Ghostwriting in Luzern

Das blühende Geschäft mit der Schummelei

Ewan McGregor als Ghostwriter im gleichnamigen Politthriller von Roman Polanski. (Bild: Summit Entertainment)

Die Versuchung scheint riesig. Eine akademische Arbeit zu schreiben braucht Zeit, im Falle einer Doktorarbeit viel Zeit. Wie verschiedene Skandale gezeigt haben, wollen sich nicht alle diese Zeit nehmen. Obwohl das Geschäft mit den Auftragsarbeiten auch in der Zentralschweiz blüht, glaubt man an der Hochschule Luzern nicht, dass Plagiate eingereicht werden.

Sie schreiben ab oder lassen andere für sich schreiben. In den letzten zwei Jahren bekommen Ghostwriter immer mehr Anfragen, akademische Arbeiten zu verfassen. Dies ist kein Zufall: Vor zwei Jahren entzog die Universität Bayreuth dem damaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Doktortitel. Der Herr Minister hatte bei seiner Dissertation geschummelt. Ähnliche Probleme bekam kürzlich die Schweizer FDP-Politikerin Doris Fiala mit ihrer Masterarbeit. Sie habe «wissenschaftlich unkorrekt» gearbeitet, schrieb die ETH in einer Mitteilung. Fialas Arbeit enthalte Plagiate. Nun muss die Politikerin nochmals über die Bücher.

Viel mehr Anfragen von Studierenden

Man könnte meinen, diese Skandale hätten eine abschreckende Wirkung. Immerhin musste Guttenberg seinen Ministerposten räumen, Fiala bekam öffentliche Schelte. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. «Nach der Guttenberg-Affäre bekam ich plötzlich viel mehr Anfragen von Studierenden», sagt Hans Beat Stadler, Ghostwriter aus Ebikon.

Stadler schreibt seit 13 Jahren im Namen anderer. Erst als er einen Hinweis auf seiner Website platzierte, dass er keine Arbeiten für Studenten verfasse, ebbte die Nachfrage ab. Stadler schreibt vor allem Texte für CEOs. Haben die Vielbeschäftigten keine Musse, um an einer Rede oder einem Statement zu feilen, so kontaktieren sie den Innerschweizer. Er schreibt, was immer die jeweilige Zielgruppe hören möchte. Gutes Einfühlungsvermögen, eine breite Allgemeinbildung und Interesse für eine Vielfalt an Themen seien wichtige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Ghostwriter, so Stadler. Er selbst ist Quereinsteiger, arbeitete länger im Buchhandel und kam über eine PR-Ausbildung zum «Geisterschreiben».

Dissertationen – auf Umwegen

Ein Geschäft aus der Bequemlichkeit der Möchtegern-Akademiker hat hingegen Thomas Nemed gemacht. Der Deutsche gründete nämlich das Ghostwriter-Unternehmen «Acad Write». Im grossen Stil schreiben seine Mitarbeiter wissenschaftliche Arbeiten für andere. Nur nennen sie es nicht so. Fragt man Nemed, ob seine Autoren auch Dissertationen verfassen, so verneint er diese Frage. Bestellt man allerdings eine akademische Arbeit mit 300 Seiten zu einer komplexen Fragestellung, so ist das kein Problem.

Jede Bestellung ist jedoch mit der Klausel versehen, dass man die Arbeit nicht unter dem eigenen Namen bei einer Hochschule einreichen darf. Was die Auftraggeber natürlich trotzdem tun, doch weil Nemed sich rechtlich absichert, tragen sie das volle Risiko.

Wie gross die Nachfrage ist, zeigt sich an den Mitarbeiterzahlen von «Acad Write». Nemed beschäftigt vier Festangestellte und 350 Akademiker, die für ihn in allen Fachgebieten Texte verfassen. Die Wissenschaftler schreiben Arbeiten zwischen fünf und 500 Seiten Länge. Was vermuten lässt, das von der Proseminararbeit bis zur Habilitationsschrift alles dabei ist.

Wer seine Arbeiten nicht selbst schreiben will oder kann, der braucht allerdings ein dickes Portemonnaie. Eine medizinische Arbeit von rund 500 Seiten kostet je nach Aufwand zwischen 5’000 und 10’000 Franken. Für eine Doktorarbeit kann die Rechnung auf 50’000 Franken anwachsen.

Luzerner Hochschule optimistisch

Die Hochschulen sind trotzdem der Meinung, genügend gegen die Schummelei zu unternehmen. «Ich halte es für sehr unwahrscheinlich bis unmöglich, dass Ghostwriter bei uns akademische Arbeiten schreiben», sagt Pius Muff, Vizedirektor Ausbildung des Departements Wirtschaft der Hochschule Luzern. Bachelorarbeiten würden in enger Absprache mit den Dozenten geschrieben. Es seien Auftragsarbeiten zu spezifischen Fragen, bei denen es zu häufigen Kontakten zwischen dem Schreibendem oder der Schreibenden, Auftraggeber und Dozenten komme. «Wir gehen davon aus, dass die qualitativen Unterschiede zwischen einem selbstverfassten und einem Ghostwriting-Produkt relativ schnell entdeckt würden», sagt Muff.

Etwas vorsichtiger ist man bei der Universität Zürich. «Ein Ghostwriting nachzuweisen ist schwierig», sagt Sprecherin Nathalie Huber. Verschiedene Schritte im Ablauf sollen das Ghostwriting allerdings erschweren. Der Studierende muss eine Erklärung unterzeichnen, dass er die Arbeit selbst verfasst hat. Teilweise wird die schriftliche Arbeit auch mit einer mündlichen Prüfung kombiniert, um das im geschriebenen Wort vorgelegte Wissen zu überprüfen. Statistiken über Verdachtsfälle führt die Universität Zürich keine. Acad Write-Gründer Nemed vermutet, dass die Hochschulen ab und zu mal ein Auge zu drücken.

Die Anerkennung ernten andere

Auch im Bücherbusiness spielen Ghostwriter eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die meisten Biographien von Prominenten sind von Ghostwritern verfasst, ebenso die beliebten Schicksalsgeschichten. Auch in den Schweizer Bestsellerlisten finden sich immer wieder Titel, die einen anderen Autor haben. Der Schweizer Wörterseh Verlag, auf Schicksalsgeschichten spezialisiert, deklariert seine Ghostwriter jedoch.

Anders als im Roman «Ghost» des englischen Erfolgsautor Robert Harris ist die Arbeit des Ghostwriters meist eine recht geruhsame. Im stillen Kämmerlein verfassen sie ihre Texte, die öffentliche Anerkennung bekommen andere. Harris Hauptfigur jedoch, ein Ghostwriter, gerät mit der CIA aneinander und muss schliesslich sogar um sein Leben bangen. Roman Polanski setzte diese Story im Film Ghostwriter packend um.

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