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«Wir müssen neue Steuerprivilegien entwickeln»

Bürogebäude in Zug: Die SVP will Steuerprivilegien in die Zukunft hinüberretten. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Nidwalden hat sie schon, und jetzt will auch Zug eine haben: Eine Lizenzbox. Dieses Steuerkonstrukt soll die Privilegien für ausländische Dachgesellschaften ersetzen. Eine entsprechende Motion der SVP Zug soll am 21. März vom Kantonsrat an die Regierung überwiesen werden. Das Thema ist brisant.

Auf den Wirtschaftsseiten von vielen Zeitungen werden die Lizenzboxen über den grünen Klee gelobt und gefeiert. Von einer «Box der Hoffnung» ist die Rede oder von einer «Wunderwaffe im EU-Steuerstreit»: Die Lizenzbox soll die Steuerprivilegien für multinationale Holdinggesellschaften ersetzen. Doch die sogenannten Boxenlösungen sind umstritten.

«Wir brauchen diese Boxen, um neue Steuerprivilegien für Dachgesellschaften zu entwickeln, sonst wandern diese Unternehmen ab», sagt der Zuger SVP-Kantonsrat Manuel Brandenberg. «Man versucht, ein drohendes Loch bei den Steuerprivilegien einfach mit neuen Sonderregelungen zu stopfen», hält Andreas Hürlimann von den Zuger Alternativen – die Grünen dagegen, «aber gelöst sind damit die Probleme nicht.»

SVP will einen Plan B

Das Problem sind die kantonalen Steuerprivilegien für ausländische Dachgesellschaften (Holding -, Verwaltungs- und gemischte Gesellschaften), die keine oder nur sehr geringe Steuern zahlen. Diese Privilegien sind der Europäischen Union (EU) schon lange ein Dorn im Auge. Das Anlocken von Firmen mit dem Steuerdumping sei wettbewerbsverzerrend, eine schädliche Steuerpraktik. Bis im Juni verlangt die EU eine Lösung, sonst kommt die Schweiz auf eine schwarze Liste.

Hier nun zückt der Zuger SVP-Kantonsrat Manuel Brandenberg die «Wunderwaffe im EU-Steuerstreit». Er verlangt in einer Motion, der Kanton Zug müsse als Alternative zu den bisherigen Steuerprivilegien eine Lizenzbox sowie eine Zinsbox schaffen.

Brandenberg ist Anwalt, SVP-Parteipräsident und Fraktionschef seiner Partei. «Wir müssen leider davon ausgehen, dass «Bern» gegenüber der EU wieder einknickt», sagt Manuel Brandenberg dazu. «Deshalb müssen wir rechtzeitig EU-kompatible Alternativen schaffen.» Der SVP-Kantonsrat will einen Plan B, falls sich die EU durchsetzt.

Lizenzbox auch für Schweizer Unternehmen

Eine Lizenzbox, auch «Innovation Box» oder «Patent Box» genannt, hat bisher einzig der Kanton Nidwalden geschaffen. In dieser Box können Patentverwertungsgesellschaften, welche bis anhin als Holdings, Briefkastenfirmen und gemischte Gesellschaften besteuert wurden, Gewinne günstig versteuern. Es sind Gewinne aus der Vergabe von Patenten oder Vertriebsrechten, von Marken, Produkten und Dienstleistungen.

Neu an dieser Lizenzbox in Nidwalden ist: Nicht nur ausländische Firmen profitieren davon, sondern auch Schweizer Firmen können das Konstrukt nutzen. Es ist, ganz im Sinne der EU, nicht mehr wettbewerbsverzerrend, weil die Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Gewinnen wegfällt. Lizenzboxen bieten auch eine handvoll EU-Staaten an.

Wie Lizenzboxen funktionieren, erklärt Markus Huwiler, Chef des Nidwaldner Steueramtes, mit einem Beispiel: «Wenn Fiat einen Motor entwickelt, den ein anderer Autohersteller nachbauen will, muss er an Fiat Lizenzgebühren zahlen. Diese Lizenzgewinne kann Fiat nun über eine Lizenzbox zum Beispiel im Kanton Nidwalden günstig versteuern.»

Der Chef des Nidwaldner Steueramtes ist begeistert vom neuen Konstrukt. «Wir haben dank der Lizenzbox seit 2011 rund 30 Firmen neu angesiedelt.» Erstaunlich ist das nicht. Denn im Kanton Nidwalden bekommen die Unternehmen für ihre Lizenzgewinne einen Steuerrabatt von stolzen 80 Prozent auf die kantonalen Gewinnsteuern von 6 Prozent. Das heisst: Dank der Lizenzbox zahlen sie noch 1,2 Prozent Gewinnsteuern.

Die Lizenzgewinne sind keine Peanuts. «Da kommen erhebliche Summen zusammen», sagt Markus Huwiler. Um wie viel Gewinn es geht und welche Firmen profitieren, kann der Steuerverwalter nicht verraten: «Das gehört zum Steuergeheimnis.» Bekannt ist, dass auch Schindler von der Lizenzbox profitiert.

Lizenzbox als neue Schlaumeierei

Ursprünglich war die Lizenzbox eine gut gemeinte Sache. Die EU wollte damit die Unternehmen ermuntern, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Inzwischen sind die Boxen aber auch ein Vehikel der Steueroptimierung geworden. «Die Lizenzbox ersetzt teilweise das Regime für steuerlich privilegierte Gesellschaften», sagt Steuerverwalter Markus Huwiler.

Unter Juristen ist umstritten, ob die Lizenzbox überhaupt gesetzeskonform ist. Dabei geht es um das Steuerharmonisierungsgesetz. Nidwalden verweist auf ein Gutachten der Universität Freiburg, das feststellt, die Box sei gesetzeskonform.

Der frühere St. Galler Verwaltungsgerichtspräsident Ulrich Cavelti hingegen, heute Berater der Finanzdirektorenkonferenz (FDK), ist überzeugt, dass sich die Nidwaldner auf dünnem Eis bewegen. «Ich bin der  Meinung, dass die Lizenzbox dem Steuerharmonisierungsgesetz widerspricht.»

Ulrich Cavelti begründet das so: «Mit der Lizenzbox verstossen die Nidwaldner gegen die Gleichbehandlung, weil sie für eine bestimmte Einkunftsart (Lizenzeinkünfte) einen andern Steuersatz anwenden als für die übrigen Einkünfte. Sondertarife oder eine bloss teilweise Erfassung von Einkünften sind nur in speziellen Fällen zulässig, so etwa, wenn eine wirtschaftliche Doppelbelastung besteht, was aber bei den Lizenzeinkünften nicht der Fall ist. Damit wird der Grundsatz der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung verletzt.»

Attraktiv bleiben mit Steuerprivilegien

Deshalb haben laut Cavelti die kantonalen Finanzdirektoren noch nicht entschieden, ob sie Lizenzboxen als Ersatz für die Holdingprivilegien einsetzen wollen. «Sie stehen Gewehr bei Fuss und warten, bis es eine gesamtschweizerische Lösung mit der EU gibt.» Über den Vorstoss von Manuel Brandenberg sagt Cavelti: «Für Zug allein Boxen zu realisieren ist ein Unsinn. Das geht rechtlich gar nicht. Man muss jetzt abwarten und diese Situation rechtlich klären.»

Der Zuger SVP-Parteipräsident und Kantonsrat Manuel Brandenberg setzt trotzdem auf die Boxenlösungen. «Wenn das bisherige Regime der Steuerprivilegien wegen der EU geschwächt oder sogar aufgegeben wird, müssen wir uns vorbereiten. Wir müssen überlegen, wie wir attraktiv bleiben.» Boxenlösungen seien im Kanton Zug typischerweise für Pharmafirmen wie Roche, Novartis oder Johnson & Johnson attraktiv, aber natürlich auch für alle anderen Firmen mit Lizenzeinnahmen aus Patenten oder Marken. Zusätzlich will Brandenberg eine Zinsbox anbieten. Damit könnten Zinseinkünfte steuerlich privilegiert behandelt werden.

Unklare Zukunft mit Lizenzboxen

Bei den Alternativen – die Grünen findet Brandenbergs Motion keine Zustimmung. Co-Präsident und Kantonsrat Andreas Hürlimann sagt: «Diese Boxenlösungen verstossen  gegen den Grundsatz, dass alle nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Und mit Lizenzboxen handeln wir uns nur neue Probleme ein.»

Tatsächlich ist offen, ob die EU längerfristig Lizenzboxen akzeptieren wird. Der Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin (CVP) sagt dazu: «In vielen EU-Staaten gibt es bereits solche Regelungen, also dürften sie international einigermassen akzeptiert sein und man könnte der Schweiz nicht unfairen Steuerwettbewerb vorwerfen.» Doch Hegglin schränkt ein: «Es ist unsicher, ob Boxen-Lösungen auch längerfristig international akzeptiert werden.»

Für Hegglin sind Lizenzboxen nur eine von mehreren möglichen Lösungsvarianten. «Boxen können ein Mosaikstein in der Lösungssuche sein, wohl aber kein Allzweckmittel für alle Kantone mit ihren teils sehr unterschiedlichen Ausgangslagen.»

Luzern lehnt Lizenzbox ab

Ein Beleg dafür ist der Kanton Luzern. Auch hier gab es einen Vorstoss im Kantonsrat für die Schaffung einer Lizenzbox, er wurde jedoch auf Antrag der Regierung abgelehnt. «Wir haben im Kanton Luzern weniger Bedarf an solchen Boxen, weil wir schon die tiefsten Unternehmenssteuern haben», sagt der parteilose Finanzdirektor Marcel Schwerzmann dazu. «Ausserdem haben wir, etwa im Vergleich mit Genf oder Basel, weniger international tätige Firmen.  Der Streit mit der EU betrifft uns also weniger stark.»

Schwerzmann fügt hinzu, das Anliegen sei nicht dringend, man stehe nicht unter Zeitdruck. «Wir können abwarten, bis der Bund mit der EU eine Lösung aushandelt, und dann können wir entscheiden.»

Die Suche nach einer Lösung ist äusserst knifflig. Denn Lizenz- oder Zinsboxen nützen nur einem Teil der Firmen. Handelsfirmen wie etwa die Rohstoffhändlerin Glencore in Zug können nicht davon profitieren, weil sie keine Lizenzgewinne generieren. Dieses Problem will Manuel Brandenberg von der SVP mit einer generellen Senkung der Gewinnsteuern lösen. Ein Vorschlag, den auch Economiesuisse für die ganze Schweiz unterstützt.

Die Absenkung dieser Gewinnsteuern für alle Unternehmen auf das Niveau der privilegierten Holdingfirmen wäre zwar nicht mehr diskriminierend, doch er würde in Kantonen mit vielen Unternehmen riesige Steuerausfälle auslösen. Zürich rechnet mit Steuerausfällen von 350 Millionen Franken, Basel mit 400 Millionen und Genf mit 450 Millionen. Auch der Bund würde geschätzt fünf Milliarden Franken verlieren. Wer das bezahlen soll, ist offen.

Linke sieht keinen Handlungsbedarf

Für Andreas Hürlimann von den Alternativen – die Grünen sind weder weitere Steuersenkungen für Unternehmen noch Boxenlösungen tragfähig. «Das hat keine Zukunft. Damit geraten wir nur wieder unter Beschuss und müssen schon bald wieder nachjustieren.»

Vor allem sieht Andreas Hürlimann keinen Handlungsbedarf. «In Zug ist das Steuerniveau für Gewinnsteuern schon heute sehr niedrig. So liegt die ordentliche Steuerbelastung tiefer als etwa in Singapur. Als Tiefststeuerkanton mit einer gesamten Steuerbelastung im Bereich von 12 bis 15 Prozent gibt es keinen wirklichen Handlungsbedarf.» Der jetzt von der SVP vorgeschlagene Weg sei fatal: «Man versucht mit allen Mitteln, die Sonderprivilegien Aufrecht zu erhalten und hangelt sich von Konstrukt zu Konstrukt.»

«Das stimmt», räumt Manuel Brandenberg von der SVP ein, «aber wir dürfen auch nicht ständig dem Druck nachgeben. Es muss unser Ziel sein, für Unternehmen attraktiv zu bleiben. Wenn Unternehmen nur wegen der Steuerprivilegierung bei uns sind, muss man ihnen etwas anbieten, damit sie auch in Zukunft da bleiben.»

Gratis sei das nicht zu haben, fügt Brandenberg bei, als Folge müsse der Staat eine Verzichtsplanung machen. «Als SVP‘ler bin ich ein Sparpolitiker. Wenn wir dem Staat Geld wegnehmen können, ist das immer gut.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 19.03.2013, 14:08 Uhr

    Die SVP setzt sich nicht für den einfachen Bürger, sondern für Privilegierte ein. Ausgewählte Firmen sollen noch weniger Steuern zahlen mittels einem fragwürdigen Boxen-Konstrukt. Generell sollen die Unternehmenssteuern nochmals gesenkt werden. Beides zu fordern, heisst blind der Ideologie der Profitmaximierung und Geldgier von Aktionären, Managern und gewinnstarken Firmen zu folgen. Unhaltbar vor allem nachdem die Unternehmenssteuerreform II für Bund, Kanton und Gemeinden um Milliarden höhere Steuerausfälle bringt als der Bundesrat deklariert hatte. Eine Reform, die dafür sorgt, das Glencore-CEO Glasenberg 100 Millionen Franken Aktiengewinne unversteuert einstreichen kann! In der Stadt Zug fehlt wegen übertriebener Steuersenkungen Geld – so dass gerade die SVP grössere Schulklassen fordert, um in der Bildung bei den Kindern zu sparen.

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