Warum in Zug Occasionen so viel Platz brauchen

«Die Suche nach Occasionsautos läuft immer mehr übers Internet»

Eine Menge Holz vor der Hütte: Bei der Topcarzug AG stehen derzeit rund 180 Gebrauchtwagen auf dem Hof.

(Bild: woz)

Occasionsverkaufsstellen für Autos schiessen im Kanton Zug wie Pilze aus dem Boden. Dabei ist dieser doch knapp und teuer. Andererseits suchen immer mehr Leute ihren Wagen im Internet. Ein Widerspruch? Mitnichten.

Auto an Auto reiht sich in der Chollermühle bei der Topcarzug AG. Viele noble Schlitten sind darunter. Neugierige und Kaufwillige drücken sich die Nasen an den Fensterscheiben platt, um nähere Einblicke in das auserwählte Objekt der Begierde zu erhaschen. Rund 180 Autos stehen hier gerade auf dem Hof zur Auswahl.

Mehr als 20 Verkaufsstellen von Occasionsautos gibt es mittlerweile im Kanton Zug: Flächen vor Autohäusern. Oder auf der grünen Wiese. Doch warum posten die Besucher ihren Wagen nicht lieber im Internet? Zu Hause. In der behaglichen Stube. Ohne sich an anderen vorbeidrängen zu müssen. In aller Ruhe.

Doch die Praxis sieht anders aus. «99 Prozent der Autos verkaufe ich nicht online», sagt Fernando Goncalves von der Topcarzug AG. Das sei verständlich. Denn wer ein gebrauchtes Auto kaufe, wolle sich dieses vorher genau ansehen. «Wenn so ein Wagen einige Jahre alt ist, will der potenzielle Besitzer doch prüfen, in welchem Zustand sich das Auto befinde. Hat es Kratzer im Lack? Wie viele Kilometer hat es auf dem Tachometer?»

«Wir haben auf allen möglichen Onlineportalen unsere Modelle hochgeschaltet – um zu zeigen, über welches Angebot wir verfügen.»

Fernando Goncalves, Topcarzug AG

Bei Neuwagen sei dies eine andere Sache, versichert der Topcarzug-Verkäufer. «Denn neu heisst neu und ist neu, und der Käufer kann sich darauf verlassen, dass das Auto in einem einwandfreien Zustand ist.» Und trotzdem: Auch bei Neuwagen habe er allerhöchstens zehn Prozent aller verkauften Wagen übers Internet an den Mann gebracht. «Wir haben zwar auf allen möglichen Onlineportalen unsere Modelle hochgeschaltet – aber eben vor allem, um zu zeigen, über welches Angebot wir verfügen.»

Occasion-Autos unterm Zelt: Bei Binelli in Cham.

Occasionsautos unterm Zelt: bei Binelli in Cham.

(Bild: woz)

Ein Autokauf ist also offenbar nach wie vor ein haptisches Erlebnis, das mit viel Anfassen und Befühlen zu tun hat. Und der Autoverkauf verläuft offensichtlich umgekehrt wie etwa der Verkauf von Unterhaltungselektronik. Denn dort schauen sich Kunden ja bekanntermassen die Ware im Laden zuerst an und lassen sich alles erklären, bevor sie sie hinterher im Internet günstiger bestellen. Beim Kauf eines «Heilix Blechle» ist das etwas anders.

Kauf eines Occasionsautos ist Vertrauenssache

Das bestätigt auch Markus Aegerter vom Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS). «Der Kunde informiert sich in der Regel auf den verschiedenen Onlineplattformen. Danach schätzt er es aber, sich beim Garagisten kompetent beraten zu lassen und die Möglichkeit zu haben, mit seinem Wunschfahrzeug eine Probefahrt machen zu können. Das gilt auch für den Neuwagenkauf.»

«Weil die Neuwagenpreise rund 20 Prozent zurückgegangen sind, sind auch die Preise der Occasionsfahrzeuge in der gleichen Grössenordnung gesunken.»

Markus Aegerter, Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS)

Es gibt aber für ihn auch noch andere triftige Gründe, warum der Kauf eines Occasionswagens sich am Ende doch noch vor allem in der realen Welt abspielt. «In der Regel wird beim Verkauf eines Neuwagens ein Occasionsauto eingetauscht. Diese Möglichkeit bietet sich primär bei einem Garagisten oder Händler. Die privaten Anbieter im Internet können das in der Regel nicht bieten.» Zudem sei der Kauf eines Occasionsautos Vertrauenssache. Aegerter: «Bei einem der rund 4’000 AGVS-Garagisten kann sich der Kunde darauf verlassen, dass Service- und Garantievorgaben eingehalten werden.»

Generell würden Occasionswagen so boomen, «gerade weil die Neuwagenpreise in den letzten zwei Jahren rund 20 Prozent zurückgegangen sind, sind auch die Preise der Occasionsfahrzeuge in der gleichen Grössenordnung gesunken». Entsprechend interessant sei somit auch der Kauf eines servicegepflegten Gebrauchtwagens bei einem kompetenten AGVS-Garagisten.

«Autos sind eben etwas sehr Emotionales.»

Regula Sandi, Autoportal AutoScout 24 Schweiz AG

Will heissen: Nicht jeder Zuger kann sich einen Neuwagen leisten. «Die Suche nach Occasionsautos läuft immer mehr übers Internet», versichert Regula Sandi, Corporate Communication Manager, vom Autoportal AutoScout 24 Schweiz AG andererseits. Pro Tag generieren User auf dem Autoportal AutoScout24 rund 1,1 Millionen Suchanfragen nach Fahrzeugen. Im 2017 waren das über 370 Millionen Suchanfragen insgesamt auf der Plattform.

AutoScout 24 vermittelt online Kontakte zwischen Autosuchenden und -verkäufern – sowohl privaten Anbietern als auch Autohändlern. Bei rund 92 Prozent der Inserenten auf AutoScout24 handelt es sich dabei um professionelle Anbieter, rund 8 Prozent der Inserate gehen auf private Anbieter zurück. 96 Prozent der Schweizer Garagisten sind Kunden von AutoScout24.

«Haben sich zwei gefunden, nehmen sie Kontakt miteinander auf. Der Autokauf selbst verlaufe aber dann zumeist vor Ort, so Regula Sandi. «Autos sind eben etwas sehr Emotionales und auch viel teurer als normale Gebrauchsgegenstände», erklärt Sandi. Deshalb wollten Autokäufer den Wagen schon konkret anschauen, ihn betasten und befühlen und eben auch eine Probefahrt damit machen.

Das bedeutet unterm Strich: Es braucht eben beides für den Autoverkauf. Das Internet. Und den Occasionshandel mit Gebrauchtwagen vor Ort.

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