar die Kündigung und hätten bis Ende Juli ausziehen müssen. Das hat sich nun mit der neuen Eigentümerschaft geändert: «Wir sind daran, mit der Gemeinde ein Zwischennutzungskonzept auszuarbeiten», sagt Harry van der Meijs. «Alle bisherigen Mieter können auf Zusehen hin bleiben. Wir suchen noch weitere Mieterinnen und Mieter.» Ein kleinerer Raum ist bereits ab 200 Franken pro Monat zu haben.

Die «Teiggi» beherbergte schon bisher einen bunten Mix von Zwischennutzern, die teilweise schon Jahre oder Jahrzehnte dort zur Miete sind – der Jugendtreff von Kriens, eine Kinderkrippe, Künstler und Musiker haben Räume gemietet. Aber auch der Generalunternehmer Gebrüder Amberg hat im «Teiggi» sein Krienser Büro. Es ist ein stetes Kommen und Gehen.

Ziel der Zwischennutzung der «Teiggi» bis zum Baubeginn ist es laut Van der Meijs, das Areal vor Beschädigungen, Brandstiftung oder einer Besetzung zu schützen. Aber auch Einnahmen zu generieren, die für diese neue Zwischennutzung kostet laut van der Maisen rund 200’000 Franken im Jahr. «Aus der Zwischennutzung soll das Projekt sich als eine Art Transformation entwickeln können», sagt er zum Schluss.

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