Tiefe Preise und leere Regale

Ein Bauer erzählt: Luzerner Hafer hat kaum eine Chance

Der Landwirt Ueli Krauer produziert seinen Hafer seit letztem Jahr für den Landwirtschaftskonzern fenaco. (Bild: keg)

In den letzten Wochen fehlten immer wieder Haferflocken in Luzerner Geschäften. Das hat einige Haferproduzentinnen vor den Kopf gestossen. Denn die Migros hat erst letztes Jahr einen Anbaustopp verfügt. Die Situation des Schweizer Hafers ist eine schwierige.

Einige Kundinnen staunten nicht schlecht, als tagein, tagaus die Haferflocken in den Regalen der Migros fehlten. Was sollte denn nun in den Müeslischalen landen? Umso mehr erstaunte es dann, dass die Luzerner Grossbetriebe Emmi und Hug keinerlei Lieferengpässe von Hafer hatten (zentralplus berichtete).

Wieso also fehlten die Haferflocken in der Migros? Ein Bauer und Haferproduzent aus Grossdietwil hatte erst letztes Jahr noch von der Migros einen Anbaustopp für seinen Hafer erhalten. Die Migros sagte, sie nehme den Hafer aus dem Sortiment.

Nun zeigt sich, dass die leeren Regale keine Folge des Ukraine-Kriegs sind. Und trotzdem hat Schweizer Hafer kaum eine Chance auf dem Markt. Denn besonders im Vergleich zu anderen Getreidesorten ist der Haferanbau alles andere als lukrativ. Dabei wären Investitionen aus verschiedenen Gründen sehr sinnvoll.

Die fehlenden Haferflocken der Migros sind jetzt auf dem Weg

Eine Erleichterung zu Beginn: In der Migros gibt es bald wieder alle Haferprodukte, die in den letzten Wochen gefehlt haben. Der fehlende Hafer sei nicht auf die Folgen des Ukraine-Kriegs zurückzuführen, sagte die Migros auf Anfrage.

Es liege allein am Ausfall einer Produktionsmaschine beim Lieferanten. «Der Lieferant arbeitet seit Wochen mehrschichtig, um den Rückstand schnellstmöglich wieder aufzuholen», heisst es von der Medienstelle.

«Schweizer Biohafer hat einen gewissen Stellenwert. Das ist beim konventionellen Hafer nicht so.»

Christian Galliker, Landwirt & Haferproduzent, Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband

In der Zwischenzeit haben die leeren Regale bei Landwirt Ueli Krauer grosse Verwirrung ausgelöst. Denn er hat bis letztes Jahr für die Migros Hafer produziert. Dann hiess es plötzlich: Die Migros verhänge einen Anbaustopp für Hafer.

Dass jetzt der Hafer fehle, kann Krauer nicht verstehen. «Ich will Nahrungsmittel produzieren. Und da die Nahrungsmittel ja nicht im Überfluss da sind, dachte ich, das kann ja nicht sein. Wir dürfen keinen Hafer mehr für Haferflocken produzieren und dann lese ich, dass die Regale leer sind», sagt der Landwirt.

Bioprodukte verdrängen andere Labels

Was hinter dem Anbaustopp steht, hängt mit dem Label «IP-Suisse» zusammen. Denn Krauer verkaufte seinen Hafer über «IP-Suisse» an die Migros. Die IP-Suisse zahlt zusätzlich zehn Franken auf den Richtpreis. Sie nimmt allerdings nur Hafer, der nicht mit Herbiziden und Fungiziden behandelt worden ist.

Für die Migros ist das aber nicht gut genug. Sie lässt verlauten, dass der Anbaustopp für den «IP-Suisse»-Hafer mit der Konkurrenz zum Biolabel zu tun hat. Denn die Migros hat auch Schweizer Biohaferflocken im Sortiment und wollte das Sortiment vereinheitlichen.

«Hafer ist sehr interessant für die Landwirtschaft. Denn er braucht auch im konventionellen Anbau kaum Spritzmittel. Der Hafer lässt auch fast kein Unkraut zu, weil er sehr dicht wächst.»

Christian Galliker, Landwirt & Haferproduzent, Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband

Für die Haferdrinks verwendet sie ebenso Biohafer, allerdings aus ausländischer Produktion. Denn im Ausland ist das Biolabel an weniger Auflagen gebunden als in der Schweiz. «Ein wichtiger Punkt bei Bio in der Schweiz ist die Gesamtbetrieblichkeit», sagt Christian Galliker vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband. «Das heisst, dass der gesamte Betrieb Bio sein muss und nicht nur ein Produkt», erklärt der Landwirt.

In Deutschland ist das anders. Dort betrifft das Label allein das einzelne Produkt, unabhängig von der restlichen Produktion des Betriebs. Genauso ist das auch beim «IP-Suisse»-Label: Das Produkt an sich muss die Standards erfüllen, nicht der gesamte Betrieb. «Schweizer Biohafer hat einen gewissen Stellenwert. Das ist beim konventionellen Hafer nicht so», führt Galliker aus.

Eine offene Hand mit sechs Haferkörner drin
Die Haferkörner sind dieses Jahr wegen der Trockenheit kleiner geraten, als Landwirt Ueli Krauer es sich wünschte. (Bild: keg)

Coop und Migros wollen nur Biohafer

Die Migros kauft ausländischen Biohafer für die Hafermilch und Schweizer Biohafer für die Haferflocken. Ähnlich macht es Coop. Unter der Biomarke Campiuns verkauft Coop Biohaferflocken aus der Schweiz. Bei den eigenen Haferdrinks der Marke Karma kommt der Hafer aus dem europäischen Raum, wie Coop auf Anfrage sagt.

«Im Verhältnis zu Getreide hat Hafer nie einen guten Grenzschutz gehabt.»

Christian Galliker, Landwirt & Haferproduzent, Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband

Der Landwirtschaftskonzern fenaco ist noch einer der wenigen, der «IP-Suisse»- und nicht Biohafer für Produkte verwendet. Er nimmt heute auch den «IP-Suisse»-Hafer von Ueli Krauer ab. Fenaco stellt damit Hafermilch her.

Ueli Krauer kann also weiterhin Hafer über «IP-Suisse» verkaufen. Doch der Luzerner würde den Hafer wohl auch anbauen, wenn er ihn nicht als Speisehafer, sondern nur als Tierfutter verkaufen könnte. Denn der Hafer hat einen grossen Vorteil, den andere Getreidesorten nicht haben.

Die Wunderpflanze Hafer wäre im Grunde das ideale Getreide

Hafer ist nämlich an sich kein Getreide, sondern ein Süssgras. Daher kann er auch keine Getreidekrankheiten übertragen. Für Landwirte ist das eine besonders attraktive Eigenschaft, denn so können sie ihn für die sogenannte Fruchtfolge verwenden. Das heisst: Alle paar Jahre bauen sie auf einem Weizenfeld Hafer an und unterbrechen so eine Übertragung von Getreidekrankheiten.

«Hafer ist sehr interessant für die Landwirtschaft. Denn er braucht auch im konventionellen Anbau kaum Spritzmittel. Der Hafer lässt auch fast kein Unkraut zu, weil er sehr dicht wächst», sagt Christian Galliker.

Zudem hätten Luzerner Bauern beim Hafer auch einen Standortvorteil. Hafer mag es nämlich gern feucht und sonnig. Und der Boden in der Zentralschweiz ist feuchter als in der Westschweiz, wo am meisten Getreide angebaut wird.

Wirtschaftlich ist der Anbau aber nicht. Denn Hafer lässt sich ungefähr ein Drittel schlechter verkaufen als Weizen, da der Preis so schlecht sei. Deswegen ist für Galliker klar: «Ich würde nicht freiwillig mehr Hafer anbauen und dafür einen Anteil des Weizens streichen.»

Der Hafer, den Ueli Krauer auf dem Gibelhof in Grossdietwil anbaut, ist mit dem «IP-Suisse»-Label zertifiziert. (Bild: keg)

Bei Hafer hat man den richtigen Zeitpunkt für Investitionen verpasst

Solange der Preis so tief bleibt, ist Hafer für Luzerner Bäuerinnen unattraktiv. «Letztlich entscheidet der Markt, was angebaut wird», sagt Ueli Krauer. Das sieht auch Christian Galliker vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband so. Das zu ändern, sei aber nicht so einfach, denn man hätte den richtigen Zeitpunkt für die Förderung verpasst, meint er.

«Vor vier Jahren war es noch schwierig, Abnehmer für Hafer zu finden. Aber die Nachfrage nach Biohafer ist in den letzten zwei Jahren explodiert.»

Christian Galliker, Landwirt & Haferproduzent, Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband

«Im Verhältnis zu Getreide hat Hafer nie einen guten Grenzschutz gehabt», erklärt Christian Galliker. Das heisst, dass der Schweizer Hafer in direkter Konkurrenz zum ausländischen Hafer steht, da er ohne Zollaufschlag importiert werden kann. Anderen Getreidesorten sind teurer zu importieren. Allerdings kann ein solcher Schutz nicht mehr nachträglich eingeführt werden. Das würde gegen die Richtlinien der Welthandelsorganisation WTO verstossen.

Deswegen wären Investitionen in die Züchtung enorm wichtig. «In den letzten 30 Jahren ist beim Hafer nichts passiert», sagt Galliker. Auch deshalb ist der ausländische Hafer so beliebt.

Vor allem die skandinavischen Länder sind weit voraus. Sie haben nicht nur das bessere Klima mit mehr Sonnentagen und weniger Trockenheit, sondern auch gute Züchtungen. Wenn eine geeignete Züchtung gefunden ist, brauche es aber rund 10 bis 15 Jahre, bis sichergestellt sei, dass sie die Qualitätsstandards erfülle, führt Christian Galliker aus. Und die wenigen Zuchtbetriebe würden auch nur investieren, wenn die Nachfrage da sei.

Die Pandemie hat zu einer Explosion bei der Nachfrage nach Bioprodukten geführt

Ganz am Anfang stehe man aber nicht, beruhigt Galliker. Denn der Klimawandel hätte den Luzerner Landwirtinnen auch neue Chancen gegeben. Viele Haferproduzenten haben unterdessen begonnen, auch Winterhafer zu säen. Früher waren die Winter dafür zu kalt, aber heute übersteht der Hafer die Kälte gut und kann von mehr Feuchtigkeit im Frühling profitieren. Zudem kann er noch vor dem Weizen geerntet und gedroschen werden.

Die Pandemie hat zudem viel verändert bei der Nachfrage. «Vor vier Jahren war es noch schwierig, Abnehmer für Hafer zu finden. Aber die Nachfrage nach Biohafer ist in den letzten zwei Jahren explodiert», berichtet Galliker. Er spricht dabei vom Corona-Effekt – und zwar nicht nur beim Hafer.

«Im Biobereich ist die Nachfrage auf der ganzen Breite angestiegen. 2022 konnte man anbauen, was man wollte, es wurde alles abgenommen.» Für die Bauern ist das eine Erleichterung. Denn so können sie die Sorten, die sie allein für die Fruchtfolge anbauen, auch als Speiseprodukte verkaufen. Und damit haben sie eine grössere Auswahl an Sorten und können zum Beispiel auch zu Bohnen oder Raps greifen. Nur vor wenigen Jahren wären solche Sorten bloss Tierfutter geworden.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Ueli Krauer, Landwirt in Grossdietwil
  • Gespräch mit Christian Galliker, Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband
  • E-Mailkontakt mit Marcel Schlatter, Leiter Medienstelle, Migros-Genossenschaftsbund
  • E-Mailkontakt mit Caspar Frey, Mediensprecher Coop Schweiz
  • E-Mailkontakt mit Samuel Eckstein, Sprecher fenaco


Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


4 Kommentare
  • Profilfoto von Wöfli
    Wöfli, 25.07.2022, 10:13 Uhr

    Alle Bauernhöfe sind mit Comic Sans angeschrieben.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Marc
    Marc, 25.07.2022, 09:36 Uhr

    Ich kaufe für mich jeweils einen 5-Kilo-Sack im CC, diese werden zwar von einer CH-Firma verpackt, kommen aber aus Finnland.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Haferfan
      Haferfan, 26.07.2022, 07:39 Uhr

      Ich bestelle meinen Hafer direkt vom Bauern in Finnland per Post, ist noch günstiger.

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 25.07.2022, 08:37 Uhr

    Vielen Dank für den interessanten Beitrag.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon