Luzerner Regierung ist im Clinch mit Bern

Die sprudelnden Abwasserkosten ärgern den Preisüberwacher

Das Abwasser in Luzern sorgt seit Jahren für heftige Diskussionen zwischen Preisüberwacher und Luzerner Regierung.  (Bild: Fotolia)

Der Schweizer Preisüberwacher rügt den Kanton Luzern heftig. Thema: «missbräuchlich hohe Abwassergebühren» und intransparente Rechnungsmethoden – auf Kosten der Bürger. Dabei tritt ein zehn Jahre alter Konflikt zutage. Die Luzerner Regierung sieht sich jedoch im Recht.

Preisüberwacher Stefan Meierhans interessiert sich sehr für das Luzerner Abwasser. Konkret für die Gebühren, die Gemeinden dafür verlangen. In seinem Blog auf der offiziellen Webseite des Bundes erhebt er happige Vorwürfe an den Kanton – und er stellt klare Forderungen.

Missbräuchlich hohe Tarife?

Worum geht’s? «Im Kanton Luzern ist eine Richtlinie zur Finanzierung der Abwasserbeseitigung in Kraft, die zu missbräuchlich hohen Tarifen für Abwasser führen kann», schrieb Stefan Meierhans kürzlich in seinem Blogeintrag. Dieser «Missstand» sei dem Preisüberwacher nicht neu, deshalb hatte er in Vergangenheit Gemeinden, die zu hohe Tarife verlangten, Reduktionen um bis zu 20 Prozent empfohlen. «Diese Vereinbarung wird seit Jahren angewendet und befolgt. Sie hat sich aus meiner Sicht bewährt», schreibt Meierhans.

«Die Richtlinie zur Finanzierung der Abwasserbeseitigung ist eine sprudelnde Einnahmequelle eines Luzerner Ingenieurbüros.»

Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Doch jetzt ist gehörig Dampf in der Leitung. Meierhans schreibt: «Der Kanton weist seine Gemeinden per sofort an, sich über die Vereinbarung hinwegzusetzen und die kantonale Richtlinie in jedem Fall einzuhalten.» Er kritisiert nicht nur das Vorgehen des Kantons, auch die Berechnungen, auf die er sich stützt, seien nicht nachvollziehbar.

Zu komplexe Richtlinie?

«Die Richtlinie zur Finanzierung der Abwasserbeseitigung wurde von einem privaten luzernischen Ingenieurbüro erarbeitet und ist seitdem eine sprudelnde Einnahmequelle dieses Büros», so der Preisüberwacher. Die Richtlinie sei so komplex, dass «die zuständigen Fachverantwortlichen der Luzerner Verwaltung die Anwendungsarbeiten lieber an das Ingenieurbüro delegieren».

«Ich werde die Tarife für Wasser und Abwasser im Kanton Luzern weiterhin überprüfen.»

Stefan Meierhans

Meierhans findet deutliche Worte und schreibt von «missbräuchlich hohen Gebühren», die für die Gemeinden den Vorteil hätten, dass sie keine Finanzierungsprobleme beim Abwasser hätten. «Was beruhigend für Gemeinde und Kanton, ist jedoch schlecht für die Gebührenzahler», so des Preisüberwachers Fazit.


Stefan Meierhans spekuliert: «Je nach Höhe des Zuviels können auch kleinere Gemeinden mehrere Millionen nicht betriebsnotwendiges Kapital anhäufen, das dann beispielsweise in Bautätigkeiten (die Ingenieurbüros sagen Dankeschön) fliessen könnte.»

Und er schliesst mit einer Drohung: «Ich werde die Tarife für Wasser und Abwasser im Kanton Luzern weiterhin überprüfen. Ich fordere den Kanton auf, sich wieder an die mit mir geschlossene Vereinbarung zu halten.»

Gar nicht einig: Preisüberwacher Stefan Meierhans (links) und Regierungsrat Robert Küng.  (Bilder: zvg/Montage zentralplus)

Gar nicht einig: Preisüberwacher Stefan Meierhans (links) und Regierungsrat Robert Küng.  (Bilder: zvg/Montage zentralplus)

Regierung ist erstaunt

Auch Regierungsrat Robert Küng hat den Blogeintrag des Preisüberwachers gelesen – und ist not amused: «Die Kommunikation der Preisüberwachung erstaunt, da wir uns zurzeit im brieflichen Austausch betreffend Finanzierung der Abwasserentsorgung im Kanton Luzern befinden», sagt der Vorsteher des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartementes. Überrascht ist Küng indes nicht: «Unterschiedliche Ansichten diesbezüglich bestehen schon seit über zehn Jahren.»

«Die Empfehlung deuten wir als Richtungswechsel der Preisüberwachung.»

Robert Küng, Luzerner Regierungsrat

Ein Blick zurück: Für das Abwasser erheben Gemeinden eine einmalige Anschlussgebühr und jährliche Benutzungsgebühren. Das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer schreibt vor, dass diese Gebühren verursachergerecht erhoben werden und kostendeckend sind. 2004 hat der Kanton Luzern eine neue Richtlinie zur «Finanzierung der Abwasserbeseitigung» erstellt. Er verlangt darin von den Gemeinden, ihre Anlagen kostendeckend zu betreiben (siehe Box). Im 24-seitigen Dokument findet man auch die komplexen Berechnungsmethoden, die der Preisüberwacher anprangert.

Ziel: Nachhaltige Finanzierung

Das Abwasser und das Geld

Die Richtlinie «Finanzierung der Abwasserentsorgung» aus dem Jahre 2004 wurde von der Dienststelle Umwelt und Energie (UWE) in Zusammenarbeit mit dem Verband Luzerner Gemeinden, den Regierungsstatthaltern, dem Amt für Gemeinden und dem Finanzdepartement unter Einbezug eines spezialisierten Ingenieurbüros erarbeitet. Sie ist in der kantonalen Gewässerschutzverordnung verankert und öffentlich einsehbar. Die Richtlinie kann auf der Homepage des UWE heruntergeladen werden.

Die Abwasser-Gebühren sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich hoch, der Maximalansatz beträgt im Kanton Luzern seit dem 1. Januar 2016 3.40 Franken pro Kubikmeter (1000 Liter) Wasser. In der Stadt Luzern werden die Abwasser-Betriebsgebühren bis 2017 in zwei Schritten auf 2.50 Franken pro Kubikmeter Wasser erhöht. Das ist aber immer noch wenig im Vergleich zu anderen Gemeinden. In Hochdorf beispielsweise liegt der Ansatz bei 3.27 Franken pro Kubikmeter.

«Der Kanton fordert seine Gemeinden auf, ihre Finanzierung im Bereich der Siedlungsentwässerung auf eine nachhaltige Basis zu stellen», sagt Küng. Die kantonale Richtlinie ging 2005 auch an den Preisüberwacher und dabei sei ein Zielkonflikt sichtbar geworden. Immerhin einig sind sich also der Regierungsrat und der Preisüberwacher darin, dass der Konflikt alles andere als neu ist.

«Entgegen der erwähnten Zielsetzung des Kantons Luzern ist es der Preisüberwachung wichtig, dass nicht zu viel Eigenkapital geäufnet wird», erklärt Küng. Zudem sei für den Preisüberwacher eine Fremdfinanzierung bis zu 70 Prozent unproblematisch.

Der Kanton Luzern habe damals auf die Kritik reagiert und seine Richtlinie mit einem Anhang ergänzt, welcher den Zielen der Preisüberwachung etwas näher rücke. «Zur überarbeiteten Richtlinie hat die Preisüberwachung in der Folge bemerkt, dass die Anwendung voraussichtlich nicht zu ungerechtfertigten Gebühren führen wird», sagt Küng.

Dann der Richtungswechsel

Soweit, so gut. In der Zwischenzeit hätten fast alle Luzerner Gemeinden die kantonale Richtlinie umgesetzt. Als jedoch bei der zweitletzten Gemeinde eine Gebührenerhöhung notwendig wurde, hat der Preisüberwacher interveniert und empfohlen, auf eine Gebührenerhöhung zu verzichten. «Diese Empfehlung deuten wir als Richtungswechsel der Preisüberwachung. Sie steht im Widerspruch zur Zielsetzung einer nachhaltigen Gebührenpolitik, die wir nach wie vor als richtig beurteilen», sagt Küng.

«Die Behörden haben die Möglichkeit, von den Empfehlungen der Preisüberwachung abzuweichen.»

Robert Küng

Diesen «Richtungswechsel» liess der Kanton nicht auf sich sitzen, Robert Küng schrieb deshalb im April dieses Jahres einen Brief (hier als PDF) an alle Gemeinden im Kanton, wie diese mit dem Konflikt umzugehen haben.

Von den Empfehlungen abweichen

Die Gebühren für das Abwasser würden zwar dem Preisüberwachungsgesetz unterstehen, schreibt Küng im Brief, aber: «Die Behörden haben die Möglichkeit, von den Empfehlungen der Preisüberwachung abzuweichen», wenn man dies begründe.

Im Schreiben wird deutlich, dass der Kanton wenig von der Sicht des Preisüberwachers hält. Während sich der Preisüberwacher für möglichst tiefe Gebühren einsetzt, verfolgt der Kanton «eine nachhaltige Politik für die Abwasserentsorgung». Dessen Ziele lauten: gesicherte Finanzierung über Generationen, Vermeidung von Gebührensprüngen und eine verträgliche Verschuldung.

Küng empfiehlt den Gemeinden: «Die festgelegten Kalkulationsgrundsätze und Richtlinien sollen auch künftig massgebend sein, selbst wenn die Preisüberwachung zu einer anderslautenden Empfehlung gelangt.»

Lieber Reserven statt tiefe Gebühren

Ist dem Kanton Luzern also ein finanzielles Polster wichtiger als tiefe Gebühren? Robert Küng sagt dazu: «Wir empfehlen, die durch Anschlussgebühren und Subventionen gebildeten stillen Reserven nicht mit aktuell möglichst tiefen Gebühren aufzulösen, sondern die heute gute Ausgangslage auch für künftige Generationen nutzbar zu machen.» Damit werde erreicht, dass die Gebühren trotz den anstehenden grossen Ersatzinvestitionen nicht oder nur gering ansteigen.

Trotz der aktuellen Meinungsverschiedenheit darf man auf einen Konsens im Gebührenstreit hoffen. Auf die Frage, wie viele Luzerner Gemeinden denn konkret in Konflikt mit dem Preisüberwacher gerieten, sagt Küng: «Aus dem Jahre 2016 sind uns zwei Fälle bekannt.»

Vorwurf: Zu komplexe Berechnungsmethoden?

Der Preisüberwacher kritisiert auch die viel zu komplexen Berechnungsmethoden des Luzerner Ingenieurbüros. Was sagt Regierungsrat Robert Küng zum diesem Vorwurf? «Die Praxis zeigt, dass sich unsere Richtlinie ‹Finanzierung der Abwasserentsorgung› bewährt. Sie ist in einer Form erstellt, die es allen Ingenieurbüros erlaubt, diese umzusetzen. Im Kanton Luzern haben etwa zehn unterschiedliche Ingenieurunternehmungen diese bei ihren Gemeinden umgesetzt.»

Weiter wirft der Preisüberwacher der Luzerner Verwaltung vor, sie würde die «komplexen Anwendungsarbeiten» an das Ingenieurbüro delegieren. Robert Küng entgegnet: «Um eine einheitliche Praxis in der Kalkulation der notwendigen Rückstellungen zu gewährleisten, wurde die Richtlinie erstellt. Die Überprüfung der Berechnung der Rückstellungen erfolgt durch unsere Dienststelle Umwelt und Energie. Die Überprüfung der Rückstellungsbildung in Budget und Rechnung erfolgt durch das Finanzdepartement, Finanzaufsicht Gemeinden.»

Und schliesslich empfiehlt der Preisüberwacher, im Zuge der Einführung des Harmonisierten Rechnungsmodells 2 (HRM2) die Berechnungsmethode zu vereinfachen und die Gebühren direkt aus der Finanzbuchhaltung abzuleiten.

Robert Küng dazu: «Die Ziele des Kantons Luzern – namentlich eine weitsichtige Finanzierung über Generationen, keine Gebührensprünge und eine erträgliche Verschuldung – können alleine mit der Einführung von HRM2 nicht erreicht werden. Wir gehen somit davon aus, dass auf die Richtlinie auch nach der Einführung von HRM2 nicht verzichtet werden kann.» Gemäss Küng wird HRM2 im Kanton Luzern für das Rechnungsjahr 2019 zum ersten Mal gelten.

 

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