Neues Zentrum: Uni Luzern legt Fokus auf den Islam

«Wir sind keine Werbeagentur für Religionen»

Der Dekan der Theologischen Fakultät Martin Mark freut sich über das neue Zentrum für Komparative Theologie.

(Bild: les)

Die Universität Luzern schafft ein neues Zentrum für Komparative Theologie. Nach Christentum und Judentum wird der Fokus nun auch auf den Islam gelegt. Was steckt dahinter? zentralplus hat beim Dekan der Fakultät nachgefragt.

Die Theologische Fakultät der Uni Luzern geht neue Wege. Und zwar schweizweit einzigartige. Neu soll eine befristete Assistenzprofessur für Komparative Theologie geschaffen werden. In diesem Fachgebiet werden die Religionen Christentum, Judentum und der Islam sowohl aus einer Innensicht als auch mit Blick des jeweils anderen betrachtet. Damit dies möglich wird, schaut sich die Universität nun nach einen Experten für Islamwissenschaften um.

Komparative Theologie bilde die Grundlage für einen Dialog auf Augenhöhe, teilt die Universität Luzern diesen Mittwoch mit. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Religionen herausgearbeitet. Das ermögliche ein besseres Verständnis der eigenen und der anderen Religion. Das neue Zentrum soll durch Forschung und Weiterbildungsangebote den interreligiösen Dialog fördern und damit dazu beitragen, starre religiöse Fronten aufzuweichen. Was das genau bedeutet, wollte zentralplus vom Dekan der theologischen Fakultät Prof. Dr. Martin Mark wissen.

zentralplus: Herr Professor Mark, können Sie uns die Meldung etwas einordnen? Von wie grosser Bedeutung ist das?

Martin Mark: Das neue Zentrum für Komparative Theologie stellt eine Erweiterung unseres bisherigen Programms in Forschung und Lehre dar. Zentral bleibt das Studium der Katholischen Theologie. Als Theologische Fakultät vertreten wir das klassische Ausbildungsspektrum für Studierende, die später in den pastoralen Dienst der Kirche treten oder andere Aufgaben in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft wahrnehmen. Daneben stehen wir in der Pflicht, den wissenschaftlichen Nachwuchs für die theologische Forschung zu generieren.

Einen besonderen Schwerpunkt unserer Fakultät bildet das 1981 gegründete «Institut für Jüdisch-Christliche Forschung», welches die jüdische Religion und seine Kultur in den Vordergrund stellt. Innerhalb des deutschsprachigen Raumes gibt es nur wenige vergleichbare Einrichtungen. 1998 folgte die Gründung des Ökumenischen Instituts, das sich intensiv mit dem Dialog zwischen den christlichen Konfessionen befasst.

«Eine tiefere Beschäftigung mit dem Islam vermag das Zerrbild, welches von fundamentalistischer Seite behauptet wird, zu korrigieren.»

zentralplus: Und nun wird auch der Islam betrachtet?

Mark: Genau. Im Laufe der letzten Zeit reifte der Gedanke, diese beiden Schwerpunkte um einen weiteren zu ergänzen: die Beschäftigung mit der dritten grossen Buchreligion, dem Islam. Die Chance des neuen Zentrums für Komparative Theologie besteht darin, dass sich neue Möglichkeiten für den interreligiösen Dialog eröffnen.

zentralplus: Sie wollen den Dialog auf Augenhöhe fördern. Findet dieser heute nicht statt?

Mark: Im Grunde ist damit die wissenschaftliche Ebene gemeint. Wir wollen eine Person nach Luzern holen, die mit dem Islam und seiner heiligen Schrift, dem Koran, vertraut ist und die verschiedenen Formen seiner Auslegung kennt. Weitere wichtige theologische Inhalte sind etwa die Frage nach der Vorstellung von Gott oder des menschlichen Miteinanders. Das Ganze nennen wir «Komparative Theologie», weil die drei Religionen hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede miteinander verglichen werden sollen. Eine tiefere Beschäftigung mit dem Islam vermag das Zerrbild, welches von fundamentalistischer Seite behauptet wird, zu korrigieren.

zentralplus: Sie weisen auch auf starre Fronten zwischen den Religionen hin. Was meinen Sie damit?

Mark: Mit «starr» meine ich eher die mitunter in der Öffentlichkeit herrschenden Meinungen. Oft fehlt es an fundiertem Wissen über die verschiedenen Religionen, besonders über den Islam. Innerhalb der Wissenschaft soll ein lebendiger Diskurs geführt werden, in welchem die Argumente zählen. Im Dialog mit muslimischen Theologen wollen wir die positiven Inhalte des Islams hervorheben und so das friedensfördernde Potenzial der Religionen stärken. Wenn wir zu wenig begründete Meinungen korrigieren können, haben wir ein wichtiges Ziel erreicht.

Die Symbole von Judentum, Christentum und Islam im Raum der Stille an der Universität Luzern. (PD)

Die Symbole von Judentum, Christentum und Islam im Raum der Stille an der Universität Luzern. (PD)

zentralplus: Was sagt die islamische Glaubensgemeinschaft in Luzern zu Ihren Plänen?

Mark: Die entsprechenden Einrichtungen sind informiert. Der Dialog muss erst aber noch entsprechend aufgebaut werden. Wir befinden uns noch in den Kinderschuhen.

«Das Thema Gewalt betrifft alle Religionen.»

zentralplus: Sie haben Verzerrungen in der öffentlichen Meinung angesprochen. Immer wieder gibt es Anschläge von religiösen Fundamentalisten im Namen Allahs, welche diese befeuern. Wird sich die neue Professur auch mit Themenfeldern wie Terrorismus im Zusammenhang mit dem Islam auseinandersetzen?

Mark: Vorneweg: Das Thema Gewalt betrifft alle Religionen. Auch das Christentum hat seine dunkle Seite. Wir haben Texte in der Bibel, welche dieses Thema betreffen. Religiöse Texte stammen aus vergangenen Zeiten und sind interpretationsbedürftig. Es gibt verschiedene Arten, den heiligen Text einer Religion auszulegen. Eine adäquate Interpretation bedarf besonderer Kenntnisse und Kompetenzen.

Aber es ist in der Tat so, dass wir vor der Herausforderungen stehen, wie wir mit der Gewaltproblematik umgehen können. Wir bemühen uns um einen sachlich-argumentativen Diskurs. Insofern ist unser Ideal, eine nüchterne, gründliche, sachlich fundierte Diskussion zu führen.

zentralplus: Sehen Sie hier auch eine Chance für die Imagepflege des Theologiestudiums? Dieses Thema interessiert die breite Öffentlichkeit, während spezifische Glaubensfragen nicht riesigen Anklang finden.

Mark: Ja und Nein. Wir sind keine Werbeagentur für Religionen. Wir müssen akribisch forschen in einem Bereich, der sich mitunter nur schwer kommunizieren lässt. Aber natürlich interessiert sich die Öffentlichkeit für bestimmte Fragen, die sich nur zum Teil mit unseren Fragestellungen decken. Zugleich sehen wir hier klar unseren gesellschaftlichen Auftrag, auch vor dem Hintergrund, dass unsere Fakultät mit öffentlichen Geldern finanziert wird.

zentralplus: Aber eine Vorreiterrolle nehmen Sie hier in Luzern ein?

Mark: Ja klar, wir wollen in diesen Fragen mitsprechen – immer im Rahmen eines wissenschaftlich verantworteten Diskurses.

zentralplus: Spannend ist ja, wer schlussendlich die Stelle bekommen wird. Haben Sie schon eine Person in Aussicht?

Mark: Nein. Es wird ein Berufungsverfahren geben, wie es für eine solche Besetzung üblich ist. Bewerben können sich Männer und Frauen, die dem wissenschaftlichen Anforderungsprofil entsprechen und der deutschen Sprache mächtig sind. Es ist gut möglich, dass die Person muslimischer Religionszugehörigkeit sein wird. Am Ende steht hoffentlich eine glückliche Wahl.

«Wir wollen gegenüber der Öffentlichkeit und angesichts der aktuellen finanzpolitischen Diskussion unabhängig bleiben.»

zentralplus: Wie teuer ist die neu zu schaffende Position?

Mark: Es geht um eine Assistenzprofessur, dazu gehört mehr als nur das Salär. Wir haben die Kosten auf 160’000 Schweizer Franken beziffert. Die Gelder sind für fünf Jahre veranschlagt. Übernommen werden die Kosten vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Ein Kollege aus unserer Professorenschaft hat diesen Kontakt hergestellt.

Auch zu gesellschaftlichen Themen soll das neue Zentrum einen Beitrag leisten. Prof. Mark vor einer Israel-Palästina-Karte.

Auch zu gesellschaftlichen Themen soll das neue Zentrum einen Beitrag leisten. Prof. Mark vor einer Israel-Palästina-Karte.

(Bild: les)

zentralplus: War Kostenneutralität eine Bedingung vonseiten der Unileitung?

Mark: Ja, aber auch vonseiten des Kantons. Wir wollen gegenüber der Öffentlichkeit und angesichts der aktuellen finanzpolitischen Diskussion unabhängig bleiben.

zentralplus: Wollen Sie mit der neuen Ausrichtung auch Ihre Legitimation steigern? Schliesslich gibt es immer wieder Stimmen, welche die Theologische Fakultät als Ganzes infrage stellen.

Mark: Wir selber sind natürlich davon überzeugt, dass wir einen wichtigen Player darstellen in Fragen katholischer Theologie und damit auch in gesellschaftlichen Fragen. Besonders erwähnen möchte ich das Fach Ethik, welches auf hohes gesellschaftliches Interesse stösst. Unsere Fakultät steht aufgrund der relativ geringen Studierendenzahl unter Rechtfertigungsdruck. Aktuell studieren im Bachelor- und Masterstudium Theologie und in weiteren Studiengängen ca. 270 Studierende. Der Legitimationsdruck ist weniger durch die Sachebene gegeben, sondern eher durch die Zahl der Studierenden.

zentralplus: An wen richtet sich das Angebot?

Mark: Wir wollen uns insbesondere an Menschen wenden, welche sich für Weiterbildungsveranstaltungen interessieren, und dabei insbesondere an Personen, die an den drei Religionen und dem Dialog darüber interessiert sind. Dazu können auch Studierende zählen, sie werden aber nicht speziell angesprochen. Der Fokus liegt auf der Weiterbildung.

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