Kosten für Bus und Zug

Flexible ÖV-Abos: Zug und Luzern zögern, Waadt ist kreativ

Will der ÖV den Ansprüchen der Kundinnen gerecht werden, braucht es in Zukunft neue Tarifsysteme. (Bild: zvg / VBL)

Die Ansprüche an den öffentlichen Verkehr verändern sich – nicht erst seit Corona. Die Veränderungen erfordern eine Anpassung der ÖV-Abonnemente. In Zug und Luzern laufen zwar Versuche – für wirklich neue Ideen lohnt sich aber ein Blick in die Westschweiz.

Wer heute Morgen mit dem Bus oder dem Zug zur Arbeit fuhr, dürfte wohl wenig Mühe gehabt haben, einen freien Sitzplatz zu finden. Für ÖV-Pendler sicher eine der wenigen positiven Auswirkungen der Corona-Pandemie. Seit Ausbruch des Virus haben die Passagierzahlen von Bus und Bahn drastisch abgenommen und das Niveau von vor der Pandemie nie mehr erreicht (zentralplus berichtete).

Der öffentliche Verkehr in der Schweiz stand schon vor der Corona-Pandemie vor einem Umbruch. Das Virus hat diesen jedoch beschleunigt. Homeoffice und Teilzeitarbeit: beides bewirkt, dass die Zahl der Passagiere im ÖV rückläufig ist (zentralplus berichtete). Die veränderten Nutzungsansprüche erfordern Anpassungen bei den Abonnements. Denn wer bezahlt ein Jahresabonnement für den öffentlichen Verkehr, wenn er oder sie nur zweimal pro Woche zur Arbeit pendelt?

«Die haben das Gefühl, jeder arbeite 100 Prozent und pendle fünfmal pro Woche zur Arbeit.»

Preisüberwacher Stefan Meierhans zum aktuellen Tarifsystem gegenüber «20 Minuten»

Oder wie es Preisüberwacher Stefan Meierhans im vergangenen Sommer gegenüber «20 Minuten» pointiert zum Ausdruck brachte: «Das aktuelle Tarifsystem wurde von alten, weissen Männern ausgedacht, die das Gefühl haben, jeder arbeite 100 Prozent und pendle fünfmal pro Woche zur Arbeit.»

Neue Abos in Luzern

Die Branche steht also unter Druck, neue Tarifsysteme einzuführen, die der veränderten Nutzung des öffentlichen Verkehrs gerecht werden. Das haben auch die beiden Tarifverbunde in Zug und Luzern gemerkt. Der Tarifverbund in Luzern Passepartout hat kürzlich zwei Massnahmen getroffen, um mit den neuen Ansprüchen an den ÖV Schritt zu halten.

Romeo Degiacomi, Mediensprecher von Passepartout, bestätigt: «Die Covid-19-Pandemie, aber auch die fortschreitende Digitalisierung und flexiblere Arbeitsformen stellen die Branche des öffentlichen Verkehrs vor Herausforderungen.» Konkret hat der Tarifverbund zwei Massnahmen umgesetzt, die diese Entwicklungen berücksichtigen.

  • Das 9-Uhr-Abo: Dieses Abo funktioniert eigentlich nicht anders als ein herkömmliches Abonnement. Doch wie der Name vermuten lässt, ist das 9-Uhr-Abo von Montag bis Freitag erst ab 9 Uhr morgens gültig. Es ist dafür günstiger als das normale Jahresabo. Damit werde laut Degiacomi Personen angesprochen, die ausserhalb der Stosszeiten unterwegs sind. Ob es ein Zufall ist, dass das dazugehörige Bild zum 9-Uhr-Abo auf der Webseite des Tarifverbunds zwei ältere Damen zeigt?
  • Sparbillete: Was man bereits vom SBB-Netz kennt, hat Passepartout im Sommer 2021 als erster Tarifverbund der Schweiz ebenfalls eingeführt. Dabei handelt es sich um vergünstigte Tickets für Verbindungen ausserhalb der Hauptverkehrszeiten.

Kreativität im Waadtland

Das ist sicherlich ein Anfang, um auf die Veränderungen im Verhalten der Passagiere zu reagieren. Es ist aber auch noch nicht der ganz grosse Wurf. Hier zögert Passepartout, im Gegensatz beispielsweise zum Tarifverbund im Kanton Waadt. Dort zeigt man sich vergleichsweise revolutionär.

Der waadtländische Tarifverbund Mobilis hat im vergangenen August das sogenannte «Flexiabo» lanciert. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt. Das Spezielle daran: Im Gegensatz zu einem Jahresabo ist es nicht an 365, sondern nur an 104 respektive an 156 frei wählbaren Tagen im Jahr gültig. Es ist somit an zwei respektive drei Tagen pro Woche gültig, dafür wesentlich günstiger als ein Jahresabo.

«Passepartout beobachtet mit Interesse die Erfahrungen mit diesen neuen Abos und wird nach Vorliegen der Erkenntnisse eine Einführung prüfen.»

Romeo Degiacomi, Mediensprecher Passepartout

Die ersten Erfahrungen sind vielversprechend, wie die «NZZ» berichtet. Vor allem spreche das Abonnement die gewünschte Zielgruppe an, nämlich Menschen, die Teilzeit arbeiten. 64 Prozent der verkauften Flexiabos entfallen auf Frauen, die in der Schweiz häufiger in einem Teilzeitpensum angestellt sind als Männer. Die Erfahrungen mit dem neuen Abosystem waren für Mobilis so überzeugend, dass der Tarifverbund das Pilotprojekt verlängert hat.

Ob ein solches auch in Luzern zum Thema wird? Hier lässt man sich Zeit und fährt lieber im Kielwasser anderer Tarifverbunde. Mediensprecher Degiacomi sagt: «Passepartout beobachtet mit Interesse die Erfahrungen mit diesen neuen Abos und wird nach dem Vorliegen der Erkenntnisse eine allfällige Einführung prüfen.»

Pilotprojekt in Zug

Auch in Zug sind diese Entwicklungen nicht unbemerkt geblieben. Hier läuft derzeit ebenfalls ein Pilotprojekt mit dem Namen «Zuger ÖV-Guthaben». Dieses funktioniert folgendermassen: Eine ausgewählte Gruppe von 500 Personen erhält ÖV-Guthaben im Wert von 500 Franken pro Person. Bezahlen müssen sie jedoch nur 400 Franken. Die Zuger Verkehrsbetriebe erhoffen sich damit, ehemalige Jahresabonnenten zurückzugewinnen.

«Damit bieten wir insbesondere für Fahrgäste, welche wenig reisen, eine flexible Rabattmöglichkeit im Gelegenheitsverkehr an.»

Karin Fröhlich, Mediensprecherin Zuger Tarifverbund

Karin Fröhlich vom Tarifverbund Zug sagt dazu: «Damit bieten wir insbesondere für Fahrgäste, welche wenig reisen, eine flexible Rabattmöglichkeit im Gelegenheitsverkehr an.» Bei weiteren flexiblen Abos gibt sich der Zuger Tarifverbund ähnlich zurückhaltend wie Passepartout in Luzern: «Die schweizweiten Tests werden aktiv beobachtet und bei erfolgreichen Markttests wird eine Einführung im Rahmen des Tarifverbunds Zug geprüft», sagt Fröhlich.

Die SBB testen aktuell ein sehr ähnliches System wie in Zug. 1200 ausgewählte Kunden erhalten 1000 oder 3000 Franken Guthaben. Sie müssen dafür aber nur 800 respektive 2000 Franken bezahlen. Wird der Kaufpreis während der Laufzeit nicht aufgebraucht, wird die Differenz zum genutztem Guthaben zurückerstattet.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rentner
    Rentner, 31.01.2022, 13:47 Uhr

    Wir mit kleiner Rente und EL bekommen keine Vergünstigung am Schalter, ja dann kaufen sie halt das Halb Tax, was soll ich damit der 9 h Pass 700 Fr,die muss ich zuerst zusammenkratzen, mit gerade mal 2,700 Brutto, ohne Abzüge Wohnung, Essen ,Strom,

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