Überwachung bei Jobsuche

Datenschnüffler RAV?

Das RAV unterstützt heute Arbeitslose bis zum Wiedereintritt in das Berufsleben. Die Betreuung soll künftig noch weiter gehen. (Bild: SECO)

Die Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen (RAV) in Zug und Luzern verteilen Arbeitssuchenden Gutschein-Codes für die Jobsuchmaschine «Jobagent». Doch damit sparen die Bewerber nicht nur Geld, sie übermitteln dem RAV auch automatisch ihre Nutzerdaten. Darüber sind sie womöglich nicht ausreichend informiert, sagen die Datenschutzbeauftragten beider Kantone.

Eigentlich wäre daran nichts auszusetzen: Wer in Luzern und Zug zum RAV geht, bekommt bei der Besprechung vom Personalberater einen Code ausgehändigt, mit dem man sich für einen gewissen Zeitraum kostenlos mit einem «Premium-Zugang» auf der Webseite jobagent.ch anmelden und nach Stellen suchen kann. Doch die Sache hat einen Haken: Sobald sich die Stellensuchenden einloggen, kann das RAV jederzeit ihre Suchaktivitäten auf dem Portal überwachen.

Schön versteckt steht nämlich unter Punkt drei der AGBs von «Jobagent»: «Stellensuchende, die einen Gutschein-Code von einer Personalberaterin bzw. einem Personalberater erhalten, geben bei der Registrierung mit diesem Code ihr Einverständnis, dass sie/er Einsicht in die Jobsuch-Aktivitäten nehmen kann». Nur: Auf dem Code-Gutschein, den das RAV den Bewerbern in Luzern und Zug verteilt, steht davon nichts. Den Arbeitssuchenden werde das beim Aushändigen der Codes vom Berater nur mündlich mitgeteilt, sagen sowohl die Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (Wira) Luzern und das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) Zug. Einen schriftlichen Hinweis darüber, welche Daten zu welchem Zweck einsehbar sind, erhalten die Bewerber nicht.

«Ich habe mich beobachtet gefühlt»

Welche Daten die RAVs einsehen können, ist in den insgesamt 13 Kantonen die mit «Jobagent» kooperieren, unterschiedlich geregelt. In Luzern und Zug haben die Personalberater Zugang zu Job-Suchergebnissen und dem Suchprofil eines Bewerbers. Technisch möglich wäre aber laut den AGBs von Jobagent einiges mehr: «Es können folgende Daten eingesehen werden: Name, Vorname, E-Mail Adresse, Anzahl Logins, Datum des letzten Logins und gespeicherte Job-Mails.»

Zusammenarbeit in 13 Kantonen

Jobagent bezeichnet sich selbst als die «Job-Suchmaschine mit den meisten offenen Stellen»: Sie sucht mehrmals täglich die Webseiten aller Schweizer Unternehmen nach Stellen ab und liefert Bewerbern die Resultate, die am besten zu ihrem Suchprofil passen. 13 Kantone kooperieren mit der Firma x28 aus Thalwil, den Machern hinter «Jobagent».

Normalerweise ist die Jobsuche auf dem Portal kostenpflichtig. Mit den Codes vom RAV können Bewerber jedoch für drei bis zwölf Monate gratis nach Stellen suchen. Von den 13 Kantonen, die mit «Jobagent» zusammenarbeiten, berichtet die «Tageswoche», würde nur der Kanton Bern einen schriftlichen Hinweis zusammen mit den Codes verteilen.

Offenbar regeln die zuständigen Ämter nicht einheitlich, wie die Personalberater ihre Bewerber zu informieren haben. So berichtet Martina N.* gegenüber zentral+: «Mir hat mein Personalberater beim RAV in Luzern nicht gesagt, dass er meine Jobsuche einsehen kann.» Als er sie darauf aufmerksam machte, sie solle doch die Emailbenachrichtigung bei «Jobagent» aktivieren, sei ihr bewusst geworden, dass er womöglich Einsicht habe. «Ich habe mich danach beobachtet gefühlt – ich hätte jederzeit kontrolliert werden können.»

Mündliche Hinweise sind nicht transparent genug

Für René Huber, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zug, ist die aktuelle Praxis nicht transparent genug: «Es wäre für das Verhältnis zwischen Personalbetreuer und Jobsuchendem sicher besser, wenn der Bewerber jederzeit weiss, welche seiner Daten einsehbar sind.» Dazu brauche es einen expliziten schriftlichen Hinweis. Am klarsten sei es, wenn ein solcher  Hinweis gleich auf den Gutschein gedruckt wird. «Regelungen in  AGBs sind zwar rechtlich grundsätzlich verbindlich», sagt Huber. «Sie sind aber nicht gerade kundenfreundlich und datenschutzfreundlich, da das Kleingedruckte oft nur schwer zugänglich und auch nicht für jedermann verständlich ist.» Zudem sei es weniger problematisch, wenn der Berater nur Einsicht in die Suchergebnisse habe. Denn über die Stellensuche müsse der Bewerber sowieso regelmässig Rechenschaft ablegen. «Wenn aber konkrete Bewerbungen bei Unternehmen einsehbar wären, wäre das allenfalls schon heikler», sagt Huber.

Reto Fanger, Datenschutzbeautftragter des Kantons Luzern, will zuerst abklären, ob die Überwachungs-Methode des RAVs gegenüber Bewerbern transparent genug gemacht wird: «Zu prüfen ist, ob die Stellensuchenden vorab ausreichend darüber informiert werden, wer welche Daten erhebt und zu welchem Zweck.» Für eine Beurteilung müsse zuerst das RAV die Möglichkeit haben, Stellung zu nehmen.

Einsicht in Jobsuche als Kontrollinstrument

Kurt Simon, stellvertretender Leiter des WIRA im Kanton Luzern, rechtfertigt die Methode: «Es gehört doch zum ureigenen Geschäft der Arbeitsvermittlung, zu kontrollieren, wonach die Arbeitslosen suchen, ob sie es richtig suchen – und ob sie überhaupt suchen.» Dass wisse auch der Stellensuchende. Tatsächlich müssen Bewerber regelmässig Rechenschaft darüber ablegen, dass sie sich um eine Stelle bemühen – tun sie das nicht, können ihnen die Arbeitslosengelder gekürzt werden.

Die Einsicht in die Suchergebnisse sei aber nicht nur ein Kontrollinstrument, sagt Simon. Es erleichtere dem RAV auch die Arbeit: «Wir erhalten damit eine bessere Übersicht über die Stellenangebote der Bewerber.» Ausserdem werde die Kooperation mit «Jobagent» auch vom Staatssekretariat für Wirtschaf (SECO) unterstützt. In Luzern verteilt das RAV seit Anfang 2012 Gutschein-Codes für die Job-Suchmaschine. Die Bewerber sind eigentlich nicht dazu verpflichtet, die Codes einzulösen. Nur im Extremfall könne das RAV sie dazu verpflichten – etwa wenn sich jemand zu wenig um die Stellensuche bemüht.

Im Kanton Zug arbeitet das RAV seit Anfang diesen Jahres mit «Jobagent» zusammen – mit der gleichen Methode wie in Luzern. «Wir spionieren aber niemanden aus», stellt der Arbeitgeberbetreuer und Personalberater Robert Mattli vom RAV fest. «Wir haben nichts zu verbergen.» Es sei klar, dass man sich beim RAV stets zwischen Kontrolle und Beratung bewege. In beiden Kantonen ist man der Ansicht, man könne an der bisherigen Praxis festhalten.

Anders ist das im Kanton Basel-Stadt: Dort will das Amt für Wirtschaft nach einem Bericht der Tageswoche die bisherige Praxis ändern – und die Stellensuchenden künftig mit einem Hinweissatz auf den Gutschein-Codes über die Dateneinsicht informieren.

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