Chefin sagt, wie die Luga dem Messesterben trotzt

Frau Roos, sind Gemüseraffeln und Säulirennen noch zeitgemäss?

Luzia Roos-Bättig ist seit 2013 Messeleiterin der Luga – und glaubt an die Zukunft der Ausstellung.

(Bild: jal)

Basel, Zürich, Lausanne: Die grossen Publikumsmessen werden reihum eingestellt. Das Format sei veraltet, heisst es. Die Luzerner Luga will davon nichts wissen. Im Interview sagt Messeleiterin Luzia Roos-Bättig, was die Luga besser macht als die «Mutter aller Messen».

Die Messe ist tot. Zumindest wird sie totgesagt. Der Baselworld springen die Uhrenfirmen ab, dem Autosalon die Hersteller. Die Zürcher Herbstmesse Züspa wurde kürzlich beerdigt, genauso wie die Comptoir in Lausanne und die Cantonale in Freiburg. Spätestens nach dem Ende der historischen Mustermesse in Basel diesen Februar hiess es vielerorts, das Format sei nicht mehr zeitgemäss und altbacken.

Die Luga in Luzern hingegen feiert dieses Jahr das 40-Jahr-Jubiläum (zentralplus berichtete). Luzia Roos-Bättig leitet die Frühlingsmesse seit sechs Jahren – und will von einem Messesterben nichts wissen. Die 54-jährige Luzernerin sagt, was die Luga besser macht als ihre Mitstreiterinnen in anderen Städten.

zentralplus: Frau Roos-Bättig, wenn ich ein neues Produkt brauche, finde ich im Internet alle Informationen und kann es dort auch gleich bestellen. Wieso soll ich als Konsument überhaupt an die Luga kommen – und dafür noch Eintritt bezahlen?

Luzia Roos-Bättig: Vielleicht sind Sie unsicher, was das Produkt betrifft, vielleicht haben Sie Fragen oder wollen mehr über die Firma und die Menschen dahinter wissen – kurz: Wenn Sie eine Beratung oder ein gutes Bauchgefühl brauchen, erhalten Sie das alles an der Luga. Zudem ist die Messe auch seit jeher ein beliebter Treffpunkt mit einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm.

«Die Kombination zwischen analogem und digitalem Kanal wird die Zukunft sein.»

zentralplus: Die Luga verbindet man traditionell etwa mit Gemüseraffel und Bouillon – nicht gerade die Produkte, für die man eine Beratung braucht.

Roos-Bättig: (lacht) Das sind aber womöglich genau jene Produkte, die man nur an einer solchen Messe findet. Klar kommt es stark auf das Produkt an. Einen Haarföhn zum Beispiel kaufen die meisten wohl ziemlich spontan. Aber wer eine neue Matratze sucht, kann eine bessere Entscheidung treffen, wenn er die Produkte gleich vor Ort vergleichen, ausprobieren und berühren kann.

Das Säulirennen ist einer der Höhepunkte im Rahmenprogramm der Luga.

Das Säulirennen ist einer der Höhepunkte im Rahmenprogramm der Luga.

(Bild: Arnet Foto Grafik)

zentralplus: Aber werden sie auch dort erworben? Der Detailhandel kennt ja das Problem: Die Leute lassen sich beraten, nutzen die Informationen im Laden – und kaufen dann trotzdem im Internet ein.

Roos-Bättig: Die Kunst besteht tatsächlich darin, dass die Aussteller es schaffen, den Verkauf an der Messe abschliessen zu können. Da sind die Verkäufer gefordert, ihr Angebot entsprechend zu gestalten. Gerade für Kleinunternehmen ist es oft aufwendig, einen professionellen Online-Handel zu betreiben. An der Luga erreichen sie hingegen innert Kürze enorm viele potenzielle Käufer. Die Luga ist zudem ein idealer Marktplatz, gerade auch um Prototypen zu testen – hier kann man direkt Marktforschung betreiben. Und nicht zuletzt kommen Aussteller auch mit dem Ziel, ihre Bekanntheit zu steigern, Imagepflege zu betreiben, das Netzwerk zu pflegen oder Wissen zu vermitteln. 

«Ich bin überzeugt, dass Publikumsmessen wie die Luga eine Zukunft haben.»

zentralplus: Dabei könnten Firmen doch sagen, wir haben im Internet unsere Plattform und brauchen keine Messe mehr.

Roos-Bättig: Es wäre vermessen zu sagen, wir spürten die Digitalisierung nicht. Klar gibt es immer wieder Firmen, die sagen, sie verzichten zukünftig auf den Besuch der Messe. Aber wir gewinnen auch immer wieder neue Aussteller. Insgesamt 13 Unternehmen sind übrigens seit 40 Jahren jedes Mal mit an der Luga dabei. Wir müssen die Messe als Plattform gut präsentieren, damit die Aussteller die Chancen des persönlichen Auftritts an der Luga erkennen. Ich bin überzeugt, dass es bei vielen Produkten nach wie vor den persönlichen Kontakt braucht. Es ist aber auch unsere Aufgabe, uns so weiterzuentwickeln, dass wir als Luga zusätzlich einen digitalen Kanal schaffen, auf dem sich unsere Aussteller präsentieren können.

zentralplus: Quasi eine digitale Luga?

Roos-Bättig: Ja, genau. Erste Schritte in diese Richtung haben wir bereits gemacht. Wir wollen digitale Kanäle nutzen, um Themen sichtbarer zu machen und die Vielfalt der Luga besser aufzuzeigen. Diese Kombination zwischen analogem und digitalem Kanal wird die Zukunft sein. 

Die Luga blickt auf Instagram zurück auf die Erstausgabe 1980:


 

zentralplus: Die Muba in Basel, die «Mutter aller Messen», hat im Februar nach 103 Jahren das letzte Mal stattgefunden. Hat Sie das Ende überrascht?

Roos-Bättig: Ja. Und es hat mich auch beschäftigt. Zumal die Botschaft, dass die Publikumsmesse nicht mehr zeitgemäss ist, gegenüber uns anderen, erfolgreichen Messeveranstaltern nicht gerade toll ist. Ich bin überzeugt, dass die Muba auch ihre Berechtigung hätte.

zentralplus: Sicher ist: Messen zu spezifischen Themen haben es einfacher. Auch Swatch-Chef Nick Hayek hat in Bezug auf die Baselworld gesagt, die Messe sei ein veraltetes Format. Was sagen Sie dazu?

Roos-Bättig: Das sehe ich natürlich anders. Klar haben es Fachmessen einfacher, weil sie ihre Besucher gezielter mobilisieren können. Aber Nick Hayek hat auch gesagt, man müsse die Baselworld für die Endkonsumenten öffnen. Genau das machen wir an der Luga. Es ist wie bei einem Strauss Blumen: Man kann fünf Rosen verschenken, das ist schön. Aber der Strauss hat eine ganz andere Wirkung, wenn er noch mit anderen Blumen und Grün ausgarniert ist. Schauen Sie zum Beispiel die Einkaufszentren an: Viele setzen auch zunehmend auf ein Rahmenprogramm, um für Besucher attraktiver zu werden. Ich bin überzeugt, dass Publikumsmessen wie die Luga eine Zukunft haben, weil sie ein Erlebnis für alle Sinne schaffen. Aber man muss daran arbeiten, etwas, was man in Basel wohl etwas verpasst hat.

Wer 40 wird, kann gratis rein

Die Luga 2019 findet vom 26. April bis Sonntag, 5. Mai auf der Allmend in Luzern statt. Die Gäste erwarten mehrere Sonderschauen, etwa zur Friedensförderung von Swissint, dem Modellbausystem Stokys oder zum Thema Käseproduktion. Ebenso Teil der Luga ist dieses Jahr erstmals ein Start-up-Village, in dem sich Neuunternehmer beraten lassen können.

Die Veranstalter rechnen wie in den Vorjahren mit rund 115’000 Besuchern. Der Eintritt an die Luga kostet für Erwachsene 15 Franken. Anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums dürfen alle Besucher mit Jahrgang 1979 gratis aufs Gelände.

zentralplus: Was macht denn die Luga besser als die Muba?

Roos-Bättig: Das ist schwierig zu beurteilen, weil ich die Konzepte und Ideen der Muba nicht kenne. Was ich sagen kann: Wir haben zum einen sicherlich eine andere Ausgangslage. Mit der Nähe zur Grenze und dem Einkaufstourismus dürfte es für die Muba in Basel schwieriger gewesen sein, Aussteller von der Plattform zu überzeugen. Zum anderen sind wir nahe am Markt und an den Ausstellern. Wir gehen aktiv auf Organisationen und Firmen zu, um neue Formate zu entwickeln und aktuelle Trends zu adaptieren. Wir haben dieses Jahr zum Beispiel ein Start-up-Village, eine Lädeligasse oder einen Bereich zum Thema Auszeit. Nur hohe Preise und jedes Jahr dasselbe Angebot – das reicht heute nicht mehr.

zentralplus: Die Besucherzahlen sind an der Luga in der Tat sehr konstant. Haben Sie keine Angst, dass die Entwicklung von Basel und Zürich in Luzern verzögert eintreffen wird?

Roos-Bättig: Dass ich mir da gar keine Sorgen mache, wäre zu viel gesagt. Aber wir haben Ideen und unternehmen etwas, um dem entgegenzuwirken. Und solange wir es schaffen, genügend Publikum zu mobilisieren, haben auch die Aussteller die Möglichkeit, ihre Geschäfte zu machen.

zentralplus: Der Zürcher Herbstmesse Züspa machte offenbar auch die Urbanisierung zu schaffen, Hersteller und Publikum aus der Stadt interessierten sich immer weniger für den Anlass. Auch in Luzern scheint die Luga beim ländlichen Publikum beliebter zu sein als bei den Städtern – stimmt das?

Roos-Bättig: Nein, unsere Zahlen sprechen eine andere Sprache. Die Luga ist im urbanen Raum sehr beliebt. Wir wollen deshalb zukünftig die Menschen in den Ballungszentren etwa rund um Willisau, Sursee oder Stans noch besser mobilisieren.

Das Gelände mit dem Pilatus im Hintergrund ist laut der Messeleiterin ideal.

Das Gelände mit dem Pilatus im Hintergrund ist laut der Messeleiterin ideal.

(Bild: Arnet Foto Grafik)

zentralplus: Wie erklären Sie sich, dass die Luga im städtischen Raum so gut ankommt?

Roos-Bättig: Wir haben ein wunderbares Gelände mit der Allmend, der Zeltstadt in Kombination mit den Hallen, dazu der Pilatus im Grünen: Das schafft eine Atmosphäre, in der die Gäste gerne länger verweilen als etwa in einer Messehalle irgendwo in einem Vorort. Es ist aber auch so, dass die Zentralschweizer vom Typ Mensch her eher vergleichbar sind mit den Bernern oder den St. Gallern: Sie legen Wert auf Gemütlichkeit und haben oft einen stärkeren Bezug zur eigenen Region. 

«Die Luga wird es auf jeden Fall auch in fünf Jahren noch geben.»

zentralplus: Sind die Luzerner einfacher konservativer?

Roos-Bättig: Konservativ ist das falsche Wort, aber vielleicht erdiger, so würde ich das bezeichnen. Sie sind stolz darauf, Luzerner, Zuger oder Nidwaldner zu sein und haben eine stärkere Beziehung zu einem Format wie der Luga.

zentralplus: Die Luga feiert dieses Jahr den 40. Geburtstag. Wie wird die Messe in 40 Jahren aussehen – gibt es sie dann überhaupt noch?

Roos-Bättig: In der heutigen, schnelllebigen Zeit so weit vorauszublicken, ist eine ziemliche Herausforderung. Was die nächsten Jahre anbelangt, bin ich zuversichtlich. Die Luga entwickelt sich: Bezüglich Hallenkonzept, bezüglich Fläche oder Themen wird sie sich vielleicht verändern. Aber die Luga wird es auf jeden Fall auch in fünf Jahren noch geben.

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