Experte der Hochschule Luzern klärt auf

Jetzt mal ehrlich: Was sind eigentlich NFT?

Tim Weingärtner, Dozent an der Hoschule Luzern, erklärt, wieso diese Affenbilder im NFT-Handel gerade der letzte Schrei sind.

Rund um NFT läuft gerade ein Hype. Doch abgesehen davon, dass es irgendetwas mit Affenbildern zu tun hat: Viele wissen nicht, was NFT sind. zentralplus hat den Experten der Hochschule Luzern um eine Erklärung «for dummies» gebeten.

Was sind eigentlich NFT? Diese Frage ist in meinem Umfeld in den vergangenen Wochen regelmässig aufgetaucht. Schliesslich besteht ein riesiger Hype rund um das Thema und es fliessen Millionen-Beträge in diesem Geschäft (zentralplus berichtete). «Irgendwas mit Bildern», weiss einer. Eine andere erklärt: «Das steht doch für Non-Fungible Token.» Toll, als würde das in irgendeiner Form weiterhelfen.

Da mein Umfeld offenbar nicht schlauer ist als ich selbst, haben wir einen Experten kontaktiert. Tim Weingärtner ist Dozent an der Hochschule Luzern und beschäftigt sich intensiv mit den Themen Blockchain und Smart Contracts, einer Art digitaler Verträge. Genau der richtige Mann also, um endlich etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

zentralplus: Herr Weingärtner, ich muss Sie vorwarnen. Mein Informatikwissen beschränkt sich praktisch auf das Ein- und Ausschalten eines Computers. Können Sie mir trotzdem erklären, was NFT sind?

Tim Weingärtner: Ich werde es versuchen. Sie wissen, was Bitcoins sind?

zentralplus: Ja, im Ansatz …

Weingärtner: Bitcoins sind sogenannte «fungible token», also sozusagen ein austauschbarer Jeton. Es spielt keine Rolle, ob Sie diesen oder einen anderen Bitcoin besitzen. Das ist wie bei einem Fünfliber. Jeder hat einen Wert von fünf Franken, unabhängig davon, welche Münze Sie besitzen. Über eine Art Passwort, den sogenannten Private Key, habe ich Zugriff auf «meine» Bitcoin und kann sicherstellen, dass niemand anderes diese ausgibt.

zentralplus: Und bei NFT ist das anders?

Weingärtner: Genau, NFT sind eben non-fungible, also nicht austauschbar. Das heisst, jedes NFT ist einzigartig und hat eine spezifische Identifikationsnummer (ID). Diese Nummer können Sie kaufen oder verkaufen. Wie bei Bitcoin ist der Zugriff geschützt und deren Eigentümerin lässt sich eindeutig feststellen.

zentralplus: Und wie hängt das jetzt mit diesen Affenbildern zusammen?

Weingärtner: Grundsätzlich sind NFT eine Technologie. Sie ermöglicht es, dank dieser spezifischen ID digitale Elemente einzigartig zu machen. Weil es eben nur eine einzige solche ID gibt. Jetzt kann ich alles Mögliche mit dieser Nummer verbinden. Beispielsweise ein digitales Kunstwerk oder ein Musikstück. So werden NFT derzeit am häufigsten genutzt.

«Es ist wichtig zu betonen: Das NFT ist nicht das Kunstwerk selbst.»

Tim Weingärtner, Dozent Hochschule Luzern

zentralplus: Das Kunstwerk ist dann an diese spezifische Nummer des NFT gebunden?

Weingärtner: Genau. NFT sind Eigentumszertifikate. Das Kunstwerk ist virtuell an die Identifikationsnummer gebunden. Und weil Sie der Besitzer dieser Nummer sind, gehört Ihnen auch das Bild. Meistens kommen NFT im digitalen Kunstmarkt zum Einsatz. Denn im Gegensatz zu einem physischen Gemälde braucht es nur einen Mausklick, um beispielsweise ein JPG oder PDF zu kopieren. Das NFT kann dies zwar nicht verhindern, aber es liefert einen virtuellen Nachweis, dass das Originalbild Ihnen gehört. Aber es ist wichtig zu betonen: Das NFT ist nicht das Kunstwerk selbst.

zentralplus: Wenn ich ein Foto ins Netz stelle, kann ich es ja auch mit einem Eigentumsrecht versehen. Worin unterscheidet sich ein NFT dann von einem herkömmlichen Bildrecht?

Weingärtner: Bei einem gewöhnlichen Bild im Netz ist es schwierig, den Ursprung nachzuweisen. Wie wollen Sie beweisen, dass Sie dieses Bild gemacht haben, wenn es jeder einfach kopieren kann? Dafür brauchen Sie einen Notar. Bei NFT eben nicht. Das Bild ist mit dem NFT verknüpft. Und Sie selbst können nachweisen, dass Ihnen das NFT und somit auch das Bild gehört. Für Kunstschaffende ist das natürlich sehr interessant, weil sie Ihre Kunstwerke über neue Wege verkaufen können.

«Cristiano Ronaldo hat eine NFT-Autogrammkarte von sich für 290'000 Dollar verkauft.»

zentralplus: Ist darum so ein Hype um das Thema entstanden?

Weingärtner: Ja, es steigen immer mehr Kunstschaffende in den Markt ein, auch seriöse Künstlerinnen. Für den aktuellen Hype braucht es aber noch mehr.

zentralplus: Und zwar?

Weingärtner: Grundsätzlich ist es ein neues Thema und das interessiert die Menschen halt. Dann sind bekannte Personen oder Marken wie Nike und Adidas auch in den Markt eingestiegen. Cristiano Ronaldo hat beispielsweise eine NFT-Autogrammkarte von sich für 290'000 Dollar verkauft. Viele Leute hören dann solche Zahlen und wollen auch einsteigen. Sie sehen das grosse, schnelle Geld.

zentralplus: Von welchen Beträgen sprechen wir hier?

Weingärtner: Das ist nach oben offen. Der Hype drückt sich letztlich gerade in den von Ihnen genannten Affenbildern aus. Ob das nun Kunst ist oder nicht, sei dahingestellt. Dennoch hat der Popstar Justin Bieber erst kürzlich 1,3 Millionen Dollar für das NFT eines dieser Affenbilder hingeblättert.

Für knapp 90'000 Franken gehört dieses Bild eines gelangweilten Party-Affen bald dir. (Bild: Open Sea / Bored Ape Yacht Club)

zentralplus: Das klingt ja jetzt alles irgendwie ganz verlockend und unproblematisch. Wo liegt also der Haken?

Weingärtner: Wie bei vielen gehypten Themen ist eine Blase entstanden. Diese droht irgendwann zu platzen. Darin unterscheiden sich NFT weder von Bitcoins noch vom Immobilienmarkt. Alle wollen rein, die Blase bläht sich auf und das Risiko, dass alles zusammenbricht und massiv an Wert verliert, steigt.

«Jetzt NFT zu kaufen, ist etwa ähnlich riskant wie in Hochrisikoaktien zu investieren.»

zentralplus: Nicht besonders nachhaltig also?

Weingärtner: Ich finde es wichtig, dass wir hier unterscheiden zwischen dem Hype und der grundsätzlichen Technologie. Der Hype ist wohl kaum nachhaltig. Die Technologie hingegen schon. Denn in der digitalen Welt liess sich bisher alles beliebig vervielfältigen. NFT bringen nun eine Einzigartigkeit in diese schnell wachsende Welt, die es bisher nicht gab.

zentralplus: Eine letzte Frage: Soll ich mir auch NFT kaufen?

Weingärtner: Finanzielle Ratschläge erteilte ich sicher nicht. Nur so viel: Falls Sie NFT kaufen wollen, verwenden Sie dafür nicht Ihre Pensionskassengelder. Sondern eher Spielgelder, auf die Sie weniger stark angewiesen sind. Denn jetzt NFT zu kaufen, ist etwa ähnlich riskant wie in Hochrisikoaktien zu investieren.

NFT kaufen – so geht's

Die meisten NFT-Geschäfte werden über die Kryptowährung Ethereum abgewickelt. Um ein NFT zu kaufen, brauchst du also Ethereum. Ein Ethereum kostete am 4. Februar rund 2'600 Franken. Der Kurs ist allerdings sehr volatil.

«Ein NFT zu kaufen, ist dann relativ einfach», erklärt Weingärtner. Die Online-Plattform «Open Sea» beispielsweise bietet hunderttausende NFT zum Kauf an. Darunter auch die ominösen Affenbilder. Diese bewirtschaftet das Kollektiv «Bored Ape Yacht Club». Das Kollektiv hat insgesamt schon Transaktionen im Wert von über einer Milliarde Franken gehandelt, Tendenz stark steigend.

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