Was bringt Luzerns Tiefsteuerstrategie?

Das grosse Ringen um die Unternehmen

Das «Business Village Luzern» in Root, kurz D4: Grosse Büroflächen für grosse Unternehmen. Auch aus dem Kanton Zug migrierten Firmen in den neugebauten Komplex. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

204 zusätzliche Firmen verzeichnete Luzern letztes Jahr, was bei den Unternehmenssteuern ein Plus von 20 Prozent einbrachte. Geht die Tiefsteuerstrategie des Kantons also auf? Nur bedingt. Denn die Steuern seien gar kein entscheidender Vorteil für die Umsiedlung von Schweizer Firmen, sagt der Direktor der Wirtschaftsförderung Luzern. Dies zeigt ein Vergleich mit dem Nachbarkanton. Obwohl so viele Firmen von Zug nach Luzern zogen wie noch nie, wuchsen hier die Einnahmen stärker als in Luzern.

«Luzern ist seit 2013 definitiv in die Liga der Top-3-Standorte der Schweiz aufgestiegen», sagt die kantonale Wirtschaftsförderung selbstbewusst. 34 Firmen haben sich in Luzern neu angesiedelt. Daraus sind im vergangenen Jahr gegen 300 Arbeitsplätze entstanden.

Auch der Saldo der Sitzverlegungen innerhalb der Schweiz zeigt für den Kanton Luzern ein positives Bild. 390 Firmen zogen 2013 zu, 186 wanderten in andere Kantone ab. Das ergibt einen positiven Saldo von 204 Unternehmen mit einem Kapitalzufluss von rund 80 Millionen Franken. Diese Zahl sagt zwar nichts über Gewinne oder Arbeitsplätze dieser Unternehmen aus, dennoch ist sie ein Verweis darauf, dass es sich bei den umgesiedelten Firmen nicht bloss um Briefkastenfirmen handelt.

«Die tiefen Unternehmenssteuern würden uns nichts nützen»
Walter Stalder, Direktor der Wirtschaftsförderung Luzern

Dieses Bild bestätigt der Wirtschaftsinformationsdienst Orell Füssli. Laut einer Studie führt der Kanton Luzern die Rangliste mit den meisten Zuwanderungen von Firmen in den vergangen drei Jahren an. Schweizweit. «Luzern ist ein sehr heterogener Kanton, mit einer breit diversifizierten Wirtschaft, zudem hat der Kanton seine Hausaufgaben gemacht, was die Unternehmenssteuern betrifft», sagt Matthias Holzhey, Ökonom bei der UBS.

Umkehr auf halbem Wege?

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Die vom Kanton gefahrene Tiefsteuerstrategie für Firmen ist höchst umstritten. Nicht zuletzt auch wegen des Sparpaketes «Leistungen und Strukturen II». Die kürzlich lancierte Initative der SP «für faire Unternehmenssteuern» (zentral+ berichtete) soll den eingeschlagenen Steuerkurs denn auch korrigieren und die Gewinnsteuern für Unternehmen von 1,5 Prozent auf 2,25 Prozent anheben.

Eine «Umkehr auf halbem Wege» hält Othmar Wüest, persönlicher Mitarbeiter des Luzerner Finanzdirektors Marcel Schwerzmann, aber für das falsche Signal. Die Unternehmen bräuchten keine «Hüst und Hott-Politik», sondern Planungssicherheit und damit Verlässlichkeit und Kontinuität.

«Der bisherige Erfolg zeigt, dass die Steuerstrategie aufzugehen scheint.»
Othmar Wüest, persönlicher Mitarbeiter des Luzerner Finanzdirektors

Zwar siedeln sich in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche neue Unternehmen in Luzern an. Die Frage aber bleibt, ob und vor allem wann die Rechnung des Kantons aufgeht und das Steuersubstrat der neuen Firmen die Steuerhalbierung zu kompensieren vermag. «Der Regierungsrat hat stets kommuniziert, dass es dafür etwa fünf Jahre Zeit braucht,» sagt Othmar Wüest. «Wer hätte aber geahnt, dass wir bereits zwei Jahre nach der Senkung der Unternehmenssteuern um 50 Prozent, heute noch gerade 15 Prozent von den Einnahmen von 2011 entfernt sind.»

Tatsächlich sind die Einnahmen aus den Unternehmenssteueren im Kanton Luzern von 2012 auf 2013 deutlich gestiegen, wie die Zahlen der kantonalen Steuerverwaltung zeigen. Im Kalenderjahr 2012 betrugen die Steuereinnahmen von juristischen Personen insgesamt 94,1 Millionen Franken, ein Jahr später bereits 113,5 Millionen Franken, was einer Steigerung von rund 20 Prozent entspricht. «Der bisherige Erfolg zeigt, dass die Steuerstrategie aufzugehen scheint», sagt Othmar Wüest. Mit Blick auf die positive Entwicklung sei es möglich, früher als vor den erwähnten fünf Jahre am Ziel zu sein.

Mitentscheidend ist auch der Landpreis

Luzern verfügt zwar mittlerweile über das schweizweit tiefste Steuerniveau für Unternehmen. Den Hauptgrund, wieso insbesondere nationale Firmen nach Luzern kommen, ortet Walter Stalder, Direktor der Wirtschaftsförderung Luzern, aber bei den attraktiven Bodenpreisen. Im Gegensatz zu internationalen Firmen, die ihren Hauptsitz nach steuerlichen Kriterien ausrichten, sind für Schweizer Firmen preiswerte Grundstücke entscheidender.

«Die tiefen Unternehmenssteuern würden uns nichts nützen, wenn wir im Kanton Luzern keine attraktiven Landpreise hätten», sagt der Direktor der Wirtschaftsförderung Luzern. Besonders im Vergleich zum wirtschaftsstarken Nachbarn Zug, seien bezahlbare Bodenpreise ein entscheidendes Plus für den Kanton Luzern.  

Auf der Suche nach günstigen Bodenpreisen siedelten zum Beispiel die Firmen «Gemü», tätig in der Medizintechnik, der Schokoladenproduzent «Aeschbach Chocolatier» oder «Wascosa», ein Unternehmen das Güterwagen vermietet, vom Kanton Zug nach Luzern um. «Für den Kantonswechsel war das verfügbare und bezahlbare Grundstück entscheidend. Die Steuern hatten darauf überhaupt keinen Einfluss. Sie sind aber ein angenehmer Nebeneffekt», sagt Markus Aeschbach, Geschäftsführer der Aeschbach Chocolatier AG.   

Standortwettbewerb zwischen Kantonen

Doch auch der Kanton Zug verzeichnet 2013 eine Bestandeserhöhung der im Handelsregister eingetragenen Firmen. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl um insgesamt 85 Firmen. Hauptverantwortlich dafür ist eine Zunahme bei den GmbH’s von 225 Eintragungen. Ein Minus im Handelsregister verzeichnet der Kanton hauptsächlich bei Einzelfirmen (-127) sowie Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (-31). Der Wirtschaftsinformationsdienst Orell Füssli sieht Zug als schweizweiten Migrationsverlierer mit insgesamt 184 Firmenabwanderung im letzten Jahr (Januar bis Oktober).

«Insbesondere für Firmen mit tieferer Wertschöpfung sind das entscheidende Standortfaktoren.»
Bernhard Neidhardt, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit Kanton Zug

Beim Kanton Zug will man diese Zahlen nicht gross kommentieren. Man stütze sich auf die im Handelsregister amtlich beglaubigten Zahlen. «Die Dynamik im Zuger Handelsregister war schon immer hoch. In den letzten Jahren hat sich das jährliche Nettowachstum abgeschwächt, was aber insbesondere auch mit den Löschungen von Firmen aufgrund von Organisationsmängeln zu tun hat», sagt Bernhard Neidhardt, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zug.

Er konstatiert zwar, dass der Standortwettbewerb mit dem Kanton Luzern in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Sorgen macht sich Zug deswegen aber nicht. «Ein gewisser Wettbewerb ist vorhanden, namentlich dort, wo Luzern seine komparativen Stärken hat.» Sprich bei den Bodenpreisen.

Deutliches Kräfteverhältnis

«Insbesondere für Firmen mit tieferer Wertschöpfung sind das entscheidende Standortfaktoren», sagt Bernhard Neidhardt. Der jahrzehntelange Erfolg von Zug habe dazu geführt, dass sich die Bodenpreise den Zentren annähern und damit höher seien als in peripheren Lagen. Der Wettbewerb sei aber beschränkt, da Zug dank dem Gesamtpaket an hervorragenden Standortfaktoren eine andere Ausrichtung habe und zudem eher als Teil des Wirtschaftsraums Zürich wahrgenommen werde.

Die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen Zug und Luzern werden beim Blick auf die Steuererträge von Unternehmen deutlich. Während Luzern 2013 knapp die 100 Millionen-Franken-Marke überschreitet, steigerten sich die Steuereinnahmen von juristischen Personen im Kanton Zug zwischen 2012 und 2013 von 197,8 Millionen Franken auf 212 Millionen Franken. Die Abwanderung von «Firmen mit tiefer Wertschöpfung» macht Zug dank den Investitionen seiner Grosskonzerne in Arbeitsplätze und Infrastruktur momentan noch mehr als wett.

Die Flächen fehlen

Dabei ist auch Luzerns Standortvorteil, die tieferen Bodenpreise, zunehmend in Gefahr. Die Baulandreserven für expandierende Unternehmen werden kleiner, die Preise steigen. Was Luzern zudem fehlt, sind grossflächige Büroräume in der Stadt.

Einzig das Projekt «Rösslimatt» beim Luzerner Bahnhof wird dereinst genügend Dienstleistungsflächen bieten, um für grössere Konzerne als Standort attraktiv zu werden. «Für den Kanton Luzern ist es deshalb wichtig, dass sich hier zukünftig nur Firmen ansiedeln, die Arbeitsplätze kreieren, Steuern bezahlen und über ein gewisses Renommee verfügen», sagt Walter Stalder.

Kann die Tiefsteuererstrategie des Kantons Luzern aufgehen? Ihre Meinung interessiert uns! Nutzen Sie unsere Kommentar-Funktion.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon