Offene Fragen nach Rücktritten

Die VBL stolpern über ihren «Unternehmerdrang»

Die VBL muss sich Fragen zur Unternehmskultur stellen. (Bild: PD)

Sowohl die Struktur wie auch die Kultur des Unternehmens VBL werden in Frage gestellt. Hat der Wunsch der Führungsriege, als «erfolgreiche Unternehmer» wahrgenommen zu werden, letztlich zur Eskalation in der Subventionsaffäre geführt? Diesen Schluss legen protokollierte Aussagen der Verantwortlichen nahe.

Knapp eine Woche ist es her, seit es bei den Verkehrsbetrieben zum grossen Knall kam – der Rauch verzieht sich nur langsam. Der Verwaltungsrat (VR) der VBL ist weg und die erwarteten Strafanzeigen gegen das Unternehmen sind eingegangen (zentralplus berichtete).

Die Anzeigen stützen sich in erster Linie auf den rund 180-seitigen Untersuchungsbericht, den der Stadtrat letzte Woche publizierte (zentralplus berichtete). In den kommenden Tagen und Wochen wird dessen Inhalt noch verstärkt ins Zentrum rücken.

VBL spricht dem Bericht die Glaubwürdigkeit ab

Bekanntlich werfen die VBL dem Untersuchungsbericht vor, «einseitig, vorverurteilend und lückenhaft» verfasst worden zu sein (zentralplus berichtete).

Die im Bericht enthaltenen Aussagen und Protokollauszüge der Geschäftsleitung und VR-Mitglieder streiten die Verantwortlichen jedoch nicht ab. Dabei sind im Untersuchungsbericht mehr als genug Absätze enthalten, die Fragen zum Rollenverständnis des Unternehmens aufwerfen.

Zankapfel Rechnungslegung

Die 16,7-Millionen-Frage lautet, wie und unter welchen Vorgaben die VBL in der Vergangenheit wirtschaften durften. Einer der Hauptstreitpunkte – insbesondere mit dem Verkehrsverbund Luzern (VVL) – ist die Rechnungslegung, welche die VBL anwendeten. Wie diese funktioniert, erklären wir dir hier.

Zusammengefasst kann man sagen, dass der VVL über Jahre hinweg darauf pochte, dass die VBL eine neue Form der Rechnungslegung einführen. Diese trägt zwar den kryptischen Namen «Swiss GAAP FER» (General Accepted Accounting Principles / Fachempfehlungen zur Rechnungslegung), soll aber deutlich mehr Transparenz schaffen.

Diese Transparenz gegenüber dem Leistungsbesteller VVL empfand man bei den Verkehrsbetrieben als negativ fürs Geschäft: «Es soll keine schädliche Transparenz geschaffen werden», heisst es im Rahmen einer Verwaltungsratssitzung vom 17. September 2012. Die Einführung von Swiss GAAP FER wurde abgelehnt – es sollte bei weitem nicht das letzte Mal sein.

Tauziehen zwischen Transparenz und Unternehmertum

Im Folgenden eine Auswahl an protokollierten Aussagen aus dem Untersuchungsbericht. Wer welche Aussage macht, ist nicht notiert, sie geben jedoch einen Einblick in die strategischen Überlegungen der VBL.

  • Februar/März 2015: Der VVL stellt erneut die Forderung an die VBL nach der neuen Rechnungslegung. An der VR-Sitzung vom 31. März wird dem Verwaltungsrat berichtet, dass mit der Umstellung auf Swiss GAAP FER die VBL AG de facto «zu einem Fuhrhalter» degradiert würde. Es käme «insgesamt zu einer Abkehr vom ‹Unternehmertum› hin zu einer Unternehmung, die nach Ist-Kosten abrechnet und keine Gewinne mehr machen darf». An derselben VR-Sitzung informiert der VBL-Finanzchef über das Geschäftsjahr 2014, wo nach Swiss GAAP FER ein deutlich höherer Gewinn auszuweisen wäre.
  • Januar 2016: Am 25. Januar findet eine Besprechung zwischen dem Bundesamt für Verkehr, dem VVL und den VBL statt. Die Forderung nach mehr Transparenz bei den Kostenrechnungen der VBL wird erneut deponiert. Die VBL wendet ein, sie «möchte keine ‹Kassenzetteli-Politik› machen, sondern die unternehmerische Freiheit ausspielen können».
  • Mai 2016: An der VR-Sitzung vom 20. Mai 2016 wurde der Verwaltungsrat erneut über den Stand der Verhandlungen mit dem VVL informiert. Die Geschäftsleitung habe entschieden, dass gegenüber dem VVL die Strategie verfolgt wird, «die sinngemäss dem Prinzip einer vom VVL akzeptierten ‹gefühlten› Transparenz» folgt. Der VVL habe «angebissen». Das Thema Transparenz scheine vom Tisch zu sein. «Mehr Transparenz als das, was wir dem VVL anbieten, wird anscheinend nicht verlangt.»
  • Juli 2016: Die nächste Sitzung mit dem VVL mündet erneut in einer Grundsatzdiskussion über die jeweilige Vorstellung von Transparenz. Für den VVL steht «die Vermutung im Raum, dass die Transferpreise zu hoch sind und Gewinnanteile in den abgeltungsberechtigten Sparten versteckt sind». Für die VBL ist demgegenüber «die Grenze der Transparenz überschritten, wenn dadurch die Kostenrechnung der Muttergesellschaft tangiert wird».

Wozu der Widerstand?

Diese Dynamik kann die Leserin des Untersuchungsberichts Schritt für Schritt weiterverfolgen – bis in die Gegenwart, zu den Strafanzeigen und dem Expressrücktritt des VBL-Verwaltungsrats. Warum dieser Widerstand gegen mehr Transparenz? Was genau sollte mit der «unternehmerischen Freiheit» erreicht werden?

Der Untersuchungsbericht schliesst persönliche Bereicherung im grösseren Stil aus. Die Gewinnvorgabe durch die Stadt und die jährlichen Dividendenzahlungen an diese, seien aber zumindest ein Faktor gewesen, resümiert der Untersuchungsbericht.

Seit 2006 erhielt die Stadt als Eignerin stets eine Dividende in der Höhe von 1 Million Franken, was 5 Prozent des Aktienkapitals (von 20 Millionen Franken) entsprach. Die Stadt habe immer auf dieser Summe beharrt, wird VBL-Direktor Norbert Schmassmann im Bericht zitiert. Die diesbezüglichen Erwartungen hätten das Verhalten der VBL-Verantwortlichen beeinflusst: «Ja, diese Zielsetzung hatte Einfluss auf das Verhalten, das ist doch klar. Es ist eine Vorgabe. Die Eignerstrategie ist quasi ‹gottgegeben›. Es ist ein Auftrag an den VR, diese zu erfüllen.»

Auffälliger unternehmerischer Exploit

Der Druck, bei der Stadt abzuliefern, sei im Untersuchungsbericht nicht fundiert genug beleuchtet worden, monierte die VBL nach Erscheinen des Berichts. Ob es beim Konstrukt VBL aber primär um diese Gewinnvorgaben ging, muss kritisch betrachtet werden.

Tatsache ist, dass man in den nun beanstandeten Jahren zwischen 2010 und 2017 explizit unternehmerisch unterwegs war. So erwarb man 2016 beispielsweise das Transportunternehmen Thepra AG mit rund 50 Mitarbeitern und Sitz in Stans. Das Unternehmen, welches auch ein Motel in Stans verpachtet, wurde zu einem ungenannten Preis von der VBL übernommen.

In der Medienmitteilung zur Übernahme wird VBL-Direktor Norbert Schmassmann so zitiert: «Wir können betriebliche und technische Synergien zwischen der Thepra AG und der VBL AG nutzen und so auch unternehmerische Impulse generieren.»

VBL äussert sich ohne VR nicht mehr

Wären solche unternehmerischen Exploits möglich gewesen, wenn man die transparentere Rechnungslegung angewendet hätte? Wäre es unmöglich gewesen, der Stadt die Dividenden auszuschütten, wenn man nach Swiss GAAP FER verrechnet hätte?

Gerne hätte zentralplus Antworten von der VBL-Leitung zu diesen Fragen erhalten. Das Unternehmen teilt jedoch mit, dass Fragen nicht beantwortet werden können, da der Verwaltungsrat nicht mehr im Amt sei. Auch VBL-Direktor Schmassmann wird sich nicht mehr äussern, während gegen die VBL ein Strafverfahren läuft.

Stattdessen verweist das Unternehmen auf seine Aussage, dass man eine Strafuntersuchung begrüsse und verweist auf die zwei entlastenden Gutachten, die von den VBL in Auftrag gegeben wurden (zentralplus berichtete). «Die Rücktritte der Verwaltungsräte ändern nichts daran, dass sie sich als Privatpersonen der Klärung durch eine Strafuntersuchung stellen», hält das Unternehmen weiter fest. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Hafen
    Hans Hafen, 26.11.2020, 07:40 Uhr

    Unternehmerdrang? Also, stellen wir fest: Tätigkeitsfeld in einem Monopol-Umfeld, Finanzierung mit öffentlichen Mitteln, Eigentümer-Vertreter, die sich durch Schweigen auszeichnen. Unternehmerisches Denken ist in diesem Rahmen gar nicht nötig. Vorallem nicht, wenn das «unternehmerische Denken» darin mündet, dass man die Öffentlichkeit bescheisst und hinters Licht zu führt.

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