Voller Lohn für vier statt fünf Tage Arbeit

4-Tage-Woche: Luzerner Metallbau-Unternehmen machts vor

Sonnt sich freitags neu zu Hause statt auf der Baustelle: Ein Mitarbeiter des Metallbauunternehmens Pries. (Bild: zvg) (Bild: zvg)

Zwei Luzerner Metallbau-Unternehmen testen aktuell die 4-Tage-Woche. Anfänglich reagierten die Mitarbeiterinnen überrascht bis skeptisch. zentralplus hat nachgefragt, was für Erfahrungen in der Praxis bislang gemacht wurden.

4 Tage arbeiten und den Lohn von 5 Tagen abstauben: Klingt ziemlich cool, oder?

Was sich viele wünschen, ist in Island gang und gäbe. Und auch in der Schweiz häufen sich die Medienberichte von Firmen, die auf das neue Modell umsatteln. Handwerker gehörten bis anhin aber nicht dazu.

Die beiden Adligenswiler Metallbauunternehmen Wittwer Metallbau AG und Stahlplan GmbH sowie die Pries Metall- und Glasbau AG in Sins gehen einen Schritt weiter. Seit diesem Januar dauert für deren Arbeitnehmer die Arbeitswoche nur noch vier Tage, von Montag bis Donnerstag. Freitags haben alle frei. Bereits im Herbst haben die Unternehmen eine zweimonatige Testphase durchgeführt.

4-Tage-Woche? Mitarbeiter reagierten erst skeptisch

Seit drei Jahren geisterte die Idee im Kopf des Inhabers der drei Metallbauunternehmen herum. Im letzten Sommer präsentierte er dem Team seine Zielvorstellung: Vier Tage arbeiten – und das für 100 Prozent Lohn.

«Viele meinten, dass sie doch die 5 Tage gut ausgelastet seien und sich nicht vorstellen könnten, das in vier Tagen durchzubringen.»

Nicole Wittwer, Geschäftsleitung

«Die Mitarbeitenden reagierten ziemlich überrascht», sagt Nicole Wittwer von der Geschäftsleitung. «Viele meinten, dass sie doch die 5 Tage gut ausgelastet seien und sich nicht vorstellen könnten, das in vier Tagen durchzubringen.» Denn die Forderung ist klar: Der Output muss in den vier Tagen derselbe sein. Die Mitarbeiter seien aber bereit, an den anderen vier Tagen mehr zu arbeiten.

Das Ziel ist es, effizienter zu arbeiten

Wittwer erklärt: «Eigentlich handelt es sich um ein 90-Prozent-Pensum, das an vier Tagen abgearbeitet wird. Wir haben die 41-Stunden-Woche auf eine 37-Stunden-Woche verkürzt. Dabei haben wir uns viele Gedanken gemacht, wie wir effizienter arbeiten können.» Das Team arbeitet neu 9 Stunden und 15 Minuten pro Tag – früher waren es knapp 8,5 Stunden.

Lastet da nicht noch viel mehr Druck auf den Mitarbeiterinnen? Wittwer erklärt, dass sich das Unternehmen auf die verkürzte Arbeitswoche vorbereitet hat. Die drei Unternehmen, die insgesamt rund 40 Mitarbeitende beschäftigen, haben Abläufe umgekrempelt und die Kommunikation innerhalb des Teams und zwischen den drei Standorten verbessert.

Dazu gehörte die Lancierung einer Mitarbeiter-App. «Die Angestellten entwickelten so ein besseres Wir-Gefühl, es konnten standortübergreifende Synergien aktiviert werden», so Wittwer. Über die App sehen die Mitarbeiter, wer wo arbeitet und wo allenfalls Hilfe benötigt wird.

Nicole Wittwer ist zuversichtlich, dass sich die 4-Tage-Woche etablieren wird. (Bild: zvg)

Die anfängliche Skepsis ist verflogen

Wie kommt die 4-Tage-Woche bei den Angestellten an, jetzt, wo sie auch damit Erfahrungen gesammelt haben? Sehr gut, sagt Nicole Wittwer. «Sie freuen sich, dass sie an den Freitagen frei haben und Zeit für Arzttermine, den Haushalt, die Familie oder Hobbys haben.»

Zudem ermögliche es das neue Arbeitsmodell, dass der Freitag notfalls als Puffer dient. Wenn etwa jemand mit seiner Arbeit am Donnerstagabend nicht fertig werde, kreuze er für 1,2 Stunden am Freitag auf, um die Arbeiten fertigzustellen. Nicht wie früher gelegentlich an einem Samstag. «Der Freitag soll bei der 4-Tage-Woche natürlich nicht als Reservetag dienen – aber er gibt uns die Möglichkeit eines Puffers.»

«Das Projekt würde allerdings dann scheitern, falls Personal aufgrund des wachsenden Drucks kündigen würde.»

Nicole Wittwer

Anfänglich reagierten auch andere mit Skepsis und Stirnrunzeln auf das neue Arbeitsmodell. «Unsere Lieferanten mussten wir schon ein wenig erziehen, dass sie bei uns an den Freitagen nicht mehr anliefern können – das war ein Novum.» Auch bestand die Sorge, dass sich Kunden negativ äussern würde, wenn am Freitag keine Metallbauerinnen auf der Baustelle erscheinen.

«Aber dies bringt ja auch den Vorteil mit, dass Kunden eine Fahrt weniger bezahlen müssen, weil unsere Angestellten an den restlichen vier Tagen länger auf dem Platz sind.» Oder dann hätten an den Freitagen die Maler und Gipserinnen auf der Baustelle mehr Platz für sich.

Im Mai entscheidet die Geschäftsleitung, ob das Modell Zukunft hat

Die Geschäftsleitung erhofft sich, dass die Firmen durch das neue Arbeitsmodell gegen aussen attraktiver wirken und dass sich in Zeiten des Fachkräftemangels mehr Arbeitnehmende bewerben werden. Eine wirkliche Bilanz kann Wittwer hier noch nicht ziehen. Das Arbeitsmodell hat das Unternehmen bis anhin noch nicht gross gegen aussen angepriesen – weil es ja erst noch in der Pilotphase steckt. Spätestens in diesem Mai will die Geschäftsleitung aber analysieren, ob die Unternehmen an der 4-Tage-Woche festhalten.

Das Modell hat natürlich auch seine Nachteile. Beispielsweise lässt es nicht viel Flexibilität zu. Alle haben am Freitag frei – ein Familienvater mit Vollpensum kann also beispielsweise nicht seinen freien Tag am Mittwoch beziehen, wenn ihm das für die Kinderbetreuung gelegener käme. Wohl aber ermöglichen die Unternehmen Teilzeitarbeit.

Wie Witter verrät, ist es auch nicht so, dass am Freitag tote Hose herrscht in den Betrieben. Ruft jemand die Unternehmen an, so hört er per Anrufbeantworter, dass sie eigentlich geschlossen haben. Dennoch ist jeweils an den Freitagen jemand von der Geschäftsleitung auf Abruf verfügbar – wenn es beispielsweise Probleme auf einer Baustelle gibt.

Wittwer ist zuversichtlich, dass sich das Konzept etablieren wird. «Das Projekt würde allerdings dann scheitern, falls Personal aufgrund des wachsenden Drucks kündigen würde», so Wittwer.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung von Wittwer Metallbau
  • Telefonat mit Nicole Wittwer
  • Medienbericht vom «Spiegel»
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Ed Pro
    Ed Pro, 18.03.2024, 10:05 Uhr

    Und jetzt sind alle drei Firmen Konkurs! Bravo! 4 Tage-Woche juheee! Vergesst das Leute! Ohne Arbeit gibts kein Geld, ihr könnt euch noch vieles ausdenken, aber man kann nur durch Arbeit Geld verdienen! Nicht durch Ferien! Ich arbeite 6 Tage die Woche und anders geht es nicht!

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  • Profilfoto von Rosa Luxemburg
    Rosa Luxemburg, 25.02.2022, 12:43 Uhr

    4-Tage-Woche macht viel viel Sinn. Wir sind immer produktiver und die Gewinne daraus kommen hauptsächlich dem Kapital zu Gute.

    Schön, wenn klassische Handwerksunternehmen dies vormachen. mMn funktioniert dies nur, wenn alle davon profitieren. Leider sind meist Handwerker, Pflege und «einfache» Berufe die Ausnahme bei solchen Entwicklungen. Meist kommen lediglich die Dienstleistungs- und IT-Branche in Genuss von Vorzügen (sei es bei der Bezahlung, flexiblen Arbeitszeitmodellen oder der Anzahl Ferientage).

    Wenn also eine Lösung, dann für alle …

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  • Profilfoto von Reto
    Reto, 25.02.2022, 07:07 Uhr

    Zuerst mal 5 wochen ferien für alle arbeitnehmenden.
    Gruss vom bau (mit zt 6 tage wochen)

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