Aushängeschild des Crypto-Valleys ist wieder weg

Bye bye: Zug verliert sein Wunderkind

Ex-Zuger mit Vorliebe für Grüntee: Vitalik Buterin.

(Bild: flickr/TechCrunch)

Vitalik Buterin, Aushängeschild des Zuger Crypto-Valleys und Kopf des Weltcomputer-Projekts Ethereum, hat zum Wanderstab gegriffen und ist in Richtung Pazifik davongeschwebt. Nur seine Türklingel ist in Zug noch angeschrieben.

Seit 1. Januar 2017 hat der matheverrückte Kryptograf und Programmierer Vitalik Buterin sein Domizil nicht mehr in Zug, sondern gemäss Zuger Handelsregister in Singapur. Der «Handelszeitung» beschied der 23-jährige Kanadier mit russischen Wurzeln, dass Ethereum seit längerem eine Basis in Asien aufbauen wollte. Und da er die Person im Team sei, die am stärksten gewillt ist, dorthin zu gehen und mit der Community in Kontakt zu treten, sei er es am Schluss gewesen, der den Effort gemacht habe.

Eine Milliarde steckt in der Cryptowährung Ether

Buterin, Gründer und Kopf des Weltcomputer-Projekts Ethereum, war drei Jahre lang im Kanton Zug gemeldet. Seine Stiftung Ethereum, welche die Entwickung der Software bezahlt, ist hier domiziliert und eines von den prominenten Aushängeschildern des Zuger Crypto-Valleys. Das Netzwerk besteht aus derzeit 25 Firmen und Schulen. Es will verbindendes Element sein für Schulen, Medien, Wagniskapital, Anleger, etablierte IT-Firmen sowie junge Start-ups der Region.

«Ich weinte mich in den Schlaf und realisierte, welchen Schrecken zentralisierte Dienste auslösen können.»

Vitalik Buterin, Programmierer

Ether ist die Währung der Plattform Ethereum. Es ist nach Bitcoin die zweitwichtigste Cryptowährung. Derzeit sind 89,1 Millionen Münzen im Umlauf, die je 12.62 US-Dollar wert sind. Das ergibt eine momentane Marktkapitalisierung von 1,124 Milliarden Dollar oder 1,139 Milliarden Franken.

Spurensuche in Zug

Angesichts dieser beeindruckenden Zahlen machen wir uns auf die Suche nach der physischen Präsenz von Ethereum in Zug. Im Kronenhof an der Zeughausgasse in Zugs Altstadtbereich ist die Stiftung domiziliert. Wir finden eine Klingel; sie ist mit dem Namen von Vitalik Butelin und Siu-Min Chang beklebt. Die Amerikanerin Chan ist die Geschäftsführerin von Ethereum. Das Klingeln bleibt vergebens, die Räumlichkeiten sind dunkel, erkennbar nur bunte Elefanten an der Scheibe eines Zimmers – offenbar spielten hier einst Kinder.

Vielleicht sah ihn jemand so: Vitalik Buterin vor seiner Wohnung am Kronenhof in Zug.

Vielleicht sah ihn jemand so: Vitalik Buterin vor dem Kronenhof in Zug.

(Bild: Montage zentralplus)

Vor zwei Jahren hatte Ethereum in einem schicken Haus in Inwil begonnen. Damals bestand das Projekt nicht nur aus kollaborierenden Nerds rund um den Globus, sondern auch aus einem halben Dutzend Programmierern, die leibhaftig hier arbeiteten. Buterin war öfter hier – und nahm an Meetups in der Zuger Eichstätte teil. Gewährsleute beschreiben ihn als unscheinbaren jungen Mann, der aber ein brillantes Auftreten habe, wenn er über sein Metier redet. Diese Brillanz, seine Herkunft und das Revolutionäre der Blockchain-Technologie haben ihm in den Medien den Übernamen «digitaler Lenin» eingebracht.

Ende der Herrlichkeit

2016 neigte sich das per Crowdfunding geäufnete Stiftungskapital dem Ende zu, operative Firma und Stiftung wurden nach Zug in den Kronenhof verlegt, die operative Firma befindet sich seither in Liquidation.

In dieser Sache versuchen wir den Zuger Wirtschaftsanwalt Patrick Storchenegger zu erreichen, neben Buterin und Chan der Dritte im Stiftungsrat von Ethereum. Storchenegger reagiert nicht auf Kontaktversuche. In seiner Advokatur heisst es: «Zu beschäftigt.»

Buterin ist im Flugzeug zu Hause

Also suchen wir weiter nach dem digitalen Nomaden Vitalik Buterin: Auf seiner Internet-Seite steht, er residiere bei Cathay Pacific Airways. In Twitter-Meldungen der letzten Wochen steht Shanghai, Paris oder Texas. Diese Woche war eine Konferenz in Indien.

Spuren eines digitalen Nomaden: Buterin meldet sich aus Shanghai, wo ihm ein Roboter Essen bringt.

Spuren eines digitalen Nomaden: Buterin meldet sich aus Shanghai, wo ihm ein Roboter Essen bringt.

(Bild: screenshot)

Buterin scheint so wenig fassbar wie eine Ether-Münze. Auf seiner Website erklärt das in der Nähe von Moskau geborene Wunderkind, welches mit sechs Jahren nach Kanada kam und sich dort von der Hochbegabten-Schule zur Uni hangelte, sein Interesse für dezentrale Netzwerke, welche für Blockchains genutzt werden: «Ich spielte von 2007 bis 2010 glücklich World of Warcraft.» Doch eines Tages habe der Spielentwickler Blizzard den Schadenseffekt auf seinem geliebten Hexenmeister-Lebensentzugs-Zauber entfernt. «Ich weinte mich in den Schlaf und realisierte, welchen Schrecken zentralisierte Dienste auslösen können.» So habe er nach einem neuen Lebenssinn gesucht und sei auf Bitcoins gestossen.

Der Mann ist offenbar doch menschlich, auch wenn er in weit entfernten, ätherischen Sphären von Meeting zu Meeting schwebt.

Darum geht’s bei Blockchain

Eine Blockchain – eine «Blockkette» – ist eine Datenbank, die in einem dezentrales Netzwerk gespeichert wird. Der neuste Stand der Ereignisse wird dabei im gemeinsam genutzten Programmcode abspeichert. Dies ist die technologische Basis für Kryptowährungen.

Der Programmcode ist natürlich verschlüsselt. Verschlüsselungslehre heisst Kryptologie, davon leitet sich das Wort Kryptowährung ab.

Die Blockchain funktioniert wie ein Kassenbuch und macht eine herkömmliche Bank, welche die Bücher führt, überflüssig. Statt der Bank verwalten die vielen Computer, welche die Blockchain speichern, das Kassenbuch und kontrollieren es auch gemeinsam.

Nach einem Rückschlag gehts wieder etwas bergauf

Ethereum will nun nicht einfach eine Kryptowährung sein, sondern eine Datenbank zur Verfügung stellen, in der alle möglichen Anwendungen abgelegt werden können.

Aus der Taufe gehoben wurde Ethereum 2014 als Crowdfunding-Projekt. Organisiert ist Ethereum als Schweizer Nonprofit-Stiftung mit Sitz in Zug, früher in Baar. 2016 startete Ethereum richtig durch, der Wert der Währung vervielfachte sich binnen Wochenfrist. Mitte des Jahres erlitt die Plattform einen herben Rückschlag, als bekannt wurde, dass ein digitales Anlagevehikel, welches Ethereum benutzt, gehackt worden war. Den Angreifern gelang es, Anteile im Wert von 60 Millionen Dollar umzuleiten. Nur eine von Ethereum selbst vorgenommene Änderung im Programmcode verhinderte, dass die Hacker ihre Beute zu barer Münze machen konnten.

Darauf tauchte der Kurs der Kryptowährung. Puristen begannen sogar «Ethereum Classic» zu handeln, eine Konkurrenzwährung, die den alten Blockchain weiterschrieb und den Hack miteinbezog. Mittlerweile hat sich die Aufregung ein wenig gelegt. Zwar wird der Ether um einiges tiefer gehandelt als im Vorjahr (siehe Chart), aber die Marktkapitalisierung steigt wieder. Das bedeutet, dass vermehrt auf die Plattform Ethereum gesetzt wird.

Blaue Kurve: Marktvolumen in Millionen US-Dollar ( Skala links). Orange Kurve: Kurs des Ethers im Verhältnis zum Bitcoin (Skala Rechts).

Blaue Kurve: Marktvolumen in Millionen US-Dollar ( Skala links). Orange Kurve: Kurs des Ethers im Verhältnis zum Bitcoin (Skala Rechts).

(Bild: coimarketcap.com)

 

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