Luzerner Suva-Chef im Interview

Er herrscht über ein 46-Milliarden-Vermögen

«Ich habe beim Skifahren ein bisschen viel Sonne erwischt», witzelt Suva-Chef Felix Weber beim Posieren im Luzerner Hauptsitz. (Bild: bra)

Vor 35 Jahren putzte der Emmer Felix Weber in der Luzerner Voltastrasse den Kehricht weg. Heute trägt der 50-Jährige als Chef der Schweizerischen Unfallversicherung Suva die Verantwortung über 4100 Mitarbeiter und ein Anlagevermögen von 46 Milliarden Franken. Wir sprechen mit ihm über seinen Skihelm, seinen Lohn und über Schicksalsschläge.

In diesen imposanten Gemäuern wirkt der Empfang wie eine Audienz. Der Luzerner Felix Weber (50) wurde vom Bundesrat zum Geschäftsleiter der Suva ernannt. Wir treffen ihn im Sitzungszimmer des Hauptsitzes am Zihlmattweg. Am 1. Januar 2016 hat er seinen Posten angetreten. Der neue Suva-Chef ist in Rothenburg aufgewachsen und lebt heute mit seiner Frau und zwei Kindern in Emmenbrücke. Seine Zeit ist knapp, also legen wir gleich mit unserem Interview los.

zentralplus: Herr Weber, Sie stehen seit gut 100 Tagen an der Spitze der Suva. Wie ist Ihnen der Start geglückt?

Felix Weber: Gut, vielen Dank. Es war eine intensive Zeit, aber die Übergabe wurde gut organisiert. Mein Team hat mich wunderbar unterstützt.

zentralplus: Die Suva ist ein gigantisches Unternehmen, mit über 46 Milliarden Franken Anlagevermögen und 4100 Mitarbeitern: Wie gehen Sie persönlich mit einer solchen Verantwortung um?

Weber: Es ist eine sinnstiftende Arbeit und wenn ich Entscheidungen treffe, dann weiss ich genau, für was und für wen ich das schlussendlich mache. Zudem kann ich mich auf viele gute Mitarbeitende verlassen.

«Ich bin zufrieden mit meinem Lohn.»

zentralplus: In Luzern mangelt es bekanntlich an grösseren Büroflächen. Ist es für die Suva nicht mühsam, auf vier verschiedene Standorte (Fluhmattstrasse, Rösslimatt, Löwenplatz und Alpenquai) verteilt zu sein?

Weber: Nein, das hat für uns keine grösseren Nachteile. Das ist historisch gewachsen. Das Gebäude des Hauptsitzes wurde 1914 gebaut. An den verschiedenen Standorten in Luzern sind verschiedene Abteilungen mit anderen Aufgaben. Das lässt sich durchaus räumlich trennen, etwa die Informatik in der Rösslimatt oder die Agentur Zentralschweiz am Löwenplatz. 

Der Hauptsitz der Suva an der Luzerner Fluhmattstrasse: 1914 erbaut, wurde das Gebäude zuerst als Armee-Spital für internierte ausländische Kriegsgefangene zweckentfremdet.

Der Hauptsitz der Suva an der Luzerner Fluhmattstrasse: 1914 erbaut, wurde das Gebäude zuerst als Armee-Spital für internierte ausländische Kriegsgefangene zweckentfremdet.

(Bild: unilu.ch)

zentralplus: Wie viel verdienen Sie pro Jahr?

Weber: Gemäss Kaderlohnreporting des Bundes 2014 betrug die Vergütung 630’000 Franken. 

zentralplus: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Lohn?

Weber: Ja.

zentralplus: Wie viel arbeiten Sie eigentlich pro Woche?

Weber: (lacht). Ich habe mal die ersten drei Monate geschätzt. Im Schnitt waren es ungefähr 70 Stunden pro Woche.

zentralplus: Was sagt Ihre Familie dazu?

Weber: Ich habe mit meiner Familie im Vorfeld besprochen, was ungefähr auf uns zukommt. Entsprechend plane ich die Zeit mit der Familie sehr bewusst. Da ist es mir sehr wichtig, dass ich mein Handy ganz auf die Seite legen kann und nicht anderweitig beschäftigt bin.

zentralplus: Tragen Sie eigentlich einen Helm auf der Skipiste? Schliesslich schreibt die Suva ja Prävention gross.

Weber: Ich fahre oft und sehr gerne Ski mit meiner Familie. Im Alltag ist es nicht so, dass ich mich den ganzen Tag aus lauter Vorsicht nicht bewegen würde. Wie jeder Mensch gehe ich Risiken ein.

zentralplus: Wo gibt es für die Suva in Sachen Prävention noch viel zu tun? Gibt es Branchen, in denen trotz Prävention noch viele Unfälle passieren? 

Weber: Ich würde hier nicht speziell eine Branche nennen. Unfälle können überall passieren, wo sich der Mensch bewegt. Sei es auf dem Bau oder im Labor. Die häufigste Unfallursache in der Schweiz ist Stolpern und Stürzen – und das kann man fast überall.

zentralplus: Ein Ziel der Suva ist es, die Zahl der tödlichen Unfälle zwischen 2010 und 2020 um 250 zu reduzieren. Wie will man das schaffen?

Weber: Es passieren in der Schweiz gegen 100 tödliche Berufsunfälle pro Jahr. Da ist es quasi lebensnotwendig, dass man klare Regeln definiert. Diese Regeln müssen dann in den Betrieben durch die Vorgesetzten richtig eingeführt und instruiert werden. Mit einer Charta, die bereits rund 1500 Betriebe unterschrieben haben, verpflichten sich Unternehmen zusätzlich, ein «Stopp» des Mitarbeiters zu akzeptieren und die mögliche Gefahr umgehend zu beheben. Die Produktion wird vielleicht etwas verlangsamt. Aber ein Unfall ist schliesslich viel teurer als eine Sicherheitsmassnahme. Wenn etwas passiert, hat das schlimme Folgen für den Betroffenen sowie auch für das Unternehmen.

«Natürlich gibt es schwarze Schafe.»

zentralplus: Gibt es viele schwarze Schafe, die sich nicht an die Suva-Regeln halten?

Weber: Natürlich gibt es schwarze Schafe. Aber unser Ziel mit der Prävention ist es, dass der Sinn erkannt wird und die Massnahmen in den natürlichen Arbeitsprozess eingebaut sind.

zentralplus: Berufliche Integration in die Arbeitswelt nach einem Unfall ist entscheidend. Wie klappt es am besten?

Weber: Das Wichtigste ist: Mit der Rückführung ins Berufsleben muss möglichst früh begonnen werden. Wichtig ist auch, das soziale Umfeld der verunfallten Person miteinzubeziehen. Wir machen das mit spezialisierten Teams und mit Case-Management. Es gelingt uns, dass mehr als 80 Prozent der schwer verunfallten Personen wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. Hier muss ich auch den Schweizer Arbeitgebern ein Kränzchen winden: Sie sind in aller Regel bereit, die Verunfallten in ihrer Firma weiter zu beschäftigen, auch wenn sie dazu Arbeitsplatzanpassungen machen müssen.

zentralplus: Als Suva-Chef hören Sie oft von krassen Schicksalsschlägen. Wie gehen Sie damit um?

Weber: Mich trifft es, wenn ich Näheres über einen Fall erfahre und die teilweise tragischen Folgen sehe, die er nach sich zieht. Mir persönlich hilft dann genau das Sinnstiftende meiner Arbeit: Die Suva hilft mit ihren Möglichkeiten den Menschen, wieder so gut wie möglich ins Leben zurückzufinden. Wenn das gelingt, haben wir unsere Arbeit gut gemacht.

zentralplus: Die Suva ist gut aufgestellt. Es drängt sich kein Kurswechsel auf. Ist das nicht ein wenig langweilig für einen Firmenchef? 

Weber: Nein, gar nicht. Ich denke, wir können um die gute Ausgangslage froh sein. Und ein Niveau halten kann ebenso anspruchsvoll sein wie eine Veränderung herbeizuführen. Die Aufgaben, die wir haben, sind genug spannend und herausfordernd. Vor steigenden Heil- und Gesundheitskosten etwa bleiben auch wir nicht verschont. Und die Digitalisierung der Prozesse treiben wir intern weiter voran.

Felix Weber im Sitzungszimmer der Suva-Geschäftsleitung.

Felix Weber im Sitzungszimmer der Suva-Geschäftsleitung.

(Bild: bra)

zentralplus: Mit welchen Ferienjobs haben Sie sich früher über Wasser gehalten? 

Weber: Ich habe während meiner Sommerferien viel auf dem Bau gearbeitet. Oder für das städtische Strasseninspektorat habe ich mitgeholfen, morgens um sechs die Voltastrasse zu reinigen.

zentralplus: Wann werden die Suva-Beiträge steigen?

Weber: Hoffentlich möglichst lange nicht. In den vergangenen Jahren konnte die Suva die Prämien senken oder sie blieben stabil. Auch wir sind auf der einen Seite wie angesprochen mit steigenden Heilkosten konfrontiert. Auf der anderen Seite haben wir in den letzten Jahren weniger Renten auszahlen müssen. Mit Prämiensenkungen wie in der Vergangenheit rechne ich im Moment jedoch nicht.

zentralplus: Wie schützen Sie die Prämienzahler vor ungerechtfertigten Forderungen von Ärzten oder Spitälern?

Weber: Wir prüfen Tausende von Rechnungen mit Spezialisten und einer speziellen Software. Dabei untersuchen wir etwa: Passen die verrechneten Medikamente zu einem Unfallbild oder nicht? Oder es können bei der Rechnungsstellung eines Spitals Fehler passieren. Etwa, dass Leistungen unbeabsichtigt doppelt verrechnet werden. In der Summe fällt das aber dann ziemlich ins Gewicht. Pro Jahr weisen wir Rechnungen im Wert von 200 Millionen Franken zurück.

Die Suva in Zahlen

Die seit 1918 tätige Suva beschäftigt am Hauptsitz in Luzern, in den schweizweit 18 Agenturen und in den zwei Rehabilitationskliniken Bellikon und Sion rund 4100 Mitarbeitende. Als selbstständiges Unternehmen des öffentlichen Rechts mit 4,2 Milliarden Franken Prämienvolumen versichert sie rund 123 000 Unternehmen beziehungsweise 1,97 Mio. Berufstätige gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten. Arbeitslose sind automatisch bei der Suva versichert. Zudem führt sie im Auftrag des Bundes seit 2005 auch die Militärversicherung.

Die Dienstleistungen der Suva umfassen Prävention, Versicherung und Rehabilitation. Sie arbeitet selbsttragend, ohne öffentliche Gelder und gibt Gewinne in Form von tieferen Prämien an die Versicherten zurück. Im Verwaltungsrat sind die Sozialpartner – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – und der Bund vertreten.

Im Jahr 1890 erhielt der Bund den Verfassungsauftrag, ein Kranken- und Unfallversicherungsgesetz zu schaffen. 1912 genehmigte das Volk das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (KUVG). Dieses sah die Subventionierung sowie die Einführung der obligatorischen Unfallversicherung für einen wesentlichen Teil der Arbeitnehmenden vor.

Der Bund beauftragte die Suva mit der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung und mit der Aufsicht über die Arbeitssicherheit in den Betrieben. Während fast 80 Jahren kannte man das Unternehmen als Schweizerische Unfallversicherungsanstalt; seit 1996 tritt die Firma in allen Landesteilen einheitlich mit dem Namen und dem Schriftzug Suva auf.

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