Schelte für Luzerner Contact Tracing

«Wir wurden erst eine Woche später kontaktiert»

Wer nach einem Coronatest ein positives Resultat erhält, hat mit den Contact Tracern zu tun – wenn alles gut läuft. (Bild: ida)

Das mangelhafte Contact Tracing zu Beginn der zweiten Welle sorgte im Luzerner Kantonsrat für reihenweise Kritik und interessante, persönliche Erfahrungsberichte. Gesundheitsdirektor Guido Graf räumte ein, dass man «ins Schwimmen» kam – das Problem liege aktuell aber anderswo.

Wer einen positiven Coronatest bekommt, muss zehn Tage zuhause bleiben. Und wird vom sogenannten Contact Tracing kontaktiert. Jedenfalls, wenn alles ordentlich abläuft.

Doch zu Beginn der zweiten Welle funktionierte das nicht immer. Was im Luzerner Kantonsrat diesen Dienstag für viel Kritik und Diskussionsbedarf sorgte. Grund war eine Anfrage von Michael Ledergerber (SP) zum Contact Tracing, die er bereits an der Oktobersession eingereicht hatte. Die Mehrheit des Rates erachtete das Anliegen damals nicht als dringlich.

Verunsicherte Bevölkerung

Nun, mit einigen Wochen Abstand, fiel das Verdikt aber nicht weniger deutlich aus. Michael Ledergerber kritisierte, dass der Kanton zu wenig transparent über Versäumnisse kommuniziert und so Vertrauen verspielt habe. «Das Gesagte der Regierung und das Erlebte der Bevölkerung war nicht deckungsgleich. Geblieben sind viele offene Fragen und Verunsicherung.»

«Wir bilden die Feuerwehrleute doch auch nicht erst aus, wenn das Haus in Flammen steht.»

Urban Sager, SP-Kantonsrat

Mit dieser Kritik war er nicht alleine. Laut Angelina Spörri (GLP) waren wohl alle überrascht über den plötzlichen Anstieg der Fallzahlen. «Überrascht hat uns aber auch, wie schlecht das Contact Tracing zu gewissen Zeiten im Kanton Luzern funktioniert hat.» Bevölkerung und Arbeitgeber seien dadurch verunsichert oder auf sich allein gestellt gewesen.

«Mit einem effektiven Contact Tracing hätten wir Geld gespart und auch Leben gerettet», stellte Urban Sager (SP) klar. Er warf dem Regierungsrat vor, im Sommer nicht ausreichend gehandelt zu haben. «Wir bilden die Feuerwehrleute doch auch nicht erst aus, wenn das Haus in Flammen steht.»

Persönliche Erlebnisse zeugen von Versäumnissen

Im Rahmen der Diskussion berichteten etliche Parlamentarier über ihre eigenen Erfahrungen. Beispielsweise Gabi Kurer von den Grünen/Jungen Grünen, die sich wegen eines positiven Tests in der Familie an der letzten Session in Quarantäne befand. «Wir wurden erst eine Woche später vom Contact Tracing kontaktiert», sagte sie und betonte nach einer kurzen Pause: «Eine Woche später.»

Auch bei Martin Birrer (FDP) lief es nach eigenen Angaben nicht ideal. Er habe erst nach zehn Tagen einen Anruf vom Kantonsarzt erhalten.

Gleich eine ganze Reihe von Beispielen lieferte SP-Kantonsrat David Roth. Er habe die Aussage der Regierung, wonach alles in bester Ordnung sei, einem «Reality-Check» unterzogen. Auf Facebook fragte er nach Erfahrungen – und erhielt über 20 negative und nur gerade eine positive Rückmeldung. Der wohl absurdeste Fall: Eine Person, die laut eigenen Angaben am 9. November einen Brief erhielt, dass sie sich vom 23. Oktober bis zum 2. November in Quarantäne befunden haben sollte und diese nun abgeschlossen sei.

Anders erlebte SVP-Kantonsrat Räto Camenisch die Situation. Er wurde Mitte November positiv getestet – das Testprozedere lobte er als sehr speditiv – und sei am selben Morgen aufgefordert worden, seine Kontaktpersonen anzugeben. Es folgte der Code für die Covid-App sowie ein Telefonat mit Anweisungen. Gegen Ende der zehntägigen Quarantäne habe man sich erneut telefonisch nach seinem Befinden erkundigt und ihm gesagt, wann er «entlassen» sei. «Ich muss sagen: Das war vorbildlich, das war gut.» 

«Leute auf Vorrat zu haben, wäre weder wirtschaftlich noch sinnvoll.»

Jasmin Ursprung, SVP-Kantonsrätin

Rückendeckung erhielten die Luzerner Behörden von der SVP und der CVP. «Leute auf Vorrat zu haben, wäre weder wirtschaftlich noch sinnvoll», sagte Jasmin Ursprung (SVP). Der Regierungsrat tue sein Bestes. Das attestierte ihm auch Thomas Oehen (CVP). «Wir finden es angebrachter, den Personen zu danken, die sich tagtäglich für unsere Gesundheit einsetzen.»

Emotionaler Gesundheitsdirektor

Regierungsrat Guido Graf (CVP) kam im Kantonsrat dem Wunsch der SP nach und räumte öffentlich ein, dass das Contact Tracing zeitweise nicht alle Fälle fristgerecht erledigen konnte. Die Lungenliga sei «ins Schwimmen» gekommen, sie habe enorm viele Ressourcen für den Kanton Schwyz einsetzen müssen, wo es zeitweise sehr viele Fälle gab.

Inzwischen hat der Kanton Luzern das Contact Tracing wieder selber in die Hand genommen und innert Kürze das Personal ausgebildet und hochgefahren. Man optimiere laufend die Dinge, die nicht optimal laufen, so Graf. Neu werden die Erstinformationen zur Quarantäne den Betroffenen per SMS verschickt. Seit dieser Woche arbeiten 40 Personen für das Luzerner Contact Tracing (zentralplus berichtete).

«Was mich beschäftigt, sind die Todesfälle.» 

Guido Graf, Gesundheitsdirektor

Gleichzeitig relativierte der Gesundheitsdirektor die Kritikpunkte. Die Qualität des Contact Tracing hänge auch von der Qualität der Daten ab. Und da habe er mit Erstaunen festgestellt: «Das Zeitalter des Faxes gibt es immer noch.» Gleichzeitig appellierte Guido Graf einmal mehr an die Selbstverantwortung. «Wir sind auf die Mitwirkung der Bevölkerung angewiesen.» Teilweise würden die positiv Getesteten beispielsweise nicht melden, mit wem sie zusammen waren.

Zum Schluss machte der Gesundheitsdirektor in einem persönlichen und alarmierenden Votum klar, dass seiner Ansicht nach nicht das Contact Tracing das Problem sei. «Was mich beschäftigt, sind die Todesfälle und die Alters- und Pflegeheime, die am Anschlag sind.» Ebenso der sogenannte R-Wert, der im Kanton Luzern nicht sinke, sowie die «Herkulesaufgabe» der Umsetzung der Impfung. «Ich sage Ihnen», schloss Graf, «ich schlafe im Moment sehr schlecht.»

Die Debatte zum Contact Tracing zum Nachschauen:

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1 Kommentar
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    Margarita, 02.12.2020, 19:04 Uhr

    Gut, wurde das Thema mal auf den Tisch gelegt. Beim 1. Mal wurde es vom Tisch gewischt. Sehr verspätet ist zugegeben worden, dass die Meldungen jngenügend und zu spät erfolgen. Das hat grossen Schaden angerichtet. Warum hat das Thema Herr Graf nicht zielführender bearbeitet.

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