«Wir sind im 21. Jahrhundert, auch in Zug»

Ruedi Zai hat sich Gedanken gemacht zum Verkehr der Zukunft. In 17 Jahren, wenn der Stadttunnel frühestens realisiert wäre, sei das Verkehrsaufkommen und das Mobilitätsverhalten ein ganz anderes als heute, findet er. Nachfolgend sein Leserbrief, den er der Redaktion zentral+ zukommen liess:

Ja, das Projekt für das Zuger Stadttunnelsystem ist faszinierend, fügt sich ordentlich ins Stadtgefüge ein und spielt das Zentrum weitgehend frei. Pech für uns Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner ist nur, dass wir vor fünfundzwanzig Jahren keinen Heinz Tännler hatten und heute solch einen Tunnel.

Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser das Gefühl, dass wir in siebzehn Jahren, dem frühesten Eröffnungstermin der Anlage, uns noch in solch grosse, protzige Autos setzen, die Strapazen beim Ein- und Aussteigen in den Parkhäusern oder in den Kolonnen auf uns nehmen, um unsere Geschäfte zu erledigen?

Martin Stuber sieht in seinem Artikel vom 30. April in der «Neuen Zuger Zeitung» wie viele Politiker keine Alternative. Es gibt aber Alternativen. Zur Erinnerung: Wir sind inzwischen im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen, dem Zeitalter der Digitalisierung. Die Digitalisierung ist dran, nebst dem Umkrempeln der Berufswelt und der persönlichen Kommunikation, den Verkehr wieder zu dem zu machen, was wir von ihm erwarten: Für die Mobilität zuständig zu sein. Lesen sie den Artikel der «NZZ am Sonntag» vom 3. Mai 2015. Da wird beschrieben, dass dank den selbstfahrenden Autos 10 – 20 Prozent der Stadtautos reichen würden. Die Autos werden nicht mehr 23 Stunden pro Tag ungenutzt herumstehen. Die Stadtbewohnerinnen und -bewohner werden abgeholt und ohne Umwege ans gewünschte Ziel gebracht, wo auch immer. So braucht es in der Stadt nur noch sehr wenige Parkplätze, viel Raum wird wieder frei für stadtgerechte Nutzungen. Bei Google oder einem andern Suchprogramm finden Sie viele Projekte, Versuche, Beispiele, Visionen und Realitäten. Sie werden staunen, wie nahe die Zukunft schon ist. Sicher ist: Welches System sich auch durchsetzt, der Verkehr wird anders sein als heute.

Klar bremsen die Ölkonzerne und Autokonzerne mit den Wurzeln im letzten Jahrhundert noch die Umsetzung, doch in siebzehn Jahren, wenn der Zuger Stadttunnel eröffnet würde, sind sie ausgetrickst. Ausgespielt von agilen und innovativen Firmen wie Google, Tesla, Branson, Apple, vielleicht auch selbst von klassischen Autobauern wie Mitsubishi, BMW, VW etc. Schauen Sie in ihrem Leben zurück, was sich in den letzten zwanzig Jahren bei Ihnen persönlich in Sachen Kommunikation verändert hat, und projizieren Sie das in die Zukunft. Nach meinen Beobachtungen haben sich die Veränderungen noch beschleunigt und beschleunigen sich unentwegt.

Dass diese Veränderungen mit Sicherheit das «selbstfahrende» Auto bringen werden, sehen wir auch in der Bevölkerungsentwicklung. In zwanzig Jahren sind  25 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt. Bereits heute bauen über 70 Jährige mehr als 4500 Unfälle mit 294 Toten und Schwerverletzten pro Jahr (2014). 90 Prozent der Unfälle (aller Alterskategorien) werden durch den Fahrer oder die Fahrerin verursacht. Pro Jahr erkranken in der Schweiz 16’000 Personen mit Führerausweis an Demenz. Denken Sie, dass diese vielen Mitbewohnerinnen und -bewohner auf die Mobilität verzichten wollen? Der Markt wird laut nach neuen Systemen rufen und die Versicherungen werden auch nicht untätig bleiben.  Meine aktuelle Sorge ist nur, was geben wir den vielen Prestigefahrerinnen und –fahrern, für ein neues Gadget in die Hand, damit sie sich ohne Persönlichkeitsverlust in die neue Zeit begeben können? Ein Hoffnungsschimmer für eine Trendwende liegt bei den älteren Semestern die mobil bleiben wollen: zirka 50 Prozent der Neuwagen wurden im letzten Jahr von über 65-Jährigen gekauft

Wer investiert Fr. 890’000’000.- für ein Projekt des letzten Jahrhunderts und ist bereit, jedes Folgejahr mindestens Fr. 2’000’000.- für den Betrieb und Unterhalt sowie ca. Fr. 12’000’000.- für die Amortisation von ca. Fr. 500’000’000.- aufzubringen? Nach ca. 30 -40 Jahren muss das Tunnelsystem saniert, praktisch neu gebaut werden, siehe Gubrist, Gotthard etc. Das alles für ein System das von den neuen Technologien noch vor seiner Eröffnung überflüssig gemacht worden ist.

Nur aus Angst vor dem politischen Gegner Geld für ein solches Projekt auszugeben, wie Martin Stuber empfiehlt, erinnert mich an die WK Zeit, als wir an den letzten Tagen vor WK Schluss jeweils überzählige Munition verpulverten und Benzin verschwendeten, nur damit das Budget für den nächsten WK nicht reduziert wurde. Doch das ist eine Geschichte aus dem letzten Jahrhundert.

Wenn wir in den nächsten siebzehn Jahren so viele Mittel für ein veraltetes System binden, haben wir spätestens um das Jahr 2030 herum ein Problem, wenn es auch in Zug gilt, die neuen digitalen Systeme zu installieren.

Ruedi Zai, Dipl .Arch. ETH SIA SWB, Zug                                   

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