«Wir wurden vom Wachstum überrollt»

Hat der Stadtrat seine Hausaufgaben gemacht? Ja, finden Vroni Straub-Müller und André Wicki. Sie präsentieren den Bericht zur Schulraumanalyse im Schulhaus Herti. (Bild: anm)

Im Stadtteil Zug West sind die Schulen voll. Knapp 10’000 Personen wohnen in diesem Gebiet, und es werden immer mehr. Die Stadt steht massiv unter Zeitdruck, mehr Unterrichtsräume müssen schon für das kommende Schuljahr her. Der Stadtrat fordert das Parlament auf, dringend einen Entschluss zu fassen.

Wie zwei Lehrer an einem Pult sitzend, stellen die Bildungsvorsteherin Vroni Straub-Müller und der Bauvorsteher André Wicki den neuen Bericht zur Schulraumplanung Zug West vor. Im Pavillon des Schulhauses Herti bringt Straub-Müller ihre Besorgnis um den knappen Schulraum auf den Punkt: «Meine Geduld nimmt stetig ab, es müssen jetzt dringend Lösungen her.»

Das Gebiet Zug West – insbesondere die Quartiere Herti und Lorzen – sind Zugs «Boomregionen». Heute wohnt bereits knapp ein Drittel der Stadtbevölkerung (total rund 28’000 Personen) dort, und auch in Zukunft werden die Gebiete rasant weiter wachsen (zentral+ berichtete). Wie die Stadt Zug mitteilt, sogar noch schneller, als noch vor kurzem gedacht. Dies zeigen laut Medienmitteilung neuste Zahlen, die das Bildungsdepartement erheben liess. «Mehrere Bauprojekte werden zügiger und mit mehr Wohneinheiten realisiert, als dies in der letzten Erhebung von 2010 abgeschätzt werden konnte», so die Stadt. Wie Straub-Müller mitteilt, leben heute 720 Primarschul- und Kindergartenkinder in den Quartieren Herti und Lorzen, in gut zehn Jahren sollen es rund 960 sein. Also ein Drittel mehr.

Es war nicht alles voraussehbar

An der Pressekonferenz räumt Straub-Müller auch ein: «Wir sind überrollt worden von der Entwicklung im Westen.» Zudem wachse die Schülerzahl stärker als die Bevölkerung. Straub-Müller nennt das Beispiel Riedmatt. Es sei nun ausgerechnet so, dass in jenem Quartier sehr viele Kinder ungefähr vier Jahre alt seien und einen Platz im Kindergarten bräuchten. «Niemand konnte diese Bevölkerungsstruktur voraussehen. Wir rechneten vermehrt auch mit Kindern anderen Alters oder mit Paaren ohne Kinder.»

«Wir sind überrollt worden von der Entwicklung im Westen.»

Vroni Straub-Müller, Bildungsvorsteherin Stadt Zug

Das Schulhaus Riedmatt ist in vielerlei Hinsicht exemplarisch für die prekäre Situation: Für das nächste Schuljahr seien bereits alle drei Kindergärten mit jeweils 22 Kindern ausgebucht.

Vorstösse zum Schulraum

Drei politische Vorstösse zum Schulraum im Gebiet Zug West wurden nach der Rückweisung des ersten Projekts im Jahr 2013 eingereicht:

  • Ein überparteiliches Komitee reichte im Januar 2014 die Initiative «Ja, zu einer zeitgemässen Schulanlage Herti» ein. Das Begehren lautet: «Die Stadt Zug realisiert mit dem Zeithorizont 2017 die vorgesehene Erweiterung der Schulanlage Herti für die Primarschule, den Kindergarten und die schulergänzende Betreuung, sowie den Bau einer Turn- und Mehrzweckhalle, die auch der Bevölkerung offen steht.» Über die Initiative stimmen die Zuger im Herbst ab.
  • Die Eltern-Lehrer-Gruppe Herti reichte eine Petition ein und fordert die Prüfung eines Quartierschulhauses für das Quartier Unterfeld/Feldpark, idealerweise in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Baar. Zudem fordert die Gruppe, den langfristigen Erhalt eines Schulhauses Letzi/Öschwiese zu prüfen sowie den Erhalt des Kindergartens St. Johannes als Reservefläche.
  • Eine Motion der CVP, FDP und der SVP vom Februar fordert ebenfalls ein Quartierschulhaus im Gebiet Unterfeld/Feldpark. Zudem fordern sie Realersatz für Vereinslokale.
 Weitere Anmeldungen seien nicht ausgeschlossen. «Wir werden höchstwahrscheinlich schon für das nächste Schuljahr einen vierten Kindergarten eröffnen müssen», so Straub-Müller, «doch wie in den meisten Schulanlagen in Zug West, hat es keine freien Zimmer mehr». Im Riedmatt seien zudem fast alle übrigen Räume wie Fach- und Gruppenräume bereits für Klassenzimmer zweckentfremdet worden. Für sie ist klar: «Es müssen rasch Lösungen her, auf die Dauer kann die Schule nicht mit dieser Platzknappheit und den diversen Notlösungen leben.» 

Es braucht zwölf Klassenzimmer mehr

Deshalb zeigt der Stadtrat in einer Schulraumanalyse den Bedarf und mögliche Lösungsvorschläge auf. Das Bildungsdepartement kommt zum Schluss: «Konkret braucht es im Schulkreis Zug West in den nächsten zehn Jahren zwölf Klassenzimmer mehr.» Dazu ergänzt die Bildungsvorsteherin: «Und wenn wir Schulzimmer sagen, sind Fach- und Gruppenräume immer auch mitgemeint.» Dies sei nicht etwa ein Luxus, sondern kantonale Vorgaben und unerlässlich für eine funktionierende Schulanlage, so Straub-Müller.

Oberste Priorität hat für die beiden Stadträte die Erweiterung des Schulhauses Riedmatt. Laut André Wicki müssten zwei Ziele verfolgt werden. Im ersten Schritt sollen im erweiterten Schulhaus Riedmatt Schüler aus dem Quartier Herti aufgenommen werden, um dort die Spitzen zu brechen. «Ein weiteres Ziel ist die Prüfung der Varianten für das Quartier Herti», so Wicki. Die Erweiterung im Riedmatt könne man relativ schnell realisieren. Er rechnet mit 3,5 bis 4 Jahren bis zur Fertigstellung. Und er fügt hinzu: «Die Situation im Herti wird ‹erst› ab 2019 untragbar». Ein wenig Zeit bleibt also noch. 

Das Parlament könnte wieder bremsen

Trotzdem, die Schulraumerweiterung ist kein einfaches Vorhaben, wie die Vergangenheit zeigte. Es gibt aktuell verschiedene politische Vorstösse dazu (siehe Box) und die alten Pläne der Stadt Zug zur Erweiterung der Schulanlage Herti wurden 2013 vom Grossen Gemeinderat (GGR) aus Kostengründen abgelehnt. «Die 46 Millionen wurden vom GGR als zu hoch erachtet», so Straub-Müller. Dies habe die Planung praktisch wieder zurück auf Feld eins geworfen. Die jetzt vorliegende Analyse soll einen weiteren Verzug verhindern. 

«Die 46 Millionen wurden vom GGR als zu hoch erachtet.»

Vroni Straub-Müller, Bildungsvorsteherin Stadt Zug

Die Stadt schlägt für das Quartier Herti vier Szenarien vor und empfiehlt, zwei davon vertieft weiterzuverfolgen. Einerseits die «Erweiterung der Schulanlage Herti» (Szenario B), andererseits der «Neubau Areal Herti» (Szenario D). Als Vorteile der beiden Vorhaben nennt Wicki: «Bei beiden Varianten ist kein Landerwerb nötig, das Gebiet ist bereits zonenkonform, und die Konzentration an einem Ort ist sinnvoll.» Zudem könne das Herti-Forum, welches heute als Mittagstisch und für die Nachmittagsbetreuung genutzt werde, wieder an die Quartierbewohner zurückgegeben werden. Die Herti-Bewohner gaben diese Räume wegen Platzmangels an die Schule ab. Dazu Straub-Müller: «Wir haben den Bewohnern versprochen, das Herti-Forum sobald als möglich wieder zurückzugeben. Das ist ein Gebot der Stunde.» 

Neubau im Unterfeld bringt Nachteile

Weniger überzeugt ist der Stadtrat von der Variante C, die neben der Erweiterung im Herti auch den Neubau eines Quartierschulhauses im Gebiet Unterfeld fordert. Diese Lösung würde zwar den Anliegen eines bürgerlichen Vorstosses sowie der Petition der Eltern-Lehrer-Gruppe (ELG) Herti entsprechen. Dem Stadtrat hingegen gefällt diese Variante weniger gut, Wicki nennt drei Nachteile: «Die doppelte Infrastruktur würde wahrscheinlich höhere Kosten bringen als eine zentrale Lösung, es würden Kosten für den Landerwerb entstehen und das Gebiet müsste umgezont werden.» 

Über Kosten der jeweiligen Projekte spricht der Stadtrat zum heutigen Zeitpunkt noch nicht. «Es wäre vermessen, hier und jetzt eine Angabe zu machen», so Wicki. Zuerst müsse man wissen, was man weiterverfolgen wolle. Als nächstes wird der Bericht voraussichtlich im Juni im GGR debattiert. André Wicki rechnet mit der Realisierung des gewählten Szenarios ab September 2016. 

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