Luzerner Regierungsrat zu Corona-Verschärfungen

«Wir haben in den letzten drei Wochen vieles verspielt»

Verschärft die Massnahmen erneut: Luzerns Gesundheitsdirektor Guido Graf (CVP). (Bild: biv)

Der Kanton Luzern erhört die Warnsignale der Experten und verschärft die Corona-Massnahmen erneut. Länger damit zuzuwarten sei keine Option, sagt Gesundheitsdirektor Guido Graf. Er bemängelt den Fokus auf den Föderalismus und Versäumnisse anderer Kantone – selbstkritische Worte hingegen hört man von ihm vorerst keine.

Der Kanton Luzern zieht die Schraube massiv an: Ab diesem Samstag gelten neue Corona-Sofortmassnahmen. Dazu gehört eine Maskenpflicht in Büros, wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann, sowie in Autos, sofern eine Person mitfährt, die nicht im selben Haushalt lebt wie der Fahrer. Weiter dürfen Pflege- und Altersheime sowie Spitäler nur noch in Ausnahmefällen Besucher empfangen (siehe Box).

Gleichzeitig werden die Testkapazitäten ausgebaut (zentralplus berichtete). Während in Nottwil ein Drive-In eingerichtet wird, wird das im Frühling dort errichtete Notspital vorerst nicht wieder aufgebaut.

Auch andere Kantone haben ihre Massnahmen verschärft. Sie reagieren damit auf die Warnungen der Fachexperten des Bundes. Diese informierten am Freitagnachmittag über die aktuelle Lage. Die Botschaft war klar: Die bisherigen Massnahmen genügen nicht. Am Freitag sind über 6600 Neuansteckungen gemeldet worden, mehr als jeder vierte Test fiel positiv aus.

Luzerner Lage hat sich verschlechtert

«Wir haben pro Woche praktisch eine Verdoppelung der Fallzahlen», begründet Gesundheitsdirektor Guido Graf den Entscheid der Luzerner Regierung. Auch die Spitäler und die Intensivstation verzeichneten zuletzt wieder mehr Patienten. Am Freitagvormittag meldete der Kanton 37 Hospitalisierungen, fünf Corona-Patienten befinden sich auf der Intensivpflege.

Länger abzuwarten sei daher keine Option gewesen, so der Regierungsrat. «Jede Stunde und jeder Tag, den wir verlieren, bringt uns eine massive Verschlechterung. Und es braucht extrem viel Kraft in Form längerer und härterer Massnahmen, bis wir dies wieder justiert haben.» 

Das gilt für Besucher im Kantonsspital

Das Luzerner Kantonsspital hat folgende Ausnahmen vom Besuchsverbot definiert:

  • Kinderspital: Erlaubt ist eine Begleitperson – Mutter oder Vater.
  • Partner von gebärenden Frauen haben weiterhin Zutritt.
  • Ein Besuchsrecht haben auch nahe Angehörige bei sterbenden Menschen oder bei unterstützungsbedürftigen Patientinnen und Patienten.

Luzern gehörte lange zu denjenigen Kantonen, die vergleichsweise tiefe Fallzahlen aufwiesen. Inzwischen hat sich die Situation allerdings deutlich verschlechtert. «Wir haben in den letzten drei Wochen vieles verspielt, was wir zuvor gut gemacht haben», sagt Graf. Er bedauert, dass viele Menschen die einfachen Massnahmen – Abstand, Händewaschen und Maskentragen – nicht genügend einhalten.

Hoffen auf eine Lockerung für die Adventszeit

Deshalb greift der Regierungsrat neu auch zu drastischen Mitteln, wie etwa dem Besuchsverbot in Spitälern, Alters- und Pflegeheimen. Die Massnahme stand bereits im Frühling in der Kritik, da die soziale Isolation die psychische Gesundheit der Betroffenen stark beeinträchtigen kann.

Dass Luzern soweit geht, hat auch mit dem Corona-Ausbruch im Kurhaus Seeblick Weggis zu tun: Dort steckten sich kürzlich über 30 Personen mit dem Virus an – trotz umfassendem Schutzkonzept (zentralplus berichtete). «Der Fall hat uns überrascht», sagt Guido Graf. «Ich verlange mehr Informationen, um beurteilen zu können, wieso das Schutzkonzept nicht funktioniert hat.» Bevor es soweit sei, wolle der Kanton kein Risiko eingehen. Graf betont: «Alle Betriebe sind gemäss Covid-19-Verordnung eigenverantwortlich verpflichtet, ein Schutzkonzept zu erarbeiten und umzusetzen. Das tut nicht der Kanton.»

«Wir wollen die Kurve möglichst schnell brechen, um die Massnahmen vor der Adventszeit lockern zu können.»

Die Massnahmen seien einschneidend, räumt der CVP-Regierungsrat ein. Der Gesundheitsdirektor betont aber, dass die erste Welle im Frühling länger angedauert habe: Die jetzigen Massnahmen, darunter das Besuchsverbot, sind begrenzt auf den 30. November. «Wir wollen die Kurve möglichst schnell brechen, um die Massnahmen vor der Adventszeit lockern zu können.» Damit wolle man einerseits der Bevölkerung ermöglichen, die Weihnachtszeit feiern zu können, andererseits geht es auch um das Weihnachtsgeschäft der Wirtschaft.

Kritik am Föderalismus und anderen Kantonen

Mit den jüngsten Entscheiden werden in Luzern innert einer Woche bereits zum dritten Mal strengere Massnahmen eingeführt. Das rasche Hin und Her teilweise für Verwirrung und Kritik (zentralplus berichtete).

«Das wird ein Thema sein, zu dem ich mir zwischen Weihnachten und Neujahr Gedanken mache.»

Guido Graf rechtfertigt das Vorgehen. «Es braucht ein Gleichgewicht zwischen Gesundheit, Wirtschaft und gesellschaftlichem Leben. Diese Balance zu finden, ist hochanspruchsvoll.» Er selber kritisiert, dass man viel Energie verbraucht habe mit Diskussionen um den Föderalismus. Und: «Gewisse Kantone haben massiv zu spät reagiert. Doch das Virus macht nicht vor den Kantonsgrenzen Halt.» 

Mit selbstkritischen Worten hält sich Guido Graf derzeit noch zurück. Haben auch der Kanton Luzern und der Luzerner Gesundheitsdirektor Fehler gemacht oder Entscheide versäumt? «Das wird ein Thema sein, zu dem ich mir zwischen Weihnachten und Neujahr Gedanken mache», sagt Graf. «Dann ziehe ich eine erste Bilanz.» 

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7 Kommentare
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 25.10.2020, 14:09 Uhr

    Jetzt drehte ihr völlig durch. Warte nur darauf, das irgendein Politiker Die Maske im privaten Schlafzimmer fordert, Es ist einfach nur noch lächerlich diese Ignoranz gegenüber Fakten. Wir haben eine Testpandemie, welche durch einen über sensitiven völlig unzuverlässigen Test verursacht wird

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  • Profilfoto von Sweety
    Sweety, 24.10.2020, 23:30 Uhr

    Die Massnahmen wäre eigentlich gut, nützen aber wenig, wenn die Nachbarkantone nicht dieselben Regeln haben. Dann geht man von hier aus in einen anderen Kanton, unsere Firmen (Bars, Discos usw) gehen Pleite, die der Nachbarkantone lachen sich ins Fäustchen. Bei uns im Büro endlich Maskenpflicht, aber wenn im Nachbarkanton arbeitet, kann sich dort im Büro anstecken….
    Es müssen alle am gleichen Strang ziehen, sonst wird das nichts.

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  • Profilfoto von jetztreichts
    jetztreichts, 24.10.2020, 18:44 Uhr

    bis jetzt habe die Beschlossenen Massnahmen unterstützt und mir die inkompetenten Aussagen der Luzern Regierung brave angehört. Aber jetzt reichts. Gestern hat Herr Graf mit dem Bekanntgeben der neuen Massnahmen den Bogen überspannt.
    Ohne sich um die Betroffenen (die Bewohner der Altersheime und Kliniken) zu kümmern, hat er ein Besuchsverbot erlassen, das viel mehr Schaden anrichtet als verhindert. Wenn er sich nur eine Minute um die Auswirkungen des ersten Besuchsverbotes gekümmert hätte, dann wüsste er das.
    Herzlichen Dank dass sie verhindern dass ich meine schwer Kranke Mutter nicht mehr besuchen darf und Sie diese schwere Zeit dank Ihnen alleine verbringen darf! Aber immerhin beschützen Sie sie nun vor dem Virus.
    Maskenpflicht im Auto , wenn man nicht im gleichen Haushalt lebt, aber FCL spiele mit 4000 Zuschauern? Fitnessstudios offen, Amateur Fussball und Chorproben erlaubt, aber NICHT ins Altersheim mit Maske? Das sind doch Entscheide die jeder versteht und gerne auch mitträgt. DANKE HERR GRAF, ich bin dann mal Weg, beschliessen wie was sie wollen, mich haben sie als Unterstützer verloren.

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  • Profilfoto von Andreas Peter
    Andreas Peter, 24.10.2020, 10:35 Uhr

    Es ist genau wie ich erwartet habe.
    Die Masken nützen nichts.
    Daraus folgert die Politik aber nicht, dass man die Maskenpflicht wieder abschaffen kann, sondern dass man jetzt am Besten noch unter der Dusche Masken tragen sollte.

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  • Profilfoto von Beni
    Beni, 23.10.2020, 20:55 Uhr

    Genau hier liegt der Hund begraben: Anderen Kantonen vorwerfen sie hätten zu lange gewartet, Herr Graf macht sich über seine eigene Inkompetenz dann zwischen Weihnachten und Neujahr Gedanken. Das sagt doch schon alles. Hätte der ideenlose Luzerner Regierungsrat ein vernünftiges Krisenmanagement hätte es nicht soweit kommen müssen, resp. man müsste nicht jetzt innerhalb weniger Tage mit solchen Feuerwehrübungen aufwarten.
    Aber das ist das, was diesen Regierungsrat schon seit Jahren «auszeichnet»

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  • Profilfoto von Rudolf
    Rudolf, 23.10.2020, 19:57 Uhr

    Niemand hat in den letzten Monaten die einzelnen Personen daran gehindert, selbst maximale Schutzmassnahmen einzuhalten, die über den verordneten Massnahmen liegen: IMMER Distanz, IMMER Maske, KEINE Treffen.

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  • Profilfoto von Daniel Steiner
    Daniel Steiner, 23.10.2020, 19:15 Uhr

    Was mich stört ist dass immer der Bevölkerung der schwarze Peter zugeschoben wird. IHR habt euch nicht dran gehalten fertig. Dass sich aber redpiratorische Viren grundsätzlich im Winterhalbjahr stärker verbreiten wird ausser acht gelassen. Hauptsache die Bevölkerung ist Schuld. Ob die Politiker*innen sich immer und die ganze Zeit über an alle Massnahmen gehalten haben sei dahingestellt

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