Gaudenz Zemp, des. Direktor Gewerbeverband Luzern

«Ich betrachte Steuern nicht ideologisch»

Die Regale werden bald geräumt. Der zukünftige Direktor des Gewerbeverbandes Gaudenz Zemp in seinem Büro an der Hochschule Luzern.

(Bild: tob)

Nach 14 Jahren tritt Werner Bründler Ende Juli 2014 als Direktor des Luzerner Gewerbeverbandes zurück. Sein Nachfolger Gaudenz Zemp spricht im Interview mit zentral+ über seine Sicht auf das Luzerner Gewerbe, den Fachkräftemangel in gewerblichen Berufen und erklärt, weshalb die linken Parteien im Steuerstreit aus seiner Sicht falsch liegen.

zentral+: Gaudenz Zemp, wie lautet Ihre Einschätzung zum Luzerner Gewerbe?

Gaudenz Zemp: Die Wirtschaftslandschaft im Kanton Luzern ist zum Glück geprägt durch KMU, das wird besonders im schweizweiten Vergleich deutlich. Das Gewerbe hat also eine grosse Bedeutung für den Kanton und die Wirtschaft. Wie bereits angedeutet, ist das Gewerbe allerdings sehr fragmentiert und man nimmt immer wieder andere Bereiche davon wahr. Als Beispiel dient hier der Detailhandel, in den Diskussionen zum Ladenschlussgesetz.

zentral+: Bei der kantonalen Abstimmung über die verlängerten Ladenöffnungszeiten bezog der Gewerbeverband Luzern damals keine offizielle Position, jetzt unterstützt er einen nationalen Vorstoss für längere Öffnungszeiten. Wieso diese Kehrtwende?

Zemp: Zu laufenden politischen Geschäften möchte ich mich im Moment noch nicht äussern. Aber ich kann vielleicht eine Einschätzung abgeben zum kommunikativen Aspekt dieser Diskussion.

zentral+: Gerne.

Zemp: Auf der einen Seite gibt es eine schweizweite Optik. Hier muss man sagen, es braucht eine nationale Regelung der Ladenöffnungszeiten. Es macht keinen Sinn, dass jemand, der an der Kantonsgrenze ein Geschäft betreibt, innerhalb eines Kilometers andere Vorgaben bezüglich der Öffnungszeiten vorfindet. Das hat der Gewerbeverband übrigens schon 2012 in einem Positionspapier festgehalten. Aber es kann auch nicht im Interesse des Kantons Luzern sein, diesbezüglich sämtliche Entscheidungskompetenzen an den Bund abzutreten.

zentral+: Und wie lautet Ihr Fazit?

Zemp: Beide Sichtweisen machen Sinn, je nach Optik. Aber diese Diskrepanz macht den Entscheid und dann vor allem auch seine Kommunikation sehr schwierig. So hat man dem Verband jetzt eine Kehrtwende vorgeworfen, obwohl er eigentlich nur konsequenterweise auf sein Positionspapier von 2012 verwiesen hat.

«Mit den meisten Uniabschlüssen ist man noch keine Fachkraft»

zentral+: Eindeutig kommuniziert wurde dafür, dass es dem Gewerbe nicht gelingt, alle Lehrstellen zu besetzten. Knapp 150 Ausbildungsplätze blieben im vergangenen Jahr unbesetzt.

Zemp: Oft orientiert man sich heute nicht mehr an der Praxis, sondern am Prestige des Abschlusses. Wir leben mitten in Europa und neigen dazu, uns den Bildungsstrukturen des Auslands anzupassen. Dort kommen sie kaum um einen Bachelor-Abschluss herum. Hinzu kommt der Ehrgeiz der Eltern, die ihrem Kind den höchstmöglichen Titel wünschen.

zentral+: Also ein Bachelor- oder Masterdiplom von der Universität.

Zemp: Ja, für viele junge Leute besteht sicherlich ein gewisser Druck, eine gymnasiale Matura zu machen. Wenn es sein muss auf Biegen und Brechen, um anschliessend an einer Uni studieren zu können. Mit den meisten Uniabschlüssen ist man aber noch keine Fachkraft, oft fehlt jeder Praxisbezug.

zentral+: Dafür fehlen die Fachkräfte in zahlreichen gewerblichen Betrieben.
 
Zemp: Das ist so. Besonders im IT- und Ingenieurbereich. Dort finden junge, gut ausgebildete Leute heute ohne grössere Probleme eine Stelle. Und mittelfristig fehlen uns in diesem Bereich, je nach Zahlen, 40’000 bis 70’000 Fachkräfte. Letztlich liegt das Problem aber weniger bei den fehlenden Lehr-Interessierten, sondern daran, dass die Verteilung auf die Berufssparten nicht im Gleichgewicht ist. Teils hat man zu viele Interessenten und teils fast keine. Ein Beispiel hierfür ist auch der Metzgerberuf.

zentral+: Wie kann der Gewerbeverband dieser Entwicklung entgegenwirken?

Zemp: Man muss darum besorgt sein, die Berufslehre so attraktiv wie möglich zu gestalten und das Image bestimmter Berufsbranchen zu verbessern. Die Entscheidung zwischen Gymnasium und Berufslehre soll so öfter zu Gunsten einer Ausbildung in den Betrieben der gewünschten Branchen ausfallen. Wichtig ist zudem die Attraktivität der Berufsmatura und im Anschluss die berufsbegleitenden Studiengänge, damit die Verbindung mit der Praxis stets erhalten bleibt. Aber schlussendlich bleiben es gesellschaftliche Strömungen, wie eine Orientierung am universitätsorientierten europäischen Bildungssystem oder der elterliche Ehrgeiz, die auch der Gewerbeverband nicht gross beeinflussen kann. 

zentral+: Betreiben Sie eigentlich gerne Lobbying?

Zemp: Durchaus. Wir hatten an der Hochschule Luzern zwei Fälle, bei denen ich mich intensiv mit politischer Kommunikation zu beschäftigen hatte. Einerseits als unser Konkordat gefährdet war und andererseits als sich die Hochschule Luzern gegen die geplante Wirtschaftsfakultät der Uni Luzern ausgesprochen hat. In beiden Fällen habe ich gemerkt, dass ich diese politische Kommunikation spannend finde und auch sehr gerne mache.

zentral+: Gehören Sie selber einer politischen Partei an?

Zemp: Nein, ich bin bei keiner Parteimitglied.

zentral+: Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil für Ihre zukünftige Tätigkeit?

Zemp: Ich betrachte es eher als Vorteil. Ich bin diesbezüglich ein unbeschriebenes Blatt und man kann mich weniger leicht schubladisieren. Wahrscheinlich fällt es vielen Personen dadurch einfacher, mir gegenüber zuerst einmal offen zu bleiben.   

«Luzerner sind im Vergleich unkomplizierte und zupackende Typen»

zentral+: Im Kantonsrat wurde in diesen Tagen über die Einflussnahme des Gewerbeverbandes auf gewerbenahe Parlamentarier diskutiert. Wie nahe möchten Sie die Gewerbevertreter im Parlament in Zukunft begleiten?

Zemp: Am Ende des Tages haben wir ein System, in welchem eine Person von der Bevölkerung in den Kantonsrat gewählt wird und dort auch die Anliegen seiner Wähler vertreten soll. Aus Sicht des Gewerbeverbandes braucht es einen engen inhaltlichen Austausch und ein frühes Begleiten in parlamentarischen Prozessen, um die Politiker mit Argumenten auszurüsten, mit ihnen komplexe Sachverhalte aufzuschlüsseln und so die Meinungsbildung zu erleichtern.  

zentral+: Was sagen Sie zum Vorgehen ihres Vorgängers, der Parlamentarier öffentlich rügte, weil diese nicht im Sinne des Gewerbeverbandes stimmten?

Zemp: Diesen Vorfall möchte ich nicht kommentieren. Grundsätzlich ist natürlich klar, dass der Gewerbeverband gerne möglichst verlässliche Interessensvertreter hätte. Wie man dies sicherstellen kann, ist aktuell noch Sache meines Vorgängers. Ich werde mich ab August damit beschäftigen und diesbezüglich die Vorgaben des Zentralvorstandes umsetzen. 

zentral+: Gibt es trotzdem Erwartungen an die Gewerbevertreter der Luzerner Politik?

Zemp: Die Frage ist für mich vielmehr: Wie kann der Gewerbeverband die Politiker unterstützen. An sich müsste man davon ausgehen, dass ihre Interessen mit jenen des Verbandes übereinstimmen. Offensichtlich gibt es hier teilweise noch Handlungsbedarf.

zentral+: Wie beurteilen Sie die Argumente der linken Parteien, die eine Erhöhung der Unternehmenssteuern im Kanton Luzern fordern?

Zemp: Der Gewerbeverband ist überzeugt davon, dass die eingeschlagene Steuerstrategie langfristig aufgeht. Die Mittel müssen in den Unternehmen bleiben, wo Arbeitsplätze geschaffen werden. Es braucht hier nun aber Kontinuität. Auf der anderen Seite stehen im Kanton mit dem Projekt «Leistungen und Strukturen II» notwendige Einsparungen in der Höhe von 250 Millionen Franken bevor. Das sind einschneidende Vorgaben. In diesem Spannungsfeld sucht natürlich jede Partei für sich nach Lösungen, die aus ihrer Optik richtig sind – so auch die SP. Ich halte ihren Ansatz aber für falsch.

zentral+: Wie beurteilen Sie persönlich diese Spardebatte?

Zemp: Ich finde es wichtig, dass die Regierung schnellstmöglich konkrete Vorschläge zu den Einsparmöglichkeiten präsentiert. Dann gilt es, sachlich darüber zu diskutieren. Bevor man über die Einnahmenseite, also Steuern, diskutiert, gilt es sicherlich zuerst, den Fokus auf die Ausgabenseite zu legen.

zentral+: Das tönt nicht so, als würden Sie Steuererhöhungen partout ablehnen wollen.

Zemp: Ich betrachte Steuern nicht ideologisch. Wir werden nie eine Welt ohne Steuern erleben. Der Staat hat seine Funktion und er muss entsprechend finanziert sein. Der Gewerbeverband ist aber an optimalen Rahmenbedingungen für das Gewerbe interessiert. Und das ist nun einmal ein schlanker, effizienter Staat. Der Gewerbeverband ist der Meinung, dass hier noch Sparpotential vorhanden ist.

zentral+: Die tiefen Steuern werden als wichtiger Standortfaktor hervorgehoben. Welche Faktoren sprechen sonst noch für den Wirtschaftsstandort Luzern?   

Zemp: Ich habe viel auf nationaler Ebene gearbeitet. Mein Fazit ist: Luzerner sind im Vergleich unkomplizierte und zupackende Typen. Zu dieser Tugend kommt die zentrale Lage in der Schweiz, aber auch in Europa. Auch mit der Ausbildung von jungen Fachkräften, z.B. an der Hochschule Luzern, konnte man Impulse setzen, denn diese Leute studieren in Luzern und möchten danach auch im Raum Luzern arbeiten. Zudem ist Luzern ist ein wunderschöner Kanton mit einer hohen Lebensqualität. Die Stadt selber bietet für eine Kleinstadt sehr viel.

zentral+: Weshalb haben Sie sich für den Posten des neuen Direktors beim Luzerner Gewerbeverband beworben?

Zemp: Ich bin seit sieben Jahren an der Hochschule Luzern tätig, 51 Jahre alt und gehe davon aus, dass ich bis zum Pensionierungsalter von 65 Jahren arbeiten werde. Wir schliessen hier an der Hochschule Luzern gerade zwei, drei grössere Projekte unter meiner Leitung ab und für mich kam der Moment, an dem ich mich gefragt habe, wie ich mich beruflich nochmals verändern kann. Dann sah ich die ausgeschriebene Stelle des Gewerbeverbandes und die hat mich sofort angesprochen.

zentral+: Wie nehmen Sie Ihren zukünftigen Arbeitgeber heute wahr?

Zemp: Ich finde den Begriff «Gewerbe» in der heutigen Gesellschaft nicht immer einfach. Die traditionellen Handwerksberufe sind für den Verband von grösster Bedeutung, aber er ist thematisch breiter aufgestellt, als er oft wahrgenommen wird. KMU ist für viele leichter verständlich. Der Gewerbeverband ist ja auch die Dachorganisation aller KMU.

zentral+: So wie Sie das formulieren, hat sich auch Ihr Bild vom Gewerbeverband verändert.

Zemp: Ich habe durch die Beschäftigung mit dem Gewerbeverband einfach gemerkt, wie viele verschiedene Berufsgruppen und Branchen an den Gewerbeverband angeschlossen sind. Die Luzerner Wirtschaft ist thematisch sehr breit gefächert. Zukünftig wird es wichtig sein, dass sich das Bild in der Öffentlichkeit deckt mit dem Bild, welches der Verband von sich selber hat.

zentral+: Wie sieht dieses Selbstbild des Gewerbeverbandes aus?

Zemp: Grundsätzlich geht es darum, optimale Rahmenbedingungen für alle KMU’s zu schaffen, ihre Interessen zu vertreten, Beratungsmöglichkeiten anzubieten, einen Know-how-Transfer zu ermöglichen und sich in die verschiedenen Kommissionen und Gremien einzubringen.

Zur Person

Gaudenz Zemp wird ab dem 1. August neuer Direktor des Gewerbeverabdnes Luzern. Seit Januar 2008 ist er Mitglied der Geschäftsleitung der Hochschule Luzern. In dieser Funktion ist er verantwortlich für das Marketing und die Kommunikation dieser grössten Bildungsinstitution der Zentralschweiz. Vor seinem Eintritt bei der Hochschule war Zemp Mitinhaber einer Marketing- und Werbeagentur in Zürich. Er besitzt einen Lizentiatsabschluss und ein Executive MBA der Universität Zürich.

Gaudenz Zemp ist verheiratet mit Miriam Lüthy Zemp (51). Gemeinsam haben sie drei erwachsene Kinder und zwei Grosskinder. Sie wohnen in St. Niklausen/LU.

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