Haferflocken: Was die leeren Müsli-Regale bedeuten
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Haferflocken fehlen seit Wochen in den Regalen. Lebensmittelhändlerinnen bekommen kaum noch Haferprodukte geliefert. Das betrifft auch die Luzerner Betriebe Hug und Emmi. Bald werden deswegen Dar-Vida & Co. auch teurer.
Seit Wochen fehlen in verschiedenen Lebensmittelgeschäften Haferflocken. Die Regale sehen aus, als wäre der nächste Lockdown verhängt worden. Dabei handelt es sich keineswegs um Müsli-Hamsterkäufe. Nur: Gewisse Getreidesorten kommen fast ausschliesslich aus der Ukraine. Und das Land am Schwarzen Meer wird nicht von Ungefähr die «Getreidekammer Europas» genannt.
Deswegen werden seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine Ende März die Lieferungen von Getreide, Ölen und anderen Landwirtschaftsprodukten rar. Besonders stark betroffen ist auch die Haferproduktion. Unterdessen sind die Lieferungen so stark zurückgegangen, dass in den Lebensmittelgeschäften kaum mehr Haferflocken zu finden sind. Von den Lieferengpässen sind auch Luzerner Betriebe betroffen. Gibt es also bald kein Müsli mehr?
Die Lieferengpässe betreffen auch die Luzerner Betriebe
Zwar wird im Kanton Luzern kein Müesli produziert, aber auch andere Produkte basieren auf oder enthalten Hafer. Zum Beispiel verschiedene pflanzliche Milch- und Joghurtprodukte. Die Emmi-Gruppe hat seit einigen Jahren ihre Produktion von Haferprodukten ausgebaut. Dazu gehört vor allem die Beleaf-Reihe mit Produkten wie Hafermilch.
«Die Haferbestände sind aufgrund der schlechten Ernte im Sommer 2021 knapp.»
Simone Burgener, Mediensprecherin Emmi-Gruppe
Bei Emmi steht im Bereich Hafer allerdings nicht der Krieg im Vordergrund. «Die Haferbestände sind aufgrund der schlechten Ernte im Sommer 2021 knapp», sagt Simone Burgener. Sie ist die Mediensprecherin der Emmi-Gruppe. Allerdings hat Emmi vorgesorgt: «Dank langfristiger Planung und frühzeitiger Absicherung durch Kontrakte können wir die Produktion von unserer Hafermilch aus Schweizer Hafer jedoch sicherstellen.»
Hinzu kam auch ein Quäntchen Glück: «Wir können von Glück reden, dass die Planung gerade aufgegangen ist.» Für Simone Burgener war das aber die grösste Aufregung. Denn der Hafer komme vollständig aus Schweizer Produktion. Und das Wetter hat mitgemacht. «Dieses Jahr wird die Ernte gut ausfallen, sodass wir keine Knappheit erwarten», erklärt sie. Das bestätigt auch der Branchenverband Swissgranum. Laut seinen Einschätzungen könnte der Ertrag noch höher ausfallen als die +4,2 Prozent, die man angenommen hatte.
Einige Betriebe steigen beim Öl wieder auf Palmöl um
Bei der Hug AG, die erst kürzlich ihre neue Produktionsstätte eröffnet hat, spürt man die Auswirkungen besonders bei den fettreichen Produkten. «Vor allem Produkte, die viel Fett enthalten, sind betroffen. Also Produkte mit Palmfett, Butter, Sonnenblumen- oder Rapsöl. Denn die Ukraine ist eine Riesenproduzentin von Sonnenblumenöl», sagt Co-Geschäftsleiterin Anna Hug.
«Wir sehen, dass einige Produzentinnen, die vor Jahren auf Sonnenblumenöl umgestiegen sind, nun wieder zum Palmöl greifen.» Hug sei zu einem grossen Teil aus dem Palmöl ausgestiegen. Anna Hug sieht aber auch die Kehrseite: Es gäbe sicher auch einen Schub in die andere Richtung. Einige Betriebe wollten jetzt erst richtig nachhaltig sein.
Die Preise werden bald nochmals steigen
Die Hafermilch von Emmi ist also vorerst gesichert. Das dürfte zumindest Laktoseintolerante beruhigen. Bei den Haferflocken aus ausländischer Produktion wird es allerdings noch eine Weile karg aussehen.
«Vor allem die Strom- und Gaspreise explodieren geradezu. In den zwölf Jahren, die ich im Geschäft arbeite, habe ich so etwas noch nie gesehen.»
Anna Hug, Co-Geschäftsleiterin Hug AG
Aber die Auswirkungen für Konsumentinnen begrenzen sich nicht nur auf das Regal mit den Haferflocken. Da auch andere Rohstoffe aus der Ukraine fehlen und deren Preise in die Höhe schiessen, sind viele verschiedene Produkte betroffen. «Die Auswirkungen sind sehr divers und unterscheiden sich stark, je nach Produkt», sagt Anna Hug.
Was die Situation nämlich verschärft: Die Energieunsicherheit treibt die Teuerung zusätzlich an. Besonders die Preise für Gas und Strom haben sich um ein Vielfaches erhöht. Das schlägt sich langfristig auch in den Produktpreisen nieder. «Der Preisdruck ist enorm gross», sagt die Co-Geschäftsführerin der Hug AG. «Vor allem die Strom- und Gaspreise explodieren geradezu. In den zwölf Jahren, die ich im Geschäft arbeite, habe ich so etwas noch nie gesehen», ergänzt Anna Hug.
Wie teuer wird der Pausenklassiker Dar-Vida?
Hug musste bereits Preisanpassungen vornehmen, werde das aber nochmals tun müssen. Ähnlich heisst es bei der Emmi: «Rein betriebswirtschaftlich müssen wir einen Teil der Teuerung weitergeben», erklärt Simone Burgener. Allerdings geschehe das immer erst verzögert. «Als Unternehmen trägt man die Kosten eine Zeit lang selber, bis man sie weitergeben kann.»
Wie sieht es nun konkret aus? Zum Beispiel beim Erfolgsschlager und Kultpausensnack Dar-Vida? In den Regalen hat es von den über 20 Sorten derzeit noch genug. Je nach Produkt würden die Snacks allerdings in nächster Zeit die Vier- beziehungsweise Fünf-Franken-Grenze überschreiten, heisst es vonseiten von Hug.
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Die Schweizer Politik hat die Energiewende verschlafen
Der Knackpunkt bei Hug wie auch bei der Emmi sind die energieintensiven Abläufe. Das Backen und Kühlen brauche viel Energie. Ebenso das Erhitzen der Milch. «Wir nutzen zu 80 Prozent nachhaltige Energie. Doch die Prozessspitzen können wir nur mit Gas oder Heizöl abdecken. Das betrifft vor allen den Teil des Erhitzens, bei der die Milch haltbar wird.»
Emmi deckt am Standort in Emmen mit einer Holzschnitzenanlage 80 Prozent der Prozessenergie ab. Hinzu kommt Solarstrom. Bei Hug deckt man möglichst viel mit Wasserkraft ab. Seit sie in Malters ihre neue Produktionsstätte eröffnet hat, können sie auch Sonnenenergie nutzen. Denn das Dach des Backhauses ist komplett mit Fotovoltaik ausgestattet.
Doch der Solarstrom reiche bei Weitem nicht, um einen intensiven Betrieb aufrechtzuerhalten. «Die Sonnenenergie deckt nur einen kleinen Teil. Wir werden zwar noch ausbauen, aber auch damit wird es nicht reichen», sagt Anna Hug.
Anna Hug würde gern mehr erneuerbare Energie verwenden, aber in der Schweiz sei zurzeit zu wenig möglich. «Wir haben das in der Schweiz politisch verschlafen. Die Folgend des Investitionsstaus sehen wir jetzt.»
- Telefonat mit Anna Hug, Co-Geschäftsleiterin der Hug AG
- Telefonat und schriftlicher Austausch mit Simone Burgener, Mediensprecherin Emmi-Gruppe
- Medienmitteilung von Swissgranum
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