Discount-Bestattungen lassen Luzerner ziemlich kalt
Eine Luzerner Online-Plattform sorgt mit einer ungewöhnlichen Flyeraktion in der Stadt für Gesprächsstoff. Damit will sie ein Tabu in der Branche thematisieren: die Preise für die letzte Reise. Was der Verband und ein Ethikprofessor davon halten – und was die Aktion bisher bewirkt hat.
Vier Damen, wie Flugbegleiterinnen gekleidet und mit Flügeln ausgestattet, verteilen in der Luzerner Innenstadt Flyer. Das Angebot: Frühbucherrabatt von zehn Prozent für «die letzte Reise». Mit dieser Aktion warb letzten Samstag die Online-Plattform bestattungsplaner.ch aus Horw für ihre Dienste. Auf dem Portal können Betroffene seit zwei Jahren nicht nur die Bestattung eines Angehörigen per Mausklick organisieren, sondern auch die eigene Bestattung.
Geschmackloser Kommerz oder längst überfälliger Tabubruch?
Unterschiedliche Reaktionen
Dass der Auftritt provozieren könnte, war Johannes Ruchti, Bestatter und einer der Betreiber der Plattform, von Anfang an bewusst. Er wirft in einer Pressemitteilung selbst die Frage auf, ob man auf diese Art für ein Bestattungsportal Werbung machen darf. Nach der Aktion ist er fast überrascht: «Viele nahmen den Auftritt mit Humor und fanden es lustig», sagt er.
Auch Mathias Schürmann von der Luzerner Werbeagentur Rocket, welche die Aktion organisierte, erzählt vom interessierten Publikum. «Diejenigen, die es daneben fanden oder überfordert waren, haben einfach den Flyer nicht genommen», sagt er.
«Mit ein paar Klicks ist es aber meist nicht getan.»
Rolf Arnold, Schweizerischer Verband Bestattungsdienste
Dass mehr über den eigenen Tod gesprochen werden sollte, findet auch Rolf Arnold, stellvertretender Leiter des Schweizerischen Verbands der Bestattungsdienste. «Mit ein paar Klicks ist es aber meist nicht getan, sondern die Betroffenen brauchen oft persönliche Beratung», sagt der Luzerner.
Johannes Ruchti schränkt ein: «Es gibt zwei Arten von Trauernden: Diejenigen, die plötzlich mit dem Tod konfrontiert werden. Die möchten in der Tat oft jemanden, mit dem sie alles besprechen können. Doch den anderen, die sich – zum Beispiel wegen einer Krankheit – länger mit dem Thema befasst haben und einen Teil des emotionalen Prozesses schon durchlaufen haben, genügt unsere Dienstleistung.»
Blumen im Sarg: 90 Franken
Während in Deutschland und Österreich ähnliche Online-Plattformen gut laufen, sind die Schweizer noch zurückhaltend darin, Bestattungen übers Internet zu organisieren. «Wir denken, das liegt daran, dass es in der Schweiz noch nicht so bekannt ist. Und vielleicht getraut man sich nicht, so was zu erzählen», vermutet Johannes Ruchti.
Den Betreibern der Plattform geht es nicht darum, den Tod oder eine Bestattung zu bagatellisieren. «Uns ist wichtig, dass die Trauernden transparent informiert sind», erklärt der Bestatter.
Für die Aktion ist die Luzerner Werbeagentur Rocket verantwortlich:
Transparenz gibt’s insbesondere bei den Preisen. Auf dem Portal ist klar ausgewiesen: Blumen im Sarg 90 Franken; Aufbahrung 375 Franken, Grabkreuz 250 Franken. «Oft getrauen sich Betroffene nicht, nach Preisen zu fragen», begründet Ruchti. «Man will nicht geizig scheinen, wenn man für die Grossmutter den günstigeren Sarg wählt.» Manchmal würden Bestatter auch mit diesem latent schlechten Gewissen spielen und die Trauernden dazu bringen, teurere Dienstleistungen zu wählen.
Von diesem Problem hat Rolf Arnold vom Verband zwar noch nicht gehört. «Doch als Ombudsmann bekomme ich schon ab und zu Fragen zu hohen Rechnungen, die ich dann mit den Betroffenen klären muss, weil nicht klar ist, was diese alles beinhalten», erläutert er.
Die ethischen Aspekte
Peter G. Kirchschläger, Ethikprofessor an der Uni Luzern, sieht in so einer Plattform durchaus Vorteile: «Sie kann für die Angehörigen die Prozesse in einer schwierigen und traurigen Zeit vereinfachen. Falls mit der Plattform eine Kostentransparenz erreicht wird, wäre dies sicher begrüssenswert.»
Ob man mit so einer Marketingaktion dem Aspekt der Achtung und des Respekts im Moment des Sterbens und den Verstorbenen gegenüber gerecht wird, ist laut dem Ethiker eine andere Frage. Aber auch er betont, wie wichtig es wäre, über Tod und Sterben zu reden. Bei einer Bestattung solle eigentlich der Wunsch des Verstorbenen respektiert werden – und dazu müsse dieser bekannt sein.
«Wer seine eigene Bestattung zum Voraus plant, nimmt den Angehörigen diese Aufgabe ab.»
Johannes Ruchti, Bestattungsplaner
«Wer seine eigene Bestattung zum Voraus plant, nimmt den Angehörigen diese Aufgabe ab und kann seine Vorstellungen verwirklichen», erläutert Johannes Ruchti. Das entspreche der selbstbestimmten Lebensweise in unserer heutigen Zeit, fügt Peter G. Kirchschläger bei. «Aber wir planen und regeln auch sehr viel», meint der Ethiker schmunzelnd.
Über eines freuen sich alle
Die PR-Aktion hat zwar nicht zum erwarteten Aufruhr geführt, doch offenbar haben sich doch einige Menschen anschliessend mit dem Thema beschäftigt. «Wir haben zwar keinen Anstieg der Buchungen bemerkt, aber die Besucherzahlen der Webseite haben in dieser Woche zugenommen», sagt Johannes Ruchti.
Ob man mit dieser Art von Werbung für eine Bestattungsplattform etwas anfangen kann oder nicht: Sowohl der Ethiker wie auch der stellvertretende Verbandsleiter der Bestatter können sich immerhin darüber freuen, dass dadurch die Aufmerksamkeit auf die Themen Tod, Sterben und Bestattung gelenkt wurde.