André Küttel ist wieder in seinem Element

Der Touristenfänger, der die Chinesen nach Luzern brachte

Hebt im Verkehrshaus auf dem «Krokodil» ab: André Küttel mit dem Lieblingsfahrzeug der Asiaten, der ersten Eisenbahn über den Gotthard.

(Bild: hae)

Die asiatischen Touristen bewegen Luzerns Gemüter. Kurt H. Illi holte einst Japaner, damit sie in der Region Hochzeit feiern, André Küttel war verantwortlich, dass Chinesen auf dem Titlis im Schnee herumtollten. Dann sorgte der Mann, der fünf Sprachen spricht, dafür, dass Asiaten den Weg auf die Rigi fanden. Jetzt will der gefitzte Marketingchef sie gar noch ins Verkehrshaus locken.

Ein halbes Jahr wirbelt André Küttel schon wieder in seinem Heimatort Luzern. «Ich bin nach Jahren in Engelberg und Zürich gerne in meine Region zurückgekommen, es gibt ja keine schönere», sagt der schlanke Mann in seinem Büro. Und blickt zufrieden auf Flugzeuge, Bahnwagen und ein Wasserbecken mit Pedalos hinunter.

Küttel hat seinen Job im Griff, offensichtlich: Sein Büro im Hochhaus ist akurat aufgeräumt. Und auch wenn der 55-jährige Luzerner am liebsten draussen in der Natur ist, hat er durch seine Arbeit eine zweite Leidenschaft, die grossen Metropolen der Welt, kennengelernt: Singapur, Hongkong und Shanghai, Delhi, Bangkok oder Kuala Lumpur. «Dadurch bin ich ein Weltbürger geworden», sagt Küttel, der fünf Sprachen spricht. «Offen für Entdecker» heisst der Slogan des Verkehrshauses – hier passt Küttel bestens hin. Weil er stets offen für Neues war.

Freie Sicht auf die Schoggiseiten

André Küttel denkt und lenkt vom dritten Stock des Bürogebäudes im Verkehrshaus aus. Er geniesst dabei freie Sicht auf die Schoggiseiten unserer Region. Und er weiss ein faszinierendes Haus im Rücken: Dank einer halben Million Besucher im letzten Jahr ist es erneut das bestbesuchte Museum der Schweiz.

«Wie nur lassen sich noch ein paar Tausend Gäste mehr ins Verkehrshaus locken?»

André Küttel, neuer Marketingchef im Verkehrshaus

Eine Frage treibt den Wirtschaftsmann und Touristiker Küttel mit Blick auf die Swissair Coronado-Maschine, welche in seinem Geburtsjahr 1962 gebaut wurde, zu neuen Höhenflügen: «Wie nur lassen sich noch ein paar Tausend Gäste mehr ins Verkehrshaus locken? Konkret: Wieso nicht die in Luzern schon gern gesehenen Asiaten? Jetzt, wo dann bald im Inseli keine Touristencars mehr parkieren dürfen, sind wir gerne bereit, unseren Beitrag zu leisten, dass Cars bei uns parkieren können!», sagt er nicht ohne Hintergedanken.

Asien-Kenner André Küttel mit Chinafoto: «So viele Chinesen will ich auch im Verkehrshaus!»

Asien-Kenner André Küttel mit Chinafoto: «So viele Chinesen will ich auch im Verkehrshaus!»

(Bild: hae)

Dort, wo André Küttels fleissige Mannschaft hinblickt, auf den Hausberg der Leuchtenstadt, hat in den 80er-Jahren alles mit dem lukrativen Asiatenfieber seinen Ursprung genommen: als der einstige Verkehrsdirektor Luzerns, Kurt H. Illi (1935-2010), die japanischen Touristen in unsere Region holte.

«Mister Lucerne» und «Mister Titlis»

Illi brachte sie zum Heiraten ins Schloss Meggerhorn, zum Fotografieren ans Löwendenkmal, selten zum Flanieren an den See. Aber vor allem zum Konsumieren, vornehmlich im Bucherer und an der Uhrenmeile des Grendel. Eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen, die NZZ staunte über Illi und nannte ihn «Pop-Star des Tourismus». Pionier Kurt H. Illi war der «Mister Lucerne», André Küttel war der «Mister Titlis». 

Ebenso erfolgreich in Sachen Luzern-Vermarktung im Ausland ist André Küttel, aber mit weitaus bescheidenerem Auftreten. Der Mann mit ebenso grossen Marketingqualitäten lässt sich nicht wie Illi zu jeder Hundsverlochete einladen. Er mag es überhaupt viel leiser. Dafür war und ist Küttel seine Freizeit viel zu lieb, denn der naturverbundene Familienmensch, der mit drei Frauen zusammenlebt (Ehepartnerin und zwei Töchter!), zieht lieber seine Skispuren durch den Tiefschnee im weltweit bekannten Freerider-Gebiet am Titlis ob Engelberg.

Engelberg war zwölf Jahre André Küttels Heimat, ab 2000 war er dort Director Marketing & Sales unter Geschäftsführer Albert Wyler. Dank zahllosen weltweiten Werbetouren schaffte er es, immer mehr Kundschaft in die Region und auf den Berg mit seinen magischen 10’000 Fuss oder 3’030 Meter Höhe zu locken.

Vor allem aus den sogenannten BRIC-Staaten – Brasilianer, Inder und Chinesen –, die Russen standen dabei nicht im Fokus, weil die bereits in St. Moritz und Zermatt etabliert waren und Engelberg nicht High-End-Angebote mit viel Blingbling bietet. Heute schaffen es Inder und Chinesen, dem Sommergeschäft der Titlis-Bahnen derart Schub zu geben, dass man in Engelberg mit den Skisportlern nur noch auf rund einen Drittel des Umsatzes kommt. Küttels Verdienst.

Im Taxikrieg mitgemischt

Als am hohen Dreitausender mit seinem ewigen Schnee die Geschäftsleitung umgebaut wurde, bekam André Küttel 2011 Lust auf die Gesamtverantwortung eines Unternehmens. Es zog ihn nach Zürich: Als Geschäftsführer des grössten Deutschschweizer Taxiunternehmens, 7×7 Fahrdienste AG, war er Chef von mehr als 500 Chauffeuren. Und gerade rechtzeitig dort gelandet, um im harten Taxikrieg mitzumischen. Stressig, und vor allem weit weg von den geliebten Bergen.

War Chef von mehr als 500 Chauffeuren und Kämpfer im harten Zürcher Taxikrieg: André Küttel, hier im Pedalo.

War Chef von mehr als 500 Chauffeuren und Kämpfer im harten Zürcher Taxikrieg: André Küttel, hier im Pedalo.

(Bild: zvg/Roger Hofstetter)

Und auch Asien liess ihn in Zürich nicht in Ruhe: In den letzten fünf Jahren nahm André Küttel im Verwaltungsrat (VR) der Rigi-Bahnen Einsitz und brachte sein Know-how dort ebenfalls in die Geschäfte ein. Wen wundert’s, dass heute auf der Königin der Berge die fröhlichen Chinesen zwischen Rigi Bad und Rigi Kulm herumtigern und den Bahnen die Geleise vergolden. Hier, wo einst der Tourismus in der Schweiz mit den unternehmungslustigen Briten anfing. So gut wie derzeit ging es den Rigibahnen noch nie – Küttel sei’s gedankt. Mit grossem Bedauern liess man ihn im Frühling von Rigi-Seite ziehen.

Küttel ist Chef von 50 Leuten

Beim Antritt der neuen Stelle im Verkehrshaus hat er entschieden, das Rigi-VR-Mandat abzulegen und von einer Mitarbeit zur Zusammenarbeit zu wechseln. Und war so wieder an den See abgestiegen. Einmal wollte er gar auf die Seen stechen: «Ich plante, Solarboote für Shuttleservices auf dem Zürcher und Luzerner Seebecken zu installieren.» Eine waghalsige Idee, die den Mobilfanatiker – täglich pendelt er von Hünenberg See ins Lido – noch immer umtreibt. 

«Ich bin glücklich mit der Aufgabe, die Welt in meine Region bringen zu können.»

André Küttel, neuer Marketingchef im Verkehrshaus

Derzeit mischt Küttel lieber im Verkehrshaus den Besuchermix auf, wo er mehr als 50 Leute unter sich hat von den insgesamt 220, die im Verkehrshaus arbeiten. Für den ehemaligen Taxi-CEO ist das zwar ein Schritt zurück bezüglich Unternehmsverantwortung, aber immerhin ist er noch auf dem Treppchen der Geschäftsleitung. «Ich bin glücklich mit der Aufgabe, die Welt in meine Region bringen zu können», erzählt er bei Rindsfilet, Gemüse und Hahnenwasser im À-la-Carte-Restaurant Piccard im Verkehrshaus, das zu Ehren des grossen Schweizer Luftfahrers gebaut wurde.

Kein Tourist – sondern Touristenfänger

Wer im Ausland Touristen umgarnt, muss gerne viel reisen. Als Küttel seinen Job im April anfing, verbrachte er seine ersten zehn Tage gleich in den USA und Kanada. Im Oktober ist der Verkaufsleiter und Marketingchef je eine Woche in Indien und in China unterwegs. Was den Topverkäufer umtreibt: «Es kann doch nicht sein, dass täglich rund 200 Cars am Schwanenplatz haltmachen und wir es nicht schaffen, dass wenigstens eine Handvoll auch noch vor unser Verkehrshaus fährt.»

Liebt antike Bahnen wie hier aus Vevey: André Küttel war fünf Jahre im Verwaltungsrat der Rigi-Bahnen.

Liebt antike Bahnen wie hier aus Vevey: André Küttel war fünf Jahre im Verwaltungsrat der Rigi-Bahnen.

(Bild: hae)

Solches treibt ihn an, genauso wie der feurige Salsa-Rhythmus. Denn Küttel führt nicht nur gerne im Geschäft, sondern auch auf der Tanzfläche. Und Salsa, seine geheime Leidenschaft, kann er in jeder Weltstadt nächtens tanzen. Tagsüber sind seine Stunden so eng getaktet, dass für Sightseeing keine Zeit bleibt. Schliesslich ist er kein Tourist – sondern der Touristenfänger.

2010 die Weltausstellung in China aufgemischt

Die feudalen Zeiten der grossen Budgets, als André Küttel mit der Titlisbahn 2010 die Weltausstellung in China aufmischte, sind vorbei: Die Attraktion der Messe war die Sesselbahn, die über das begrünte Dach des Schweizer Pavillons hinwegschwebte und die Massen begeisterte.

Die Asiaten für das Verkehrshaus zu begeistern, ist heute alles andere als eine gemütliche Sesselbahnfahrt: Nach dem Economy-Nachtflug und der Landung um sieben Uhr morgens in Mumbai oder Shanghai muss Küttel dann gleich einen Tag lang die Tourismusprofis beackern. «Das ist herausfordernd, macht aber Spass. Dafür hat mich Verkehrshaus-Direktor Martin Bütikofer ja auch geholt: um mein Asienwissen in Umsatzentwicklung umzumünzen.»

Küttels Druck im Museum der Mobilität ist gross: Die Einnahmen durch Eintritte und Vereinsmitglieder decken gerade die Löhne der Belegschaft. Gönner und Sponsoren helfen, die Kosten für Ausstellungen und Gebäudeunterhalt zu decken. Vom Bund erhält das Verkehrshaus derweil weniger Geld (zentralplus berichtete).

Neben dem Verein Verkehrshaus gibt es eine Stiftung mit dem öffentlichen Auftrag, Objekte zur Schweizer Mobilitätsgeschichte zu erhalten. Und das Personal arbeitet sehr effizient. Küttel: «Wir leben einen grossen Unterschied etwa zu staatlichen Museen: Sie können auf die Inputs von vielen Kuratoren zurückgreifen, hier bei uns sind wir nur ein Trio, das sich um die Sammlungsobjekte kümmern kann. Aber auf die Leistung unseres Teams sind wir äusserst stolz!»

Aggression in Venedig und Barcelona

Aber solange die Touristenströme weiter durch Luzern fliessen, will er versuchen, dass sein Haus davon profitiert. Was meint Küttel zur zunehmenden Aggression gegenüber den Kurzaufenthaltern in Venedig oder Barcelona? «Davon sind wir hier doch Meilen entfernt.» Die Asiaten ballen sich zwar am Schwanenplatz, aber es besteht die Gefahr zu vergessen, welch grosse Wertschöpfung diese Menschen uns bringen. «Stellen Sie sich vor, wie die ohnehin strapazierten Finanzen des Kantons ohne diese Touristengelder und Steuermillionen der Uhrenhäuser aussehen würden.»

Mag Süsses und tanzt gern: André Küttel mit Patissier Zollinger in der Chocolate Adventure.

Mag Süsses und tanzt gern: André Küttel mit Patissier Zollinger in der Chocolate Adventure.

(Bild: hae)

Weltenbürger André Küttel mag seine asiatischen Gäste. Er weiss nicht nur, wie er sie in unsere Stadt lockt, sondern auch, was sie besonders am Verkehrshaus lieben. Und stellt sich beim Rundgang auch gerne wie die Touristen zur Schau: in der Chocolate Adventure, mit Schoggiproduzent Lindt 2014 gleich beim Eingang installiert, oder auf der ersten elektrifizierten Eisenbahn über den Gotthard, dem «Krokodil». 

Einladend ist Küttel stets, und er posiert gerne auch mal – wie es die Asiaten zu tun pflegen – mit zwei Fingern zum Victory-V geformt.

Sieg! André Küttel arbeitet an seinem nächsten Erfolg. Hart.

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