Strukturwandel im Detailhandel

Konsumexperte: «Der Ladenmix in Zug muss aktiv gepflegt werden»

Einkaufen soll zum Erlebnis werden: Filippo Twerenbold an der Zuger Bahnhofstrasse. (Bild: Beat Holdener)

Der Detailhandel in Zug steht vor grossen Herausforderungen. Um eine gemeinsame Strategie zu finden, haben die Geschäftsvereinigung Pro Zug und die Stadtentwicklung vor kurzem ein Mitwirkungsverfahren lanciert. Fachleute sehen in Modellen aus internationalen Einkaufsmetropolen interessante, zielführende Wege.

Um einzukaufen, müssen moderne Menschen heute nicht mehr zwingend einen Laden aufsuchen, sie machen das bequemer online. Damit der Detailhandel in den Innenstädten trotzdem eine Zukunft hat, müssen die Geschäfte beim Shopping ein Erlebnis – auf Neudeutsch «Experience» – bieten. Das können beispielsweise kulinarische oder kulturelle Zusatzangebote sein, Events oder eine Produktion in einem Showroom vor Ort.

«Einkaufen in der Stadt ist heute ein Bedürfnis wie Joggen. Es dient vor allem der Erholung», zu diesem Schluss kommt Fachmann Filippo Twerenbold. In der Firma Freitag, deren Taschen und Accessoires aus alten LKW-Planen weltweit gefragt sind, übt er verschiedene Funktionen aus. Unter anderem ist er für strategische Projekte und für die Expansion der Firma mitverantwortlich.

«Der Detailhandel in der Schweiz war lange Zeit verwöhnt.»

Filippo Twerenbold

Als Zuger kennt er die lokalen Verhältnisse aus eigener Erfahrung. Für ihn ist der Einkauf in der Stadt vom Metalli-Center bis zur Altstadt heute eher mit Stress verbunden und mehr eine Pflichtübung als ein Vergnügen.

Kuration des Ladenmixes notwendig

«Der Detailhandel in der Schweiz war lange Zeit verwöhnt», sagt Filippo Twerenbold. Durch internationale Konkurrenz, Online-Handel und die damit verbundene Preistransparenz sind die Herausforderungen massiv gewachsen. Um attraktiv zu bleiben, müssen die Geschäfte in Zug neue Strategien entwickeln. Dabei können sie von Beispielen lernen, wie international in Grossstädten die Einkaufsquartiere gestaltet werden.

Der Angebotsmix wird dort nicht dem Zufall überlassen, sondern aktiv gepflegt. Zuerst werden die bestehenden Bedürfnisse analysiert, die attraktivsten Marken und Anbieter entsprechend ausgewählt und sogar angeworben. Eine solche Kuration des Einkaufsangebots durch die Stadt oder ein privates Gremium hält Filippo Twerenbold auch in Zug für notwendig und Erfolg versprechend.

Diffuses Angebot an der Bahnhofstrasse

Oft sollen hier Läden möglichst rasch wieder vermietet werden, ohne dass man strategisch überlegt, was das für die Attraktivität des Standorts bedeutet. Kurzfristige Rentabilität wird stärker gewichtet als Nachhaltigkeit. Das zeigt sich am Beispiel der Bahnhofstrasse in Zug (zentralplus berichtete).

«Wo kuratiert wird, werden funktionierende Einkaufserlebnisse geschaffen.»

Filippo Twerenbold

Wie man es richtig macht, zeigt für Filippo Twerenbold das fortschrittliche Ladenkonzept des Modegeschäfts «Les deux Men» mit Kaffeebar, Erlebniszonen und Events. Doch der Anbieter von hochwertigen Textilien ist an seinem Standort isoliert.

Gleich daneben ist die Steuerverwaltung domiziliert. Auf der anderen Strassenseite findet man Gemischtwarenläden im Billigsegment, die eine ganz andere Klientel anlocken. So unterschiedliche, zufällig zusammengewürfelte Geschäfte und Serviceangebote schaffen gegenseitig keinen Mehrwert und keine Inspiration für den Konsum.

Barbereich im Modegeschäft «Les Deux»: Für Filippo Twerenbold Teil eines innovativen Ladenkonzepts. (Bild: Beat Holdener)

Hohe Ladenmieten als Bremsklotz

«Wo kuratiert wird, werden funktionierende Einkaufserlebnisse geschaffen», weiss Filippo Twerenbold aufgrund seiner internationalen Erfahrung. In unserem politischen System sind aktive Eingriffe in die gewachsene Detailhandelsstruktur allerdings schwieriger zu realisieren als in zentralistischen Staaten. Dazu braucht es einerseits innovative Geschäftsleute, andererseits die Bereitschaft der Immobilieneigentümer und der Behörden.

Problematisch sind in Zug die hohen Mietpreise für Ladenflächen. Diese müssen sinken oder für kultur- und einkaufsfördernde Konzepte mit einer weniger hohen Wertschöpfung in irgendeiner Form subventioniert werden. Die Vermieter, aber auch die Stadtbehörden sind diesbezüglich ebenfalls gefordert.

«Der Weg ist nicht einfach», sagt Filippo Twerenbold und er hofft, dass die Umstrukturierung des Detailhandels in Zug auf freiwilliger Basis funktionieren wird. Die verschiedenen Akteure müssen sich dazu auf eine gemeinsame Strategie und eine Kuration des Geschäftsmixes einigen. Im angelaufenen Mitwirkungsverfahren der Stadt Zug sieht Filippo Twerenbold einen positiven Ansatz: «Das Potenzial für einen attraktiven Einkaufsort wäre da.»

Stadt regt Diskussion an

Im laufenden Mitwirkungsprojekt der Stadt Zug für den Detailhandel wurden in einer Online-Veranstaltung Anfang Februar Input-Referate zu den Zukunftsperpektiven gehalten, unter anderem von Filippo Twerenbold. In Arbeitsgruppen sollen ab 25. Mai Strategien, Projekte und Massnahmen ausgearbeitet werden. Themen sind unter anderem Formen der Zusammenarbeit, Digitalisierung, Rahmenbedingungen oder Handel im öffentlichen Raum. (Infos unter www.mitwirken-zug.ch)

Der Prozess wird von der Vereinigung Pro Zug moderiert. Präsidentin Johanna Margraf hofft auf möglichst viele Inputs für den Detailhandel, die rasch umgesetzt werden können. Die Möglichkeit für die Mitglieder, aktiv mitzugestalten, kommt für sie zum richtigen Zeitpunkt. Dank den von der Stadt Zug an die Bevölkerung verteilten Einkaufsgutscheinen und der Übernahme der Mitgliederbeiträge für eineinhalb Jahre konnte Pro Zug über 120 Geschäfte dazugewinnen.

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