Luzern reist mit grosser Delegation an

Das WEF beginnt – und die Russen bleiben erneut in Zug

Über 30 russische Wirtschaftsvertreter mit Verbindungen nach Zug kamen 2017 an das Weltwirtschaftsforum nach Davos. (Bild: Bild World Economic Forum / Mattias Nutt)

Erneut werden russische Geschäftsleute vom Weltwirtschaftsforum ausgeschlossen. Sie warten derweil in Zug die Lage ab. Die Zuger Regierung taucht in Davos gar nicht erst auf, die Luzerner dafür zuhauf.

Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt – so lautet das diesjährige Motto des Weltwirtschaftsforums in Davos. Ab Montag treffen sich 2700 Vertreter aus 130 Ländern, um über die globalen Herausforderungen der Zeit zu diskutieren.

Zersplittert. So liest sich auch die diesjährige Gästeliste. Selbst, wenn die Veranstalter betonen, eine Rekordanzahl von 52 Regierungsvertretern in die Bergstadt gebracht zu haben, fehlen dieses Jahr die grössten Player. Weder der chinesische Staatspräsident Xi Jinping noch Joe Biden werden die Reise antreten. Ebenfalls entschuldigt haben sich die Staatschefs von Frankreich und Grossbritannien.

Auch russische Delegierte werden, wie schon letztes Jahr, nicht dabei sein. Sie fehlen nicht freiwillig, sondern wurden erneut nicht eingeladen.

«Das Forum friert alle seine Beziehungen zu russischen Einrichtungen ein.»

Stellungnahme des Weltwirtschaftsforums im letzten Jahr

Die Zuger Regierung reist nicht an, die Luzerner schon

Auch die Zuger Regierung wird nicht am Forum teilnehmen. Finanzdirektor Heinz Tännler teilt mit, er vermeide die «kosten- und zeitaufwändige Teilnahme». Urs Raschle, Finanzvorsteher der Stadt Zug, zeigt sich überrascht über eine Anfrage – seine Direktion habe keine Einladung erhalten.

Seine Kollegin aus der Stadt Luzern, Franziska Bitzi, steht dagegen auf der Gästeliste. Der Grund ist wohl, dass das Weltwirtschaftsforum 2021 eigentlich auf dem Bürgenstock stattfinden sollte (zentralplus berichtete). Ob es der Luzernerin in Davos gelingt, die Zentralschweiz als Austragungsort erneut ins Spiel zu bringen, wird sich zeigen.

Auch die Luzerner Kantonsregierung ist mehrfach am WEF vertreten (zentralplus berichtete). Es sei eine vorzügliche Plattform für internationale Kontakte, Diskussionen und Lösungsansätze, schreibt die Staatskanzlei auf Anfrage. Mit Fabian Peter, Paul Winiker und Reto Wyss sind gleich drei Luzerner Regierungsräte diese Woche in Davos.

Die Luzerner Regierungsräte Reto Wyss, Fabian Peter, Guido Graf, Marcel Schwerzmann, Paul Winiker und Staatsschreiber Vincenz Blaser (v.l.n.r.). (Bild: Philipp Schmidli)

Ein «schwieriges Gebräu»

Auf der Agenda des Forums befinden sich die brennenden Themen unserer Zeit. Inflation, tiefes Wirtschaftswachstum, hohe Verschuldung, Nahrungs- und Lebensmittelkrisen und natürlich der Krieg in Europa. Die Agenda könnte vertrackter nicht sein. Als «schwieriges Gebräu», bezeichnete WEF-Direktor Alois Zwinggi die Herausforderungen, mit denen sich die Delegierten auseinandersetzen dürfen.

Mit dabei sind auch Bundespräsident Alain Berset, der deutsche Kanzler Olaf Scholz und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Neben vielen weiteren Gästen fehlt eine Nation erneut komplett.

Die Russen sind nicht erwünscht

Schon letztes Jahr machte die Organisationen klar, Konsequenzen aus dem Ukraine-Krieg zu ziehen. «Das Forum friert alle seine Beziehungen zu russischen Einrichtungen ein und wird bei keiner seiner Aktivitäten, einschliesslich des Jahrestreffens, mit einer sanktionierten Person oder Institution zusammenarbeiten», schrieb das WEF in einer Stellungnahme.

Das aggressive Auftreten des russischen Staats verletzte grundlegende ethische Prinzipien wie den Glauben an Respekt, Dialog und konstruktive Zusammenarbeit. «Mit Russland gibt es nach wie vor keine Zusammenarbeit», bemerkte Zwinggi im November kurz und bündig.

Auch wenn russische Vertreter nicht an den Konferenztischen des Forums Platz nehmen, weit sind sie nicht. In Zug tummeln sich zahlreiche nicht-sanktionierte Firmen russischer Oligarchen und Multimilliardäre, die lange Jahre Gäste in Davos waren.

Die Russen waren geschätzte Gäste

Im Jahr 2017 reisten 70 Vertreter russischer Firmen in die Bergstadt. Fast die Hälfte davon haben enge Verflechtungen nach Zug. Entweder mit einem Firmenhauptsitz oder dort angesiedelten Tochterfirmen (zentralplus berichtete).

Gazprom, North Stream AG und Novatec gehören zu den bekanntesten russischen Unternehmen mit Sitz in Zug. Ihre Vertreter waren Stammgäste des WEF. Ebenso wie die Rusal, der weltweit zweitgrösste Aluminiumproduzent oder die Sberbank Trading Swiss AG, ein Rohstoffhändler, der im letzten Sommer aufgelöst wurde. Die Liste an langjährigen russischen WEF-Teilnehmern mit Sitz in Zug ist lang.

Selbst Wladimir Putins ehemaliger Schwiegersohn Kirill Schamalow stand vor sechs Jahren unter den eingeladenen Gästen im Foyer des Kongresszentrums. Er vertrat damals das Erdgasunternehmen Sibur mit zwei Gesellschaften im Kanton Zug, die mittlerweile liquidiert wurden. Nur 15 Monate später setzten ihn die USA auf eine Sanktionsliste.

In Zug sind sie weiterhin willkommen

Der russische Einmarsch in die Ukraine hatte Konsequenzen. Regierungen weltweit sanktionierten russische Privatpersonen und Firmen. Auch der Bundesrat entschied sich gerade einmal vier Tage nach Kriegsausbruch, die Sanktionsliste der EU zu übernehmen.

Doch das Geschäftsfeld, in dem die meisten russischen Firmen in Zug Geld verdienen, ist von den Sanktionen bis heute nur am Rande betroffen: der Rohstoffhandel. Russische Gesellschaften bringen den Zuger Gemeinden jährlich Steuereinnahmen von 30 Millionen Franken ein.

Kurz nach Kriegsausbruch kam auch in Zug Kritik auf. Vor allem Finanzdirektor Heinz Tännler sah sich nach einem Auftritt bei «SRF» massiver Kritik für seine Sanktionspolitik ausgesetzt (zentralplus berichtete). Doch der Sturm der Entrüstung ist längst abgeebbt. Und die verbliebenen russischen Unternehmen harren weiter aus.

Verwendete Quellen
  • Artikel in der «Südostschweiz»
  • Gästeliste des «World Economic Forum»
  • Website des «World Economic Forum»
  • Artikel bei «SRF» über die Gästeliste des WEF 2023
  • Artikel im «Blick»
  • Artikel bei «SRF» über Proteste in Zug
  • Website des SECO zu den Russland-Sanktionen
  • Schriftlicher Austausch mit Heinz Tännler, Regierungsrat Zug
  • Handelsregisterauszug der Sberbank Trading Swiss AG
  • Schriftlicher Austausch mit Andreas Töns, Leiter Kommunikation Staatskanzlei Luzern
  • Artikel im «Blick» über Russland-Sanktionen
  • Telefonat mit Urs Raschle, Finanzvorsteher der Stadt Zug
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 17.01.2023, 19:56 Uhr

    Sucht der Paul Winiker beim WEF Trinkkumpanen oder was hat er da als ausgedienter RR verloren? Anders als die Zuger kann er sich wohl die „kosten- und zeitaufwändige Teilnahme“ (Heinz Tännler) auf Kosten des reichen Kantons Luzern anscheinend leisten.

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  • Profilfoto von oliver.heeb
    oliver.heeb, 16.01.2023, 12:48 Uhr

    Nun; auch Akteure im Kanton Luzern scheinen einschlägig beteiligt zu sein. Wer erinnert sich noch an die Geschichten rund um die Strohfirmen und -männer. Es bleibt zu hoffen, dass sich unsere Exekutivpolitiker von diesen Milieus abgrenzen können und nicht Teil des Problems werden. Ansonsten: Wahltag ist Zahltag!

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  • Profilfoto von Oliver Heeb
    Oliver Heeb, 16.01.2023, 12:41 Uhr

    Nun; einschlägige Akteure gibt es ja auch im Kanton Luzern. Man denke nur an die Geschichte mit den Strohmännern und -firmen. Ich hoffe, dass sich unsere Exekutivpolitiker dessen bewusst sind und sich von diesen Milieus abgrenzen können.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 16.01.2023, 07:03 Uhr

    «Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt» und «die Russen sind nicht erwünscht» macht die Farce deutlich.

    Dieser Beitrag ist leider ebenfalls sehr einseitig kritisch. Wo bleibt die Kritik am Auftritt von Alain Berset, gegen diesen wohl bald wieder ermittelt wird aufgrund seines Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit der Kommunikation mit Ringier? Die Gästeliste strotzt übrigens nur so vor Verbrechern…

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 16.01.2023, 19:07 Uhr

      Breaking News für alle, die seit dem 23. Februar unter einem Stein lebten: Russland hat ein Nachbarland überfallen, zerbombt dessen zivile Infrastruktur und seine Schergen benutzen die Genfer Konvention als Checkliste für ihre Kriegsverbrechen. Hmmm, warum wohl will man einen solchen Staat nicht an einer internationalen Konferenz dabeihaben? Das ist jetzt sehr schwierig, hat jemand eine Idee? Nein? Hmmm.
      Und a propos Alain Berset: Inhaltlich mindestens so relevant ist im WEF-Kontext die Frage, wie viel Streuwürze auf frisch gekochte Teigwaren gehört. Ideen, Vorschläge, Bemerkungen? Ja, Sie dort hinten? Aaaaah, genau! «Masterclass Whataboutism», Trollakademie St. Petersburg …

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